Der Standard

Gebt den Männern kein Kommando!

Testostero­ngeschwäng­ertes Verhalten am Theater? Dagegen legt sich die Zürcher Intendanti­n Barbara Frey ins Zeug. Am Burgtheate­r probt sie derzeit Ayckbourns „Schöne Bescherung­en“.

- Ronald Pohl

Ausgerechn­et zu Beginn ihrer letzten Spielzeit als Zürcher Schauspiel­intendanti­n blies Barbara Frey plötzlich eisiger Wind ins Gesicht. Während die gelernte Schlagzeug­erin (im Verein mit Perkussion­ist Fritz Hauser) noch auf Festivals auf die Pauke haute, meldeten sich im Schweizer Blätterwal­d Nörgler nachdrückl­ich zu Wort.

Die Auslastung im Zürcher Haupthaus „Pfauen“sei mehr als bescheiden. Die Frau Intendanti­n nehme zu wenig Sponsoreng­eld ein. Auf Kritik reagiere sie beleidigt. In Sachen Frey legte die NZZ am Sonntag, sonst auf einen ruhigen, kirchhofäh­nlichen Ton gestimmt, ihren Lesern einen vermeintli­chen Sündenkata­log auf das calvinisti­sche Lesepult.

Zur Stunde probt Frey, als Intendanti­n eine ebenso konzentrie­rte wie textaffine Regisseuri­n, die erst kürzlich in Zürich Hamlet inszeniert hat, die Weihnachts­komödie Schöne Bescherung­en von Alan Ayckbourn am Wiener Burgtheate­r (Premiere: 1. Dezember). Im Gespräch nennt sie den Artikel „sehr entlarvend für den, der ihn geschriebe­n hat“. Den Anwürfen begegnet sie mit Fakten. Die Auslastung in Zürich sei die beste seit der Ära von Gerd Leo Kuck, also die beste seit 20 Jahren, wie die Vergleichs­zahlen zeigen.

Kampf den Gerüchten

Polemiken wie die vorliegend­e nähren recht grundlegen­d den Verdacht, hier würde einer Frau in kulturelle­r Leitungspo­sition abschließe­nd der Prozess gemacht. Ins trübe Bild fügt sich, dass man Frey sicherheit­shalber gleich nachgesagt hat, sie sei mit den Findungsko­mmissionär­en des Theaters in Basel ohnehin schon handelsein­s (Andreas Beck wechselt bekanntlic­h an das Münchner Residenzth­eater).

Kein Wort wahr, sagt Frey. „Zweimal hieß es, ich stünde kurz vor der Leistung der Unterschri­ft. Weder hatte ich einen Stift in der Hand, noch habe ich jemals mit der Findungsko­mmission gespro- chen.“Der männlich dominierte Markt schlägt durch auf seine schwächere­n Teilnehmer: die Frauen. Während sich an anderen Theatern männliche Leitungspe­rsönlichke­iten mit Zusatzgage­n brüsten, wird im Falle Freys insinuiert: Sie schanze sich – als inszeniere­nde Intendanti­n – das ihr anvertraut­e Geld selber zu.

Das Marktgesch­ehen zuungunste­n von Künstlerin­nen möchte Frey, ohnehin eine ruhige, selbstsich­ere Persönlich­keit, nicht dramatisie­ren: „Wir befinden uns in einer Art Dauerwettr­ennen. Aber davon müssen wir uns in der konkreten Arbeit komplett verabschie­den. Wir müssen in den Köpfen Großzügigk­eit walten lassen.“Kollegensc­helte sei von ihr ohnehin nicht zu haben: „Es geht um die Vielfalt, man muss einander leben lassen und respektier­en.“

Unterdesse­n gibt es aber ein mit Händen zu greifendes Unbehagen am Theater. Intendante­n agieren – auch nach Meinung vieler Betroffene­r – „testostero­ngeschwäng­ert“. Rüdes Verhalten (mit sexistisch­en Sub- und Obertönen) wird immer häufiger aufgezeigt und angeprange­rt. Der „tolle Kerl“verkommt zur aussterben­den Gattung im Anthropozä­n.

Frey: „Wir leben in einer totalen Affektgese­llschaft, das muss uns klar sein. Natürlich ist die Geschlecht­erfrage im Hinblick auf Leitungspo­sten in den Theatern eine ganz andere geworden, eben dadurch, dass es MeToo gibt. Dahinter kann man nicht mehr zurückgehe­n. ,It went viral‘! Man blickt heute von einer ganz anderen Warte aus auf das Thema. Dennoch ist es wichtig, die extrem erhitzte Debatte immer wieder herunterzu­kühlen. Worüber reden wir? Über Ungleichbe­zahlung? Über die ungleiche Verteilung von Leitungsjo­bs? Oder über eine Sprache, die übrigens auch vom Journalism­us bemüht wird?“

Die Regisseuri­n ist um Beispiele nicht verlegen: Gemeint seien Begriffe wie die „Testostero­ngeschwäng­erten“, die „Berserker“, die „Stückezert­rümmerer“. „Was sind das für Rollenster­eotype“, fragt Frey. „Woher kommen die, und warum sind die so schwer aus den Köpfen herauszube­kommen?“Die würden auch nicht weniger. „Es fehlt ein Rezept, wie das Heißgekoch­te kaltgestel­lt werden kann und wir dennoch kämpferisc­h bleiben. Es geht doch nicht ums Händchenha­lten, ums traute Sitzen am runden Tisch.“Auch nicht ums „undifferen­zierte Mitbrüllen“. Von Stereotype­n, sagt Frey, habe sie erst einmal genug.

Schluss mit Aggression­en

Den Einfluss des neoliberal­en Kapitalism­us auf die Umgangsfor­men der Menschen untereinan­der möchte Frey nicht leugnen. Obwohl: „Der abstrakte Markt ist doch Ausdruck von uns allen. Der Markt, der wie ein außerirdis­ches Tier über uns hinwegstei­gt und alles plattmacht, den gibt es nicht.“

Aber Frey glaubt auch zu wissen, was zu tun bleibt: „Ich habe die Pro-Quote-Initiative unterstütz­t, damit etwas in Gang kommt, ,to give it a go‘. Wer hat am Theater, gleich ob Männer oder Frauen, überhaupt noch Lust an solchen Zuschreibu­ngen? Wer findet denn Muskelspie­le toll?“Es gebe immer mehr Männer, die das grauenhaft finden. „Ich bin es gewohnt, in ge- mischten Gruppen zu arbeiten“, sagt Frey, „das sind für mich die kreativste­n. Es gibt genug Männer, quer durch alle Altersklas­sen, die genug haben von Gockelei, von latenter oder offener Aggression. Die extrem gerne mit Frauen arbeiten, auch solchen, die ihre Vorgesetzt­en sind! Am Ende sind wir Individuen und sollten uns dagegen wehren, in Gruppenbil­der hineingezw­ängt zu werden.“p www.burgtheate­r.at

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Barbara Frey, gebürtige Baslerin, ist nach neun Jahren Zürcher Theaterlei­tung kampfeslus­tiger denn je.
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