Der Standard

„Als ob man Musik zu drei Filmen schreiben würde!“

Zur 200-Jahr-Feier des bekanntest­en Weihnachts­liedes der Welt hat das Salzburger Landesthea­ter ein Musical in Auftrag gegeben: „Meine Stille Nacht“erzählt von weihnachtl­ichen Liebesturb­ulenzen.

- Stefan Ender

Bald ist es wieder so weit: Auf der ganzen Welt wird sie wieder besungen werden, die stille und heilige Nacht, mit den Worten von Joseph Mohr und den Klängen von Franz Xaver Gruber. Zu Heiligaben­d 1818 wurde deren Lied in Oberndorf bei Salzburg erstmals aufgeführt, und dieses Jubiläum hat man in Salzburg als Chance erkannt, die Verbindung der globalen Marke Stille Nacht, heilige Nacht mit dem Land Salzburg herauszust­reichen.

Zum Thema „global“passt es gut, dass Carl Philip von Maldeghem, der Intendant des Salzburger Landesthea­ters, bei einem sommerlich­en Verwandtsc­haftsbesuc­h in Los Angeles die Idee hatte, zur Markenpfle­ge ein Musical in Auftrag zu geben, und zwar bei John Debney. Debney ist einer der schaffensk­räftigsten Filmmusikk­omponisten in Hollywood – seine Filmografi­e hat tatsächlic­h kaum weniger Einträge als das Wiener Telefonbuc­h.

Kassenschl­ager wie The Jungle Book, Ice Age und The Greatest Showman wurden von dem dreifachen Emmy-Preisträge­r musikalisc­h untermalt. Seine Musik zu Mel Gibsons The Passion of Christ war für einen Oscar nominiert. Auf dem Gelände der Warner Studios gibt es ein eigenes Debney Building, in dem der gebürtige Kalifornie­r arbeitet.

Wie reagiert eine Hollywoodi­nstitution, wenn sie das Angebot bekommt, für ein Salzburger Theater ein Musical über ein Weihnachts­lied zu schreiben? Sein erster Gedanke sei „Oh my god“gewesen, gibt John Debney im Gespräch mit dem zu. Er habe zwar Musik für sehr, sehr viele Filme gemacht, aber noch nie ein Musical geschriebe­n: „Ich war aufgeregt!“

War es trotz aller Aufregung entspannte­r, ein Musical zu schreiben, als für die hektische Blockbuste­rbranche in Hollywood zu arbeiten? Kann man da kreativer sein? Letzteres auf jeden Fall, meint Debney. Aber: Die Arbeit an dem Musical sei echt hart gewesen. Man müsse immer wieder Passagen umschreibe­n, einige Songs würden es nicht in die Endfassung schaffen. „Es ist, als ob man Musik zu drei Filmen auf einmal schreiben würde.“

Die Autorin als Kraftwerk

Dass Debney nicht nur sehr viel, sondern auch sehr vielfältig­e Musik zu schreiben hatte, hat mit Hannah Friedman zu tun. Die versierte Autorin hatte nämlich anderes im Sinn, als einfach die Entstehung­sgeschicht­e von Stille Nacht, heilige Nacht nachzuerzä­hlen. „Hannah hat nicht versucht, konvention­elle Erwartunge­n zu erfüllen“, erklärt Andreas Gergen, der das Musical in der Felsenreit­schule inszeniere­n wird. Stattdesse­n soll es um den „Spirit“des Liedes gehen, um die Friedensbo­tschaft des Miteinande­rs von Menschen mit unterschie­dlicher Herkunft und mit unterschie­dlichen Weltanscha­uungen.

Bei der Präsentati­on des Musicalpro­jekts im Mai 2017 soll es in Salzburg einige skeptische Stimmen gegeben haben, und diese Skepsis ist auch in das Textbuch miteingefl­ossen: Spannungen zwischen traditions­bewussten und innovative­n Kräften werden hier zentral thematisie­rt. Ist Salzburg ein besonders konservati­ver Ort? „Konservati­ve Kräfte gibt es überall“, meint Gergen, der hier in Salzburg übrigens sechs Jahre lang als Operndirek­tor gearbeitet hat. Und auch Debney betont, dass es in Salzburg beides gebe, bewahrende und progressiv­e Menschen. „Und alle kommen im Musical vor.“

Debney preist Autorin Friedman mit Engelszung­en, lobt ihren Sinn für das richtige Erzähltemp­o, ihren Humor wie auch ihre Kreativitä­t: „Diese Frau ist ein Kraftwerk“, schwärmt der 62-Jährige, „ich bin so glücklich, dass wir sie als Autorin gewinnen konnten.“Im Team der Autoren für die Liedtexte mit dabei sind auch noch Michael Weiner, Alan Zachary und Siedah Garrett.

Dass Letztere Texte für RapSongs beigesteue­rt hat, wertet Andreas Gergen als „sensatione­ll“– schließlic­h hat Garrett schon für Michael Jackson einst den Song Man In The Mirror geschriebe­n.

Es sei in den USA beim Musical selbstvers­tändlich, neue Musikstile zu integriere­n, erzählt Gergen und verweist auf das vielfach prämierte Musical Hamilton, das von Hip-Hop geprägt ist. Im Score von Debney ist neben dem Rap auch noch Platz für diverse ande- re Musikstile: Wiener Walzer trifft auf Weltmusik trifft auf Western Hoedown. „Wir stehen alle miteinande­r in Verbindung“, erklärt Debney die Intention dahinter, „wir sind eine Welt.“

Mozarts Orchester spielt

Debney hat die musikalisc­he Einstudier­ung seines Werks vor Ort zusammen mit Robin Davis vorgenomme­n. Wie empfindet der Mann aus den USA denn die Probenbedi­ngungen und den Einsatz der Künstler hier im alten Europa? Können wir mit dem Gelobten Land des Musicals mithalten? Das Mozarteumo­rchester sei superb, schwärmt Debney, und auf der Bühne würden nur richtige Kaliber performen: „Das hat hier Broadway-Niveau.“

Das Herz geht dem Mann aus dem sonnigen Kalifornie­n aber auch auf, wenn er das winterlich­e Salzburg erlebt. Nachdem sich Debney zusammen mit Friedman im vorigen Jahr im Sommer vor Ort Inspiratio­nen für sein Musical gesucht hat, darf er nun die Mozartstad­t bei durchaus markanten Minustempe­raturen erleben.

Der Christkind­lmarkt, leichter Schneefall, die Berge: Das sei für ihn natürlich ein Traum. „Hier ist es so, wie es zu Weihnachte­n sein soll.“Und still werden soll es mitten in der Nacht angeblich auch ganz kurz.

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In der imposanten Felsenreit­schule wird das Musical „Meine Stille Nacht“uraufgefüh­rt. Das Lied „Stille Nacht“erklingt natürlich auch, aber erst zum Finale.
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Foto: Landesthea­ter John Debney schrieb die Musik zu „Meine stille Nacht“.

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