Wenn Schüler zuschlagen
Gewalt im Klassenzimmer ist ein großes Thema in Schuldebatten. Im Vorjahr gab es in Wien 258 Anzeigen. Doch in vielen Fällen werde gar keine Anzeige erstattet, berichten Lehrerinnen und Lehrer dem
Manche unterrichten seit Jahrzehnten an Brennpunktschulen und hatten noch nie mit Gewalt zu tun. Andere sind an Privatschulen und wissen nicht, wie sie mit harten Mobbingfällen umgehen sollen.
hat mit über zehn Lehrern über ihre Erfahrungen mit Gewalt an der Schule gesprochen. Aus Angst vor Konsequenzen wollen sie ihre Namen nicht in der Zeitung lesen. Vier von ihnen sollen anonym zu Wort kommen.
Zum ersten Mal wurde vor kurzem die Zahl der Anzeigen wegen Gewalt- GESPRÄCHE: delikten an Wiener Schulen, wo derzeit gut 230.000 Schüler unterrichtet werden, erhoben: 258 gab es davon im letzten Schuljahr, – die meisten davon wegen Körperverletzung. Mangels Vergleichszahlen lässt sich keine Entwicklung daraus ablesen.
Woraus aber Schlüsse gezogen werden können, ist der Langzeitvergleich der Tatverdächtigen nach Alter bei Körperverletzungsdelikten: Die Zahl sinkt, und zwar in allen Altersgruppen, während die Aufklärungsquote steigt, sie also eher ausgeforscht werden. GRAFIK: Nur wenige der Lehrer, mit denen
gesprochen hat, berichteten von Anzeigen, auch wenn einige Gewalt erlebt oder gesehen haben. Sorge um den Ruf der Schule und die Zukunft des Kindes stehen dem im Weg.
„Eine Anzeige macht jedenfalls Sinn“, heißt es aus dem Büro des Wiener Bildungsdirektors Heinrich Himmer (SPÖ), „wenn es zu Gewaltdelikten kommt, ist niemandem geholfen, wenn kein Prozedere ausgelöst wird.“ÖVP-Polizeisprecher Karl Mahrer will indes eine Einführung von Mindeststrafen bei Ge- waltdelikten gegen Lehrer diskutieren, betont aber auch die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen.
Die Polizei könne nicht Dinge lösen, für die psychologische und pädagogische Arbeit notwendig sei, meint Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs. Er sagt: „Man darf nicht die Kinder zu Tätern und die Lehrer zu Opfern stilisieren.“Was es brauche, so Nik Nafs, seien Weiterbildungen für Lehrer und kleinere Klassen. Und: Um Gewalt zu verhindern, müsse das gewaltfreie Heranwachsen ermöglicht werden.