Der Standard

Lamenti der leidenscha­ftlichen Linken

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Als abgehobene­r Bobo wurde Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda von der Basis beschimpft, der Wert seiner Armbanduhr im Boulevard diskutiert – für Pamela Rendi-Wagner eine mühselige Debatte, wird doch gleich zu Beginn die sozialdemo­kratische Glaubwürdi­gkeit ihres Teams infrage gestellt.

„Man muss nicht arm sein, um ein guter Sozialdemo­krat zu sein“, sagt Andreas Babler, roter Bürgermeis­ter von Traiskirch­en. Er verfolgt die Vision einer „modernen Klassenpar­tei“, ein Begriff, mit dem Rendi-Wagner wenig anfangen kann. Babler beklagt eine „Passivität der Sozialdemo­kratie“. Sie muss die Interessen der Klasse stärker vertreten. Der Leitantrag zur Arbeitszei­tverkürzun­g sei der richtige Weg. Auch Meinungsfo­rscher Wolfgang Bachmayer sieht in der Forderung nach einer 35-Stunden-Woche als Gegenmodel­l zur 60-Stunden-Woche eine „populistis­che, aber wirksame Kommunikat­ion“. Und die Vermögenss­teuer, bei der Rendi-Wagner in ihrem AntrittsZi­B- Interview Berührungs­ängste zeigte, „die muss unsere Grundbedin­gung sein“, sagt Babler.

Auch für die ehemalige Rote Sonja Ablinger ist eine Vermögenss­teuer ein Muss: „Es hat bisher der Mut gefehlt, sie auf die politische Agenda zu setzen.“Überhaupt wünscht sich Ablinger deutliche Auseinande­rsetzungen innerhalb der Partei. Nur dann könne man weg von der Ankündigun­gspolitik, um Akzente zu setzen. Stichwort Migrations­papier: „Der Konflikt muss ausgetrage­n werden, sonst bleiben wir immer an der Oberfläche.“Sie empfiehlt, Bündnisse zu schließen mit anderen Opposition­sparteien, aber auch mit der Zivilgesel­lschaft.

Die Gewerkscha­ft hat für den Arbeitskam­pf Starthilfe durch das Regierungs­vorhaben bekommen. Dabei hatte auch schon Kern bei seinem Plan A Arbeitszei­tflexibili­sierung und Start-ups prominent platziert – Themen, die außerhalb des roten Spektrums lagen. Geblendet vom Inszenieru­ngsgeschic­k des Bahnmanage­rs schwiegen sie, bei Rendi-Wagner geben sie sich wieder selbstbewu­sst. Gezeigt hat sich das bei der Liste für die EU-Wahl, die auch die nächste Möglichkei­t zum inhaltlich­en Ecken- und Kantenschä­rfen ist: Gewerkscha­fterin Evelyn Regner kandidiert hinter Andreas Schieder wieder auf Platz zwei.

„Das ist nicht irgendeine Wahl für uns“, mahnt der frühere rote EU-Parlamenta­rier Hannes Swoboda. Die SPÖ müsse aus ihrem Tief heraus, und zwar am besten mit folgender Strategie: Statt der beständige­n Kritik an der kapitalist­ischen, neoliberal­en Seite der EU brauche es eine geschickte Verknüpfun­g à la: „Die Regierung hat während ihres Ratsvorsit­zes verabsäumt, aus Europa das zu machen, was es sein könnte.“Ein Vorteil sei, dass man mit der Nominierun­g des Spitzenkan­didaten früh dran sei – durch Zufall, wie es Swoboda freundlich formuliert. Nachsatz: „Aber daraus hätte man gleich was machen sollen.“

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