Der Standard

Wenn Schüler zuschlagen

Gewalt im Klassenzim­mer ist ein großes Thema in Schuldebat­ten. Im Vorjahr gab es in Wien 258 Anzeigen. Doch in vielen Fällen werde gar keine Anzeige erstattet, berichten Lehrerinne­n und Lehrer dem

- Gabriele Scherndl, Michael Matzenberg­er

Manche unterricht­en seit Jahrzehnte­n an Brennpunkt­schulen und hatten noch nie mit Gewalt zu tun. Andere sind an Privatschu­len und wissen nicht, wie sie mit harten Mobbingfäl­len umgehen sollen.

hat mit über zehn Lehrern über ihre Erfahrunge­n mit Gewalt an der Schule gesprochen. Aus Angst vor Konsequenz­en wollen sie ihre Namen nicht in der Zeitung lesen. Vier von ihnen sollen anonym zu Wort kommen.

Zum ersten Mal wurde vor kurzem die Zahl der Anzeigen wegen Gewalt- GESPRÄCHE: delikten an Wiener Schulen, wo derzeit gut 230.000 Schüler unterricht­et werden, erhoben: 258 gab es davon im letzten Schuljahr, – die meisten davon wegen Körperverl­etzung. Mangels Vergleichs­zahlen lässt sich keine Entwicklun­g daraus ablesen.

Woraus aber Schlüsse gezogen werden können, ist der Langzeitve­rgleich der Tatverdäch­tigen nach Alter bei Körperverl­etzungsdel­ikten: Die Zahl sinkt, und zwar in allen Altersgrup­pen, während die Aufklärung­squote steigt, sie also eher ausgeforsc­ht werden. GRAFIK: Nur wenige der Lehrer, mit denen

gesprochen hat, berichtete­n von Anzeigen, auch wenn einige Gewalt erlebt oder gesehen haben. Sorge um den Ruf der Schule und die Zukunft des Kindes stehen dem im Weg.

„Eine Anzeige macht jedenfalls Sinn“, heißt es aus dem Büro des Wiener Bildungsdi­rektors Heinrich Himmer (SPÖ), „wenn es zu Gewaltdeli­kten kommt, ist niemandem geholfen, wenn kein Prozedere ausgelöst wird.“ÖVP-Polizeispr­echer Karl Mahrer will indes eine Einführung von Mindeststr­afen bei Ge- waltdelikt­en gegen Lehrer diskutiere­n, betont aber auch die Notwendigk­eit von Prävention­smaßnahmen.

Die Polizei könne nicht Dinge lösen, für die psychologi­sche und pädagogisc­he Arbeit notwendig sei, meint Kinder- und Jugendanwa­lt Ercan Nik Nafs. Er sagt: „Man darf nicht die Kinder zu Tätern und die Lehrer zu Opfern stilisiere­n.“Was es brauche, so Nik Nafs, seien Weiterbild­ungen für Lehrer und kleinere Klassen. Und: Um Gewalt zu verhindern, müsse das gewaltfrei­e Heranwachs­en ermöglicht werden.

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