Forderungen feministischer Freundinnen
Am Anfang war die Skepsis. Eine, die nicht aus der roten Frauenorganisation kommt, will sich an den Mühen der Ebene vorbei direkt in einen Ministerinnensessel setzen? Die SPÖFrauen waren zunächst irritiert. Und auch die kritisch Beäugte selbst bekannte, als sie nach dem Tod Sabine Oberhausers nicht nur das Amt der Gesundheits-, sondern auch das der Frauenministerin übernahm: Bei den Frauenagenden habe sie Nachholbedarf, müsse sich erst einarbeiten. Also zog es Pamela Rendi-Wagner (47), Ärztin und zweifache Mutter, zu den Frauenorganisationen und dem feministisch aktionistischen Kern der Partei. Die Annäherung sei dann „ganz schnell gegangen“, glaubt Gabriele Heinisch-Hosek, Chefin der SPÖFrauen. Und seit die designierte Parteichefin bei ihrer allerersten Rede auf dem Parteitag der niederösterreichischen Genossinnen und Genossen auch eine bessere Anrechnung von Karenzzeiten und eine höhere Abgeltung von Überstunden für Teilzeitkräfte forderte, hat sie bei den Frauen sowieso einen Stein im Brett. Heute jubeln sie ihr zu: der ab Samstag ersten Frau an der Spitze der Sozialdemokratie.
Fakt ist: Frauen wählen eher links. Auch bei der Nationalratswahl 2017 machten überdurchschnittlich viele Frauen bei SPÖ und Grünen ihr Kreuz. Kann eine Frau an der Spitze diesen Effekt noch verstärken? Ein Wahlmotiv „Frau“gibt es laut dem Meinungsforscher Peter Hayek nicht. Wohl aber könnte bei entsprechender Themenlage – wenn etwa über Wohnen, Soziales oder Gesundheit in der Öffentlichkeit breit diskutiert wird – eine Chefin an der Spitze für zusätzliche Wählermotivation sorgen: „Auch weil das natürlich sozialdemokratische Themen sind.“
Stark, rot, weiblich
Sonja Ablinger, ehemals rote Parteirebellin, die nach dem Beschluss der rot-blauen Koalition im Burgenland die Partei verließ, ist überzeugt davon, dass Frauen progressivere Politik einfordern als Männer. Deshalb sei es wichtig, die vielen offenen Fragen bei der Gleichstellung anzusprechen. „Die SPÖ war immer schon stark, wenn Frauenthemen im Zentrum stehen“, sagt Ablinger und verweist auf die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs im Jahr 1974. Danach konnte Kreisky seine absolute Mehrheit noch ausbauen.
Und was, wenn das Trommeln von Frauenthemen für die Frau an der Spitze zum Bumerang wird – mit dem Effekt, quasi nur noch auf dieses Themenspektrum abonniert zu sein? Frauenchefin Heinisch-Hosek hat eine andere Lesart: „Diese Gefahr sehe ich nicht. Frauenpolitische Themen sind viel breiter als der x-te Verweis auf die immer noch bestehenden Lohnunterschiede.“Auch die Bereiche Soziales oder Gesundheit – beides Steckenpferde der neuen Parteichefin – seien im Kern natürlich auch frauenpolitische Anliegen.