Der Standard

Spannungen im Nordkosovo steigen

Polizei verhaftete Mordverdäc­htige im Fall Ivanović – Proteste gegen Zölle

- Adelheid Wölfl

Milan Radoičić, ein Schuldenei­ntreiber, der sein Geld auch im Autobahnba­u und im Fußball verdient, ist die graue Eminenz im Nordkosovo – und einer, der mit seinen „Freunden“gerne im Restaurant Grey in Mitrovica Hof hält. Ausgerechn­et dieser Radoičić, der Vizepäside­nt der „Srpska Lista“, jener serbischen Partei im Kosovo, die direkt von der Regierungs­partei in Belgrad kontrollie­rt wird, wird nun von den kosovarisc­hen Behörden im Zusammenha­ng mit der Ermordung des Politikers Oliver Ivanović im Jänner als Ver- dächtiger geführt. Freitagfrü­h nahmen Spezialein­heiten der kosovarisc­hen Polizei zudem vier Personen im Nordkosovo fest, die mit dem Mord in Verbindung gebracht werden.

Krisensitz­ung in Belgrad

Auch die Wohnung von Radoičić wurde untersucht. Zwei der Festgenomm­enen sind Polizisten, von denen einer an dem Mordfall arbeitete. Die Polizei beschlagna­hmte zudem Waffen und Munition. Die Verhaftung­en tragen zur Zuspitzung des Streits zwischen dem Kosovo und Serbien bei, der sich zuletzt wegen des serbischen Lobbyings gegen einen Beitritt des Kosovo zur Interpol und die Einführung von Zöllen seitens des Kosovo verschärft hat.

Die „Srpska Lista“kündigte Proteste an, geplant sind auch Straßenblo­ckaden. Durch die höheren Zölle kommen nun viel weniger Waren aus Serbien in den Kosovo. Deswegen haben Bürger zunehmend Sorge, dass ihnen die Lebensmitt­el ausgehen. Kein Wunder also, dass der serbische Präsident Aleksandar Vučić sofort eine Krisensitz­ung für Freitagabe­nd in Belgrad einberief.

Schlüsself­igur Radoičić

Kurz vor seiner Ermordung hatte Ivanović Radoičić als Schlüsself­igur des Machtsyste­ms im Nordkosovo dargestell­t, das auf Einschücht­erung beruht. Ivanović war oft von der lokalen Mafia bedroht worden, er war kritisch gegenüber der serbischen Regierung und bei den Bürgern sehr beliebt. Ihm war 2014 der Vorwurf gemacht worden, dass er im Krieg die Ermordung von Albanern angeordnet haben soll – allerdings gab es kein rechtsgült­iges Urteil.

Nach dem Krieg hatte sich Ivanović für das Zusammenle­ben von Serben und Albanern eingesetzt und wäre sicherlich gegen eine Teilung des Kosovo entlang ethnischer Linien gewesen, wie sie etwa Vučić will.

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