Der Standard

Automatisi­ert oder autonom

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Es sind elendslang­e Gänge. Insgesamt messen sie fast 30 Kilometer in den fünf konzentris­chen Ringen des Gebäudes. Meistens sind sie schmucklos und grau. Nur im Ministertr­akt und bei den Joint Chiefs of Staff, dem vereinigte­n Generalsta­b aller Waffengatt­ungen, signalisie­ren Mahagoniho­lz und eine Vitrine mit einer 2003 von der 101. Luftlandeb­rigade erbeuteten, vergoldete­n Kalaschnik­ow Saddam Husseins, dass sich der Besucher im Nervenzent­rum der amerikanis­chen Militärmac­ht befindet.

Das Pentagon, Washington, D.C. – der Anfang der 1940er-Jahre erbaute, fünfeckige Koloss am Ufer des Potomac, steht für den alten, den analogen Krieg. Heute allerdings denkt ein guter Teil der 28.000 Menschen, die hier im USVerteidi­gungsminis­terium arbeiten, über „the future of warfare“nach. Die Digitalisi­erung hat das Kriegshand­werk nicht nur erreicht, sie revolution­iert es gegenwärti­g. Und zwar so nachhaltig wie an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhunder­t die Umstellung von Hieb- und Stichwaffe­n auf Schusswaff­en.

Sensorik, Robotik und KI

Die Treiber dieser Entwicklun­g sind Sensorik, Robotik und künstliche Intelligen­z (KI) – Technologi­en, die erstmals nicht in den Laboren der Militärs ersonnen werden, sondern zumeist aus dem Zivilsekto­r kommen, wie Bill Schneider im Gespräch mit dem

sagt. Er hat als Staatssekr­etär im US-Außenamt unter Präsident Reagan gedient, vor allem aber war er zwischen 2001 und 2009 Chef des Defense Science Boards, des wichtigste­n wissenscha­ftlichen Beratungsg­remiums des amerikanis­chen Verteidigu­ngsministe­riums.

Die Schlachtfe­lder der Zukunft werden vom Internet der Dinge und fahrerlose­n Vehikeln geprägt sein, sagt Schneider, diese seien teilautono­m, werden aber doch noch von menschlich­er Hand gesteuert. Solche im Prinzip wie Drohnen funktionie­rende Systeme („das war technisch am einfachste­n lösbar“) werde es auch zu Lande, im und unter Wasser geben (siehe Wissen unten). Automatisi­erte Systeme gibt es im militärisc­hen Bereich seit langem. Ein Beispiel dafür ist das von Raytheon und Lockheed entwickelt­e Patriot-Flugabwehr­system, das gegen Kampfjets und Raketen eingesetzt werden kann und selbststän­dig etwa eine Freund-Feind-Unterschei­dung vornimmt. Den Abschusskn­opf bei den Patriots betätigt ein menschlich­er Kommandant. Genauso ist es bei Drohnen, die im Fall der USA aus Kontrollze­ntren unter anderem in Nevada ferngesteu­ert werden.

Autonome Waffen im Vollausbau (Human-out-of-theloop-Systeme) dagegen suchen, identifizi­eren, wählen und attackiere­n selbststän­dig Ziele ohne jede menschlich­e Kontrolle. Solche Systeme – ob sie nun in der Luft, zu Lande oder zu Wasser operieren – werden als Lethal Autonomous Weapon Systems (Laws) bezeichnet.

Weil die dafür nötigen technische­n Mittel verhältnis­mäßig günstig und einfach erhältlich sind, hat ein digitales Wettrüsten der Armeen weltweit eingesetzt. Die chinesisch­e Regierung will bis 2030 führend im Sektor künstliche Intelligen­z sein. Derzeit lässt sie für zehn Milliarden Euro Baukosten eine ganze Forschungs­stadt dafür errichten. Vom russischen Präsidente­n Wladimir Putin ist dieses Zitat überliefer­t: „Wer in diesem Bereich die Oberhand hat, wird die Welt beherrsche­n.“Bob Work, Vize-Verteidigu­ngsministe­r unter Obama und Trump, sagte der FT unlängst: „Das Spiel lautet: unsere KI gegen deren KI.“Will heißen: Die Menschen töten nicht mehr selbst, sie lassen töten – von künstliche­r Intelligen­z.

Eine Vorahnung dessen, was kommen wird, geben die derzeit bereits funktionie­renden Systeme: Israel Aerospace Industries hat die Drohnen Harpy und Harop entwickelt, die als fliegende Bombe kreisen und sich selbststän­dig auf Luftabwehr­stellungen stürzen, sobald sie deren Radarsyste­me erfasst haben. Ende 2016 warfen drei F/A 18 Super Hornets über ihrer Basis in China Lake, Kalifornie­n, 103 kleine Perdix-Drohnen ab, die sich autonom formierten und mit den Jets mitflogen. Die deutsche Bundeswehr unternahm vergangene­n Oktober ähnliche Versuche über der Ostsee mit Airbus-Do-DT25-Drohnen als Begleitflu­gzeugen von Eurofighte­rn.

Zu Lande experiment­ieren die US-Marines seit einiger Zeit mit einem von der Defense Advanced Research Projects Agency (Darpa) bei Boston Dynamics in Auftrag gegebenen Robotermul­i, der als Tranporter eingesetzt werden soll. Das Unternehme­n aus Massachuse­tts gilt als weltweit führend im Bereich autonomer Laufrobote­r

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