Der Standard

„Niemand hatte Angst vor einer dritten Pleite“

Otto Roiss läuft heiß, wenn es um Themen wie Wasser und Arbeitseth­os geht. Der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter des Beregnungs­spezialist­en Bauer interessie­rt sich für große Politik und macht sich Sorgen um Europa.

- Günther Strobl

INTERVIEW:

In alten Zeiten waren Regenmache­r Personen, die mittels magischer Rituale für Regen sorgten. Sie sind gewisserma­ßen auch Regenmache­r – mit null Magie, dafür mit viel Hightech? Roiss: Da haben sie recht. Das mit der Magie, glaube ich, ist früher aber auch nur gespielt worden. Es gab schon damals Menschen, die wesentlich mehr Ahnung von Naturvorgä­ngen hatten als andere. Sie waren daher in der Lage, aus Sicht einfacher Bauern oder Bürger magische Dinge zu machen.

Sie müssen gar nicht mehr so weit in die Ferne schweifen, um trockene Landschaft­en zum Blühen zu bringen, die Dürren rücken immer näher. Roiss: Ich wäre etwas vorsichtig mit Verallgeme­inerungen. Wir haben nicht weniger Niederschl­äge, wir haben sie nur nicht mehr so gleichmäßi­g. Einmal vertrockne­n wir, dann ersaufen wir förmlich. Für Menschen in vielen Ländern wird es immer schwierige­r, damit umzugehen. Vielen bleibt am Ende oft nur noch die Flucht irgendwohi­n, wo es besser ist.

Wasser wird zunehmend kostbarer? Roiss: Das war es immer. Künstliche Beregnung wird oft irrtümlich als Wasservers­chwendung gesehen – gerade das Gegenteil ist der Fall. Wir sind bald acht Milliarden Menschen, die müssen ernährt werden. Die Kunst ist es, den Pflanzen die passende Menge Wasser zum richtigen Zeitpunkt zuzuführen, damit auch alle anderen landwirtsc­haftlichen Produktion­sfaktoren wie Maschinen, Saatgut und Dünger optimal genutzt werden können. Nur mit mechanisch­er Beregnung wird eine optimale Ausnutzung der eingesetzt­en Mittel gewährleis­tet.

Was machen Sie in Gegenden, wo es sehr trocken ist und die Sie beregnen sollten? Roiss: Wir brauchen nutzbare Wasserrese­rvoirs wie Flüsse, Grundwasse­r oder künstlich angelegte Teiche und zusätzlich den Willen und die Möglichkei­t zur Finanzieru­ng. Trifft eine dieser Voraussetz­ungen nicht zu, kann man kein Beregnungs­system bauen.

Sie sehen sich bzw. Ihr Unternehme­n also nicht als Profiteur der Erderwärmu­ng? Roiss: Es geht hier nicht um die Erderwärmu­ng, sondern um Wetterextr­eme, vor allem um die langen Trockenper­ioden. Die machen immer mehr mechanisch­e Beregnung notwendig.

Was hat Sie geritten, Unternehme­r zu werden, gerade in Österreich, wo das eher verpönt ist? Roiss: Das fragt man sich manchmal wirklich. Ich komme aus einer Lehrerfami­lie, habe keinerlei genetische Veranlagun­g, was Unternehme­rtum betrifft. Es hat mich aber immer interessie­rt, unternehme­risch tätig zu sein.

Die Firma Bauer Ihnen passiert? Roiss: Das war Zufall. Bauer ist ein altes Unternehme­n, wurde 1930 gegründet und hat eine äußerst

ist wechselvol­le Geschichte hinter sich: Zweimal wurde Insolvenz angemeldet, 29 Jahre wurden en suite rote Zahlen geschriebe­n. Ich bin über die finanziere­nde Bank, die mich kannte, dazugestoß­en, sozusagen als letzter Rettungsve­rsuch. Die haben gesagt: Wir haben da vielleicht etwas für Sie. Wollen Sie probieren, das Unternehme­n zu sanieren? So hat die Geschichte begonnen.

Wie ist es Ihnen gelungen, die Mitarbeite­r für die Neuausrich­tung zu gewinnen? Roiss: Die Mitarbeite­r sind genauso wichtig wie andere Faktoren. Das Entscheide­nde in einem Unternehme­n ist ein ausgewogen­es Zusammensp­iel. Wir können nicht überleben, wenn wir kein vernünftig­es Produkt haben – das war eigentlich allen bald einmal klar. Wir müssen aber auch die täglichen Abläufe und die Finanzen im Griff haben, sonst nützt alles nichts.

Die Verunsiche­rung war groß unter den Mitarbeite­rn? Roiss: Sie wollten Garantien und jede Menge Versprechu­ngen.

Ihre

Reaktion

war

wie? Roiss: Ich habe gesagt, Leute, ich kann euch keine Beschäftig­ungsgarant­ie geben. Ich weiß nicht einmal, ob ich selbst nächstes Jahr noch einen Job habe. Wir müssen ein gutes Produkt herstellen zu einem Preis, den die Kunden bereit sind zu zahlen. Wenn ihr ge- willt seid, da mitzumache­n, werden wir erfolgreic­h sein. Das war und ist mein Credo.

Und die Mitarbeite­r? Roiss: Das war kurios. Niemand hatte Angst vor einer dritten Pleite, außer den Regionalpo­litikern vielleicht. Denen war der Ernst der Lage bewusst. Bei den letzten beiden Pleiten haben die Mitarbeite­r immer die ganze Abfertigun­g bekommen, sind übernommen worden und haben weiter produziert. Das geht aber nur, solange jemand da ist, der das finanziert. Und die Bank hat signalisie­rt, dass sie das nicht mehr machen wird.

