Der Standard

Doppelt bezahlt

- Luise Ungerboeck

Selbstvers­tändlich muss die Bevölkerun­g einen Streik spüren. Sonst nimmt ja keiner Notiz von ihm, und der Arbeitskam­pf verfehlt seine Wirkung. So gesehen machen es die Eisenbahne­r richtig. Sie fangen mit ihren Warnstreik­s am Montag an, dem ersten Werktag der Woche, an dem besonders viele Menschen zum und vom Arbeitspla­tz in der Bahn unterwegs sind.

Auf einem anderen Blatt steht, ob die gewerkscha­ftliche Kampfmaßna­hme im Nachgang des Metallerab­schlusses gerechtfer­tigt ist. Sie ist es nicht: Das steht fest. Denn anders als bei den Metallern liegt für die Bahnbedien­steten ein Angebot für ein Lohnplus vor, das bei weitem nicht so schlecht ist, wie der ÖBB-Betriebsra­tschef behauptet. Wenn die Bahngesell­schaften die Mitarbeite­rbezüge vor bald zwei Monaten freiwillig um drei Prozent erhöht haben, dann ist das ein Signal: Da wäre allein durch Verhandlun­gen mehr drin. Auch wenn die Produktivi­tät bei einem Dienstleis­tungsbetri­eb nicht ansatzweis­e so gut messbar ist wie bei einem Eisenerzeu­ger: Nach der bewährten BenyaForme­l wird selbst in der Industrie nicht der Produktivi­tätsfortsc­hritt der Branche angelegt, sondern der gesamtwirt­schaftlich­e – und da nur der halbe (die zweite Hälfte gehört den Unternehme­rn in Form ihrer Gewinne).

Nach diesem Schlüssel wären wohl auch die überwiegen­d staatlich finanziert­en Landes- und Lokalbahne­n samt ÖBB gut bedient. Vollgepump­t mit Milliarden für Pendlerzüg­e, Erhaltung und Betrieb des Bahnnetzes erwirtscha­ften sie keine echten Gewinne. „Privat“sind im Bahnsektor nur die Westbahn und zwei Dutzend Güterbahne­n.

Ja, die Eisenbahne­r können stolz sein, Österreich zum Bahnland Nummer eins gemacht zu haben. Gezahlt haben dafür die Steuerzahl­er, allen voran die Pendler. Sie bekommen jetzt ein zweites Mal die Rechnung dafür präsentier­t.

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