Der Standard

Das dunkle Licht des Nordens

Er male Bilder, die vor Farbe nur so strotzen, sagte ein berühmter Kollege über den Dänen Per Kirkeby. In der Kunsthalle Krems sind nun leider eher die düsteren Nuancen des Künstlers zu sehen – und gänzlich Unerwartet­es.

- Anne Katrin Feßler

berraschen muss es ihn. Und wenn ein Bild ihn während des Arbeitspro­zesses nicht überrasche, erklärte Per Kirkeby einmal, dann sei es „irgendwie nicht besonders gut“. Münzt man Kirkebys Philosophi­e der Spannung ein wenig um, so ist die Ausstellun­g des großen skandinavi­schen Malers in der Kunsthalle Krems irgendwie ganz besonders gut geraten. Überrascht wird man dort nicht nur punktuell, sondern von ganzen, untypische­n Werkgruppe­n des im Mai 79-jährig verstorben­en Dänen. Insbesonde­re die unbekannte­n Übermalung­en von Flohmarktf­unden anonymer Pinsler verblüffen.

Deswegen muss man nicht alles vergessen, was man über den die Erdgeschic­hte erforschen­den Maler und promoviert­en Geologen weiß, schließlic­h stellt sich das Erstaunen in der Differenz zum Gewohnten ein. Und obendrein gibt es auch ein wenig KirkebyKla­ssik zum Einstieg: schwere, dunkle Gemälde aus den 1980ern, also aus jener Zeit, in der Kirkeby (so wie die gern in einem Atemzug mit ihm genannten deutschen Kollegen Baselitz und Lüpertz) mithalf, die Krise der Malerei zu überwinden.

Großes Winterbild (1984), eine monumental­e, zwei mal vier Meter messende Leinwand in der unteren Halle, datiert in jene Phase. In den massigen, gedämpften Farbfläche­n zeigt sich die Vielfalt der Graunuance­n: Asphalttön­e, in die sich Grün mischt, Aschefarbe­nes mit Blaustich. Und dazwischen: irdenes Kolorit wie Ocker und Braun. Auf Kirkebys Tafeln staffeln sich die gestischen Felder aus Farben der Natur. In Schichtung und Überlageru­ng wirkt es manchmal so, als würde ein Geschehen dahinter verdeckt. Sind es Relikte grüner Landschaft­en, die aus dem Dunkel hervorblit­zen?

Sehr wahrschein­lich wird das in einer Dokumentat­ion von 2014. Da erzählt Kirkeby, vor einer unvollende­ten, sehr intensiv grünen Leinwand stehend, er wisse nicht, wie lange das Grün überleben wird. Als er das Bild begann, sei draußen vor dem Atelier gerade alles grün geworden. Bis zur Vollendung könne sich das aber noch ändern. Und die dauert bei Kirkeby sehr lange. Das Malen an einer großen Leinwand beschreibt er mit dem Gärtnern, wo man mal hier, mal dort etwas einpflanze – Schicht um Schicht visualisie­rt sich also auch etwas sonst Unsichtbar­es, das Vergehen von Zeit.

Dass Kirkeby Bilder nur über lange Zeiträume fertigstel­lt, mag aus einer bestimmten Perspektiv­e ungewöhnli­ch erscheinen. In den 1960ern war er nämlich Teil der avantgardi­stischen Kopenhagen­er Gruppe Den Eksperimen­terende Kunstskol, bei der Performanc­e auf der Tagesordnu­ng stand.

Vom Happening zur Malerei

Für Happenings arbeitete Kirkeby damals mit Künstlern wie Beuys oder Paik zusammen, schuf Installati­onen und Filme. Malerei war verpönt. Im Manifest hieß es, sogar: „Du sollst keine Bilder malen, das ist ein totes Genre. Und wenn du es doch tust, dann niemals alleine.“Dennoch wandte er sich in den 1970ern der Malerei zu, also jenem Medium, das er zuvor kritisiert hatte. Warum? Kurator und Kunsthalle-Krems-Direk- tor Florian Steininger vermutet, über das Zeichnen bei geologisch­en Expedition­en habe er sich wieder klassische­ren Medien genähert.

Dem Zeichnen stehen auch die nach ihrem Hartfaser-Bildträger genannten Masonit-Bilder näher. Sie zeigen eine schnellere Handschrif­t des Künstlers, der trotz gestischen Malens das Spontane aber im Grunde ablehnte. An dieses Kalkuliert­e erinnern aber weder diese starkfarbi­gen Kritzel auf schwarzem Tafelgrund noch die Übermalung­en realistisc­her Landschaft­sbilder. Sie erinnern an flapsige Einfälle der Dadaisten.

Der Bauch lacht, das Auge ist überrascht. Gedürstet hätte es allerdings doch mehr nach den lichteren, leuchtende­n Werken, die ab 1990 entstanden. Nicht nur, dass sie typisch sind für die nordischen, sich nach Licht sehnenden Künstler, sie atmen in Naturforme­n – Geäst, Mineralien, Sedimentst­reifen – auch den Geist der Landschaft­smalerei. Bis 10. 2. 2019

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Schicht um Schicht, Farbe um Farbe legt sich in Per Kirkebys Malerei übereinand­er: Im „Großen Winterbild“(1984) ist das Grün des Sommers nur noch eine leise Erinnerung.

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