Blöde Sache
Am Sonntag gastieren die Grunge-Pioniere Mudhoney und die Protopunkband MC5 in Wien. Wen soll man sich anschauen?
Anhänger wilder Hunde des Rock ’n’ Roll stehen aktuell vor einem moralischen Dilemma. In der Arena treten kommenden Sonntag Mudhoney auf. Die Band benannte sich nach einem Film des Schöngeists Russ Meyer und löste im Verein mit Nirvana und Konsorten einst die Grunge-Revolution aus. Mudhoney führten mit ihrer Musik etwas fort, was Bands wie MC5 zwanzig Jahre zuvor losgetreten hatten. Womit wir mitten in der Problemstellung wären.
MC5 spielen zeitgleich im Wiener Flex. Gut, es gibt ein paar Abstriche zu machen: Von der Originalbesetzung der aus Detroit stammenden Protopunkband ist nur noch Wayne Kramer am Leben. Er gilt als einer der wegweisenden Gitarristen des Fachs. Doch selbst der Rest der zum 50-Jahr-Jubiläum der Band als MC50 tourenden Gruppe hat es in sich.
Bei MC50 spielen neben Wayne Kramer Brendan Canty (Fugazi, Bob Mould ...), Kim Thayil (Soundgarden) und Matt Cameron (Pearl Jam und Soundgarden). Sogar Billy Gould (Faith No More) und Don Was sollen dabei sein, aber das glauben wir erst, wenn sie wirklich auf der Bühne stehen.
MC5 haben mit ihrem 1968 erschienenen Live-Album Kick Out The Jams Geschichte geschrieben. Der Sommer der Liebe war zu Ende, anstatt Händchen zu halten wurden jetzt Arschtritte ausgeteilt. Das Album spiegelte die zum Teil gewalttätigen Umbrüche in den USA zur Zeit der Bürgerrechtsbe- wegung wider und gilt längst als Klassiker. Doch nach drei Alben war die Band Geschichte.
Wickel mit dem Management, der Plattenfirma und ein legerer Umgang mit harten Drogen – und die Band zerbröselte. Fred „Sonic“Smith, selig, heiratete Patti Smith, Kramer ging wegen Drogenbesitzes in den Bau.
Der Legende tat das natürlich keinen Abbruch, im Gegenteil. Die Generation Punk hielt MC5 bald ebenso hoch wie deren Zeitgenossen von den Stooges. Die Phrase Kick Out The Jams ging in die Alltagssprache ein, der Song selbst wurde hundertfach gecovert oder gesampelt. Eine Gruppe wie die 1988 gegründeten Mudhoney wäre ohne MC5 schwer vorstellbar gewesen – die beiden Bands sind heute natürlich befreundet.
Ewige Renitenz
Mudhoney aus Seattle sind hingegen nicht auf Nostalgietour. Die Band um Mark Arm hat heuer das Album Digital Garbage veröffentlicht. Hausmarke, und schon der Titel evoziert eine gewisse unbelehrbare Renitenz – das darf in dem Fall als Kompliment gelesen werden. Zumindest so lange der Altersstarrsinn garantiert, dass Mudhoney nicht plötzlich Balladen singen.
Bleibt die Frage, welches Konzert man also besuchen soll? Tja, die Antwort muss sich jeder selbst geben. Blöde Sache. MC50, 25. 11., Flex, 20.00 Mudhoney: 25. 11., Arena, 20.00