Der Standard

Ch auch was fragen?“

Menschen mit intellektu­eller Beeinträch­tigung hat Stefan Schlögl e geben Auskunft darüber, wie es ist, als Behinderte­r im Nachkriegs­österreich em der Protagonis­ten verlief die Recherche anders als erwartet.

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Absolut. Herr Fastl, darf ich Sie fragen, wie ... Fastl: Wie heißt die Moderatori­n noch mal?

Die von „Wien Heute“? Ich schau jetzt im Handy nach. Moment. Ah, da hab ich’s. Meinen Sie Elisabeth Vogel? Fastl: Richtig! Ist die aus Wien?

Einen Moment. Ja, die ist Wienerin, vorher war sie bei „Steiermark Heute“. Wie alt war sie da?

Ungefähr dreißig. Warum? Fastl: Und wie groß ist der Altersunte­rschied zwischen mir und ihr?

Ungefähr zwanzig Jahre. Fastl: Ich mag Blondinen. Auch die Hannelore Veit aus dem Fernsehen.

Johann Fastl zeigt auf eine Foto-Collage, die hinter Glas an der Wand hängt. Hannelore Veit als ORF-Korrespond­entin in den USA, als „Zeit im Bild“-Moderatori­n, dazwischen einige Heino-Bilder.

Schauen Sie eigentlich nur Nachrichte­n oder auch Filme, Herr Fastl? Fastl: Ich mag Western. Und Freddy Quinn. Lebt Freddy Quinn noch?

Ich glaube schon. Fastl: Wo ist er zur Welt gekommen?

Im Waldvierte­l, das weiß ich zufällig. Fastl: Letzte Woche bin ich von meiner Schwester abgeholt worden, wir wollten in ein Kloster, aber das war geschlosse­n, also sind wir zum Stift Seitenstet­ten gefahren.

Das ist doch im Waldvierte­l? Fastl: Genau. Da, wo der Freddy Quinn herkommt. Wie alt ist Hannelore Veit?

Das weiß ich jetzt wirklich nicht, Herr Fastl. Fastl: In Seitenstet­ten haben wir Kaffee getrunken und Torte gegessen.

Und haben Sie sich auch das gesehen? Fastl: Ja. Wann ist es drei Uhr?

In einer halben Stunde. Fastl: Amerika gefällt mir wirklich sehr, sehr gut.

Waren Sie schon mal dort, Herr Fastl? Nein. Sind wir schon fertig mit dem Reden?

Wir unterhalte­n uns, solange Sie wollen. Fastl: Ich bin ein Trottel.

Das glaube ich nicht. Fastl: Das hat ein Lehrer zu mir gesagt. Der hat gemeint: „So einen Trottel haben wir gerade noch gebraucht.“Gestern habe ich mich mit Gerti gestritten. Stift an- Aber das ist hoffentlic­h wieder vorbei, oder? Fastl: Ja. Aber Marianne, die ist eine sehr liebe Frau. Wann sind die nächsten Weihnachte­n?

In einigen Wochen. Fastl: Im 64er-Jahr war ich mit meiner Mutter beim Doktor. Der hat gesagt: „Da oben ist er nicht ganz beinand.“

Und was hat Ihre Mutter dazu gesagt? Fastl: Das wird sich vielleicht noch geben, hat sie gemeint. Da war ich 19 Jahre alt. Meine Mutter ist 1986 gestorben. Schlaganfa­ll. War schlimm. Was ist ein Schlaganfa­ll?

Das kann ich so schnell gefragt auch nicht genau erklären. Blutbahnen sind plötzlich verstopft, und dann bekommt man einen Schlaganfa­ll. Fastl: Danach bin ich zu meiner Tante Sophia gekommen. Bei ihr war ich, bis sie ebenfalls gestorben ist. Sie war sehr alt. Über neunzig. Vor zehn, elf, zwölf Jahren war das.

Und dann sind Sie in dieses Wohnhaus gekommen? Fastl: Wie heißt die Moderatori­n noch einmal? Gleich weiß ich’s!

Elisabeth Vogel. Fastl: Wie alt muss man sein, um einen Revolver besitzen zu dürfen?

Ich glaube, 18 Jahre, aber man muss einen Waffensche­in machen. Fastl: Ich hab einen Revolver, da in der Schublade.

Den will ich sehen!

Fastl zieht energisch Schreibtis­chschublad­en auf. Schiebt Krimskrams zur Seite, wühlt in Fotos und Ansichtska­rten – und ist sichtlich überrascht, dass da kein Revolver ist.

Fastl: Hm. Maria Taferl gefällt mir sehr gut. In der Kirche haben sie so schön die Orgel gespielt, als wir dort waren. Wie spät ist es?

Kurz vor drei. Fastl: Dann gibt’s jetzt die Jause. Gehen wir.

Selbstvers­tändlich. Fastl: Wie heißt die Moderatori­n?

Elisabeth Vogel. Fastl: Ich weiß. Hat’s gepasst, was ich gesagt habe?

Auf alle Fälle.

Stefan Schlögl / Christophe­r Mavrič, „Weil es mich gibt. Porträts von außergewöh­nlichen Menschen“. € 24,– / 128 Seiten. Verlag der Provinz, 2018

Die Fotografie­n von Christophe­r Mavrič sind vom 4. 12. 2018 bis 3. 2. 2019 im Graz-Museum zu sehen.

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