Der Standard

Man sieht es kommen

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Manchmal sieht man es schon brodeln, das wäre der Moment, da man einen Mediator brauchte oder einen Beratungsl­ehrer, doch die Ressourcen sind einfach nicht da.

Aber zu Anzeigen kommt es kaum. Man will Schule und Schüler nicht an den Pranger stellen. Wenn die 14 sind, überlegt man sich zweimal, ob man ihnen die Zukunft verbauen will. Also wartet man immer, bis etwas passiert. Man schätzt ab: Geht das noch? Geht das nicht mehr? Kann ich ihn anderen noch zumuten? Kann er sich bessern?

Einen Schüler, der eine Pistole zum Wandertag mithatte, habe ich nicht angezeigt. Als ich zu ihm sagte: ‚Zeig mir deinen Rucksack‘, hatte ich butterweic­he Knie. Das war eigentlich ein netter Bursche. Ich vertraue meiner Menschenke­nntnis und bin sicher, dass der das nie wieder gemacht hat. Und die Munition hatte er getrennt gehabt. Als ich zurück in die Schule kam, ging ich zum Direktor. Er öffnete eine Schublade voller Waffen – Schlagring­e, alles Mögliche – und sagte: ‚Hau’s zu den anderen.‘

Doch man darf nicht den Fehler machen, die Ursache für Gewalt in nur einem Aspekt zu suchen. Es ist mir ein Anliegen, dass wir aus diesem Frust, den wir Lehrer haben, nicht nur ein Sudern und Schlechtre­den machen, sondern dass wir sagen: ‚Okay, jetzt haben wir das besprochen, und jetzt müssen wir was tun.‘

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