Der Standard

Stark strömt nur der Fluss

- Birgit Baumann

Das Au-pair kommt nicht heim. Groß ist die Aufregung im deutsch-polnischen Polizeiruf 110 am Sonntag zunächst nicht. Tanzen und feiern war der schönen jungen Frau oft wichtiger als die Kinderbetr­euung in Frankfurt an der Oder, wo drei Generation­en in der Villa den gehobenen Lebensstil pflegen.

Wenig später schwemmt der Grenzfluss Oder die Leiche an und zeigt ein Blick in den Computer, dass in dieser Familie schon vor 15 Jahren eine junge Frau verschwund­en ist, die Stieftocht­er des Hausherrn.

Die Kommissare Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowic­z) müssen in Der Fall Sikorska also zwei Fälle lösen und auch herausfind­en, ob die beiden etwas miteinande­r zu tun haben.

Das geschieht mit einschläfe­rnden Sätzen wie: Wo waren Sie am Samstagnac­hmittag? Sind Sie mit einer Speichelpr­o- be einverstan­den? Wir müssen die Datenbanke­n durchgehen.

Während die Oder wuchtig zwischen Deutschlan­d und Polen strömt, plätschert die Geschichte fade vor sich hin. Das eigentlich­e Thema – übergriffi­ge Männer – streift der Film bloß so sanft wie der Wind die Gräser am Ufer.

Es fehlt an Tiefe und echter Emotion. Lenski und Raczek lassen diesmal auch aus. Keine Hänseleien, kein Schlagabta­usch, Kraft hat bloß der Fluss.

Dennoch kann man vom Dranbleibe­n nicht gänzlich abraten. Neben Lenski und Raczek gibt es Figuren wie den Pathologen, denen man gern zusieht. Auch die mimische und stilistisc­he Fassade der Hausherrin (Lina Wendel) ist sehenswert.

Und wer weiß, vielleicht entfaltet der nächste Polizeiruf von der Grenze wieder größeren Sog und zieht die Zuseher in Tiefen hinab, wie es sonst nur der Strudel des Wassers vermag. p derStandar­d.at/TV-Tagebuch

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