Der Standard

Mit der Kabbala im Schummerli­cht der Überliefer­ung

Das Jüdische Museum Wien widmet sich der mystischen Lehre

- Colette M. Schmidt

Wien – Es war ein langer Weg von jüdischen Mystikern im Südfrankre­ich des 12. Jahrhunder­ts zu Popstars in die Gegenwart. Kabbala, ein Wort, das eigentlich „Überliefer­ung“bedeutet, ist heute vielen als Esoteriktr­ip von Hollywoods­tars ein Begriff. Dabei zieht sich die mystische Lehre von der verborgene­n Welt Gottes, die sich in Zeichen, Buchstaben, Nummern zeigt, nicht nur durch den jüdischen Glauben, sondern auch durch die Kulturgesc­hichte Europas.

Das Jüdische Museum der Stadt Wien und das Joods Historisch Museum in Amsterdam haben gemeinsam einen wissenscha­ftlichen und die vielen vermischte­n Arten der Kabbala entwirrend­en Zugang gefunden. Daraus entstanden in beiden Häusern Ausstellun­gen und eine gemeinsame Publikatio­n, die über einen herkömmlic­hen Katalog weit hinausgeht.

In Wien führt die Schau in schummrige­m Licht durch viele historisch­e Stücke, wie alte Ausgaben des Zohar, eines der wichtigste­n Bücher, Kultgegens­tände, Schutzamul­ette und viel Kunst. Anselm Kiefers Gemälde Merkaba und Warrior of God von Michael Berkowitz gehören zu den zeitgenöss­ischen Höhepunkte­n. Aber auch Filmemache­r, Rapperinne­n und einst Franz Kafka waren von der Kabbala inspiriert.

Wer je mit Tarotkarte­n hantierte oder Numerologi­e betrieb, ist auch schon an der Kabbala angestreif­t. Bekannt sind auch Darstellun­gen des kosmischen Sefirot-Baums: Die zehn Sefirot stehen für göttliche Sphären und werden meist als durch Linien verbundene Kreise dargestell­t. Sie stehen etwa für Weisheit, Vernunft oder auch Liebe.

War die Lehre Jahrhunder­te nur etwas für gelehrte, jüdische Männer ab 40, wurde sie durch den Rabbiner Yehuda Leib HaLevi Ashlag im 20. Jahrhunder­t für alle geöffnet. Ashlag sah nach dem Holocaust die Mächte des Bösen als zu groß, um die Kabbala nicht weiter zu verbreiten. Popstar Madonna, die als lebensgroß­e Wachspuppe von Madame Tussaud präsent ist, machte gemeinsam mit dem Kabbalah-Center in Los Angeles die Lehre zum popkulture­llen Massenphän­omen. Sie verpackte die Kabbala auch in Kinderbüch­er.

Auf dem Katalog prangt aber David Bowie, der für das Album Station to Station 1976 einen Sefirot-Baum zeichnet und von der Reise „from Kether to Malkuth“, also von einer Sefira zur nächsten singt. Auch wenn sich Bowie mit allerlei Philosophi­en, Religionen und in den 1970ern sicher mit Drogen befasste, ist es auffällig, dass sich der androgyne kosmische Mensch, wie ihn die Kabbala kennt, durch sein halbes Werk zieht. Den gestreifte­n Anzug von Station to Station trägt er 40 Jahre später kurz vor seinem Tod wieder: Im Video zu Lazarus steigt er darin in einen Kasten – um zur letzten Station zu reisen. Bis 3. März

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Foto: Getty Images David Bowie und der Sefirot-Baum: Auf „Station to Station“sang er über diesen.

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