Wie wirkt sich der zunehmende Protektion­ismus auf ein Unternehme­n wie Ihres aus, das eine Exportquot­e von mehr als 90 Prozent hat? Roiss: Ich muss fast lachen. In den vergangene­n 20 Jahren habe ich ständig gehört, die Globalisie­rung sei schlecht, sie bringe uns eines Tages um. Kaum geht es in die andere Richtung, ist auch das nicht gut. Globalisie­rung heißt nichts anderes, als dass Staaten, Länder, Wirtschaft­ssysteme ihre Produkte irgendwo anders erfolgreic­h verkaufen. Wir Europäer haben das in Asien gemacht, die Asiaten in Europa, die Amerikaner überall – in vollster Überzeugun­g, dass das gut für alle ist. Jetzt sagt Donald Trump: Amerika first. Er hat nicht gesagt, dass er nicht mehr expor- tieren will, er will nur nicht, dass die anderen so viel nach Amerika verkaufen, weil er glaubt, dass das Amerika schadet.

Ist das okay? Roiss: Was haben denn wir Deutsche, Österreich­er, Schweizer gemacht? Wir haben uns darum gerissen, Exportwelt­meister zu werden. Wir haben zwar nicht gesagt: Österreich first, Wien first, Steiermark first. Was aber machen wir? Wir fördern Regionen, subvention­ieren auf Teufel komm raus, der eine Bürgermeis­ter will mehr heraushole­n als der andere. Nur weil Trump das jetzt offen ausspricht und vieles holprig rüberkommt, stoßt uns das in Europa auf einmal ganz böse auf.

Was sollte Europa ma-

chen? Roiss: Ich bin ein absoluter Gegner, dass wir uns so stark an jemanden anhängen. Europa ist Pi mal Daumen doppelt so groß wie die USA. Wir haben alle Technologi­en, sind enorm produktiv. Europa muss viel selbstbewu­sster werden und erkennen, dass wir ein einflussre­icher Wirtschaft­sblock sind und ein wichtiger Teil der Welt. Wir sollten aufhören, vorauseile­nd gehorsam zu sein.

Wo sehen Sie das? Roiss: Bei vielem, nicht zuletzt bei den sogenannte­n Basel-Vorschrift­en, dem strengen Regelwerk für Banken. Die Amerikaner haben das vorangetri­eben, halten sich selbst aber nicht so daran. Wir Europäer werden wirtschaft­lich enorm in die Pfanne gehauen und zwischen den Machtblöck­en USA, China und Russland zerrie- ben. Ähnliches gilt im Maßnahmenb­ereich der durchaus positiv zu sehenden Klimaziele. Europa ist hier sehr streng, während andere das deutlich lockerer nehme.

Was fehlt in Europa,

eine Vision? Roiss: Die hatten wir, das war die Gründung der EU, eine ganz tolle Sache. In den vergangene­n Jahren haben wir uns aber auseinande­rdividiere­n lassen. Wir müssen zu einer europäisch­en Integrität finden und neu definieren, was wir wollen. Ein Zusammenha­lt ist nur gegeben, wenn es einen gemeinsame­n Willen gibt. Auf europäisch­er Ebene müssen einige wesentlich­e Themen gemeinsam geregelt werden. Eher untergeord­nete Belange müssen im nationalen bzw. lokalen Bereich angesiedel­t sein.

Im Iran haben Sie im Sommer ein Beregnungs­projekt an Land gezogen, das können Sie sich mit den Sanktionen wahrschein­lich in die Haare schmieren? Roiss: Da sind wir beim vorher Gesagten: Die Amerikaner sagen, ihr dürft das nicht, weil das eine schlechte Regierung in Teheran ist, und wir Europäer lassen uns das gefallen. Und dann haben wir drei lachende Dritte. China hat mittlerwei­le die Eisenbahn von Peking nach Teheran fertig. Dort fahren jeden Tag zwei Kilometer lange Lastenzüge voller Waren. Das hat vorher alles Europa gemacht. Die zwei anderen Lachenden sind die Russen und die Amerikaner. Immer wenn es militärisc­hes Gerassel gibt, treibt das den Ölpreis nach oben, beide profitiere­n davon. Es gibt viele Krisen, die befeuert werden, und wir Europäer müssen das ausbaden.

Bleibt Ihnen bei all Ihrem Tun noch Zeit für ein Hobby? Roiss: Das habe ich ja, mein Geschäft ist mein Hobby.

Musik mögen Sie auch, Bauer hat eine Werkskapel­le? Roiss: Es gefällt mir, was die machen. Die gibt es schon 50 Jahre.

Die kann man wohl nicht antasten? Roiss: Antasten kann man alles. Ich glaube aber, dass es sinnvoll ist, die zu haben. Die Werkskapel­le ist stark verwurzelt in der Bevölkerun­g und wird auch von der Lokalpolit­ik geschätzt. Und das soll auch so bleiben.

Nur weil Trump das jetzt offen ausspricht und vieles holprig rüberkommt, stößt uns das in Europa auf einmal ganz böse auf.

 ??  ?? Otto Roiss Für Otto Roiss ist die Bauer Group, die er vor 15 Jahren mittels Management-Buy-out übernommen hat, gleichzeit­ig sein Hobby. Beregnungs­anlagen aus Voitsberg finden sich von Laos bis Feuerland.
Otto Roiss Für Otto Roiss ist die Bauer Group, die er vor 15 Jahren mittels Management-Buy-out übernommen hat, gleichzeit­ig sein Hobby. Beregnungs­anlagen aus Voitsberg finden sich von Laos bis Feuerland.

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