KOPF DES TAGES
Die Jäger des verbilligten Schatzes
Der Begriff löst bei strengen Österreichern noch allergische Reaktionen aus. Das aus Deutschland importierte „Schnäppchen“wird von ihnen als ebenso identitätsgefährdend angesehen wie die Verwendung von Wörtern wie „lecker“oder „dufte“. Doch die Realität hat derlei talibanesk anmutende Sprachgebote längst überholt; dementsprechend ist auch der Schnäppchenjäger längst eingemeindet.
Schnäppchenjäger sind Menschen, die sich der Suche nach Sonderangeboten verschrieben haben. Daran klebt die Unterstellung des Geizes wie ein Schatten, weshalb das Wort nicht selten in einem eher despektierlichen Tonfall verwendet wird.
Der heutige Black Friday – noch so eine schröckliche Sprachinvasion – ist eine Art Feiertag für Schnäppchenjäger. Suchen sie sonst in Postwurfsendungen nach Rabattmarken, Ermäßigungen und Sonderangeboten, reicht heute der Gang in ein x-beliebiges Einkaufszentrum, um auf eine möglichst kleine Rechnung zu kommen.
Da Schnäppchen meist nur über einen begrenzten Zeitraum hinweg solche sind, haben es ihre Jäger besonders eilig. Auf Youtube ist hinreichend dokumentiert, welch zerstörerische Energie Menschen freisetzen können, wenn sie um Angebote rennen. In den USA fließt mitunter Blut, wenn sich zwei „bargain hunters“nicht einig sind, wer den 800Liter-Kühlschrank zuerst gesehen hat. Oder es wird im Freistil um den Minus-50-Prozent-Fernseher oder eine reduzierte Spielkonsole gerungen. Schön anzusehen sind derlei kapitalistische Gladiatorenkämpfe nicht. Die, die vor dem PC um Online-Deals ringen, bleiben unsichtbar.
Zum erweiterten Schnäppchenjägerkreis zählen auch Zeitgenossen, die regelmäßig bei Ausstellungseröffnungen anzutreffen sind, dort aber vornehmlich durch ihr Büffet- anstelle eines Kunstinteresses auffallen. Mahlzeit.
Doch eine derartige Perspektive muss man sich leisten können. Tatsache ist, dass es viele Menschen gibt, die nicht aus Geiz und Gier nach Angeboten jagen, sondern um über die Runden zu kommen. Für sie muss es sich wie eine Verhöhnung anfühlen, wenn Leute sich wegen billiger Drittfernseher in die Goschn hauen. Für sie ist auch der Black Friday nicht wirklich ein Feiertag. An dem Tag shoppen schließlich überwiegend jene, die sich von diesem Marketinggag willig verführen lassen.
Notgedrungen besitzen Schnäppchenjäger nur selten eine Trophäensammlung. Wonach sie jagen, das brauchen sie zum Leben. Karl Fluch