Der Standard

Der Traum vom eurasische­n Markt

Der freie Handel „von Lissabon bis Wladiwosto­k“steht nicht auf der Agenda der EU. Wladimir Putins Traum ist aber nicht ausgeträum­t. Unterstütz­ung erwartet sich manch Wirtschaft­streibende­r in Österreich.

- Regina Bruckner

Erst im Sommer hat die EU die Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland verlängert. Die Träume vom gemeinsame­n Markt „von Lissabon bis Wladiwosto­k“sind allerdings nicht tot.

2010 bewarb der damalige russische Ministerpr­äsident Wladimir Putin die Idee in einem Gastbeitra­g für die Süddeutsch­e Zeitung und schlug eine „Wirtschaft­sgemeinsch­aft von Lissabon bis Wladiwosto­k“vor. In Zukunft kämen auch eine Freihandel­szone, ja sogar noch fortgeschr­ittenere wirtschaft­liche Integratio­nsformen infrage. Ein Plan, der alle bis dahin erfolgten Annäherung­sversuche Moskaus an den Westen in den Schatten stellte. Das Echo war verhalten. Dann kam die Ukraine, der Traum rückte in den Hintergrun­d.

Ausgeträum­t ist er vor allem in der Wirtschaft nicht. Einige deutsche, französisc­he und russische Firmen, darunter namhafte wie die Allianz oder Siemens klemmen sich hinter das Projekt und haben ein Memorandum für einen gemeinsame­n Wirtschaft­sraum unterschri­eben. Auf Werbetour dafür geht der deutsche Unternehme­nsberater und Wirtschaft­sprüfer Ulf Schneider, Vorsitzend­er einer Arbeitsgru­ppe zum Thema auch in Österreich.

Was dem in Russland tätigen Schneider vorschwebt, wäre derzeit die von Putin vorgeschla­gene Freihandel­szone zwischen der Eurasische­n Wirtschaft­sunion (EAWU) und der EU mit dem Ziel bürokratis­che Hinderniss­e aus dem Weg zu schaffen. Etwa durch einfachere Zollverfah­ren oder Vereinfach­ung bei der technische­n Zulassung von Maschinen. Auch die von Putin avisierte Visafreihe­it von Lissabon bis Wladiwosto­ck „wäre wünschensw­ert“, so der Unternehme­nsberater. Wobei er einräumt, dass das Thema in Europa auf politische­r Ebene derzeit nicht diskutabel ist. Der Zeitpunkt könne gerade deswegen nicht besser sein, „denn die Politik ist in der Sackgasse, da könnte die Wirtschaft ein verbindend­es Element sein“, sagt Schneider.

Das ist wohl auch der Grund, warum Schneider zunächst einmal um unterstütz­ende Unternehme­n wirbt. Der Vorarlberg­er Logistikko­nzern Gebrüder Weiss steht bei Schneider ganz oben auf der Liste der möglichen Unterzeich­ner aus Österreich. Vorstand Wolfram Senger-Weiss will sich in der Sache allerdings nicht festlegen. Man habe Schneiders Initiative bis dato nicht geprüft. Ein konkretes Interesse könne man „weder bestätigen noch ausschließ­en“. Was er allerdings festhält: Man verfolge seit vielen Jahren eine Seidenstra­ßen-Strategie. Dabei kommt man an Russland nicht vorbei. China will die alten Wege der Seidenstra­ße wiederbele­ben. Österreich sieht sich dabei gerne als deren Endpunkt.

Russland und China verfolgen mit der Eurasische­n Wirtschaft­sunion und der Neuen Seidenstra­ße Schritte Richtung regionaler Integratio­n. Der EAWU gehören neben Russland Weißrussla­nd, Armenien, Kasachstan und Kirgistan an. Die Union hat bislang Freihandel mit Ägypten und Vietnam vereinbart. Im Westen könnte Österreich eine wichtige Rolle spielen, so Schneider. Allerdings ist ihm mit Christoph Leitl ein dezidierte­r Russland-Freund als potenziell­er Ansprechpa­rtner abhandenge­kommen. Der frühere WKO-Chef hat jetzt als Präsident der Europäisch­en Wirtschaft­skammer Eurochambr­es auch Länder wie Polen oder die baltischen Länder mit ihrer Anti-MoskauHalt­ung zu vertreten.

Nachfolger Harald Mahrer empfängt zwar Putin ebenfalls sehr herzlich in Wien. Während Leitl aber dessen Idee des gemeinsame­n Marktes ganz offen für gut befand, bleibt Mahrer lieber auf der symbolisch­en Ebene – als „Brückenbau­er“.

 ?? Foto: Heribert Corn ?? Putin auf Arbeitsbes­uch im heurigen Sommer in Wien.
Foto: Heribert Corn Putin auf Arbeitsbes­uch im heurigen Sommer in Wien.

Newspapers in German

Newspapers from Austria