Ärzte dürfen für Ärzte arbeiten
Hauptverband warnt vor unkontrollierten Angeboten
Wien – Eine bisher wenig beachtete Reform im Ärztegesetz sorgt hinter den Kulissen für hitzige Diskussionen zwischen Regierung, Ärztekammer und Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Künftig wird die Möglichkeit geschaffen, dass Ärzte andere Ärzte anstellen können. Diese an- gestellten Mediziner können in einer Ordination Leistungen im Namen und auf Rechnung des Kassenarztes erbringen. Die Ärztekammer sieht einen Vorteil für die Patientenversorgung. Beim Hauptverband wurde gewarnt, dass Ärzte unkontrolliert ihr Angebot ausweiten. (red)
Lange Wartezeiten für einen Termin, mitunter überfüllte Ordinationen: Für viele Patienten ist der Weg in die Arztpraxis beschwerlich. In den Augen der Ärztekammer und der türkisblauen Regierung ist Besserung in Sicht. Derzeit wird eine Novelle des Ärztegesetzes vorbereitet. Der Ministerrat hat vergangene Woche zugestimmt, der Entwurf für eine Gesetzesänderung wurde an den Nationalrat übermittelt.
Künftig sollen Ärzte andere Ärzte im Rahmen von Einzelordinationen und Gruppenpraxen anstellen können. Bisher war das nicht oder nur eingeschränkt möglich. So existieren zwar Gruppenpraxen, in denen mehrere Mediziner arbeiten. Allerdings sind in diesen Praxen alle Ärzte selbstständig tätig, sie arbeiten auf eigene Rechnung und eigenes Risiko.
Daneben können Privatpersonen Ambulatorien eröffnen und Ärzte anstellen. Solche Ambulatorien gelten als Krankenanstalten, für sie gilt ein strenges Genehmi- gungsverfahren. In Ordinationen konnten sich Mediziner bisher nur zeitweise vertreten lassen, etwa bei Krankheit oder Urlaub. Für Kassenärzte gibt es sogar eine diesbezügliche Pflicht.
Künftig wird es möglich, dass in Ordinationen ein Kassenarzt einen Kollegen aus demselben Fachgebiet als unselbstständig Beschäftigten anstellt. Die Leistungen, die dieser Mitarbeiter erbringt, kann der Arzt, sofern er einen Kassenvertrag hat, mit der Sozialversicherung abrechnen. Zwar gibt es eine Begrenzung: Ein Arzt kann maximal zwei Kollegen im Ausmaß von insgesamt 40 Wochenstunden anstellen. In Gruppenpraxen dürfen maximal vier Kollegen pro Arzt beschäftigt werden. Das klingt nicht nach viel. Eine Ordination, die 20 Stunden geöffnet hat, kann ihr Angebot allerdings künftig verdreifachen.
Über andere Aspekte des neuen Ärztegesetzes wurde bereits berichtet, etwa über umstrittene und wieder gestrichene Passagen zur Komplementärmedizin. Die Änderung in Bezug auf die Anstellung fand bisher aber wenig Beachtung,
Begründet wird die Neuerung von der Koalition und der Ärztekammer, die den Vorstoß begrüßt, mit der verbesserten Versorgung von Patienten: Wenn ein Arzt andere anstellen darf, kann er damit die Öffnungszeiten seiner Ordination ausweiten, lautet die Argumentation. Ein anderer möglicher Vorteil ist, dass Ärzte, die nicht selbstständig tätig sein wollen, eine Alternative haben. Jürgen Schwaiger von der Ärztekammer argumentiert zudem, dass es für junge Ärzte wieder interessanter werden könnte, in ländlichen Regionen zu arbeiten: Für Mediziner seien dort derzeit Spitäler oft die einzige Möglichkeit unterzukommen. Wenn der Anfahrtsweg aber lang ist, wird eine solche Stelle weniger interessant. Wenn künftig auch der Hausarzt ums Eck eine Anstellung bieten kann, wäre das ein Vorteil.
Allerdings gibt es auch Einwände gegen das Gesetz. Beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger befürwortet man grundsätzlich die Möglichkeit, dass Ärzte andere Ärzte anstellen. Allerdings wird Kritik daran geübt, dass damit die langfristige Planung der Versorgung ausgehebelt werden könnte. Beim Hauptverband hält man es nämlich für möglich, dass einzelne Praxen ihr Angebot deutlich ausweiten, heißt es in der einer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf. Was, wenn ein nieder- gelassener Arzt stark expandiert und der Konkurrenz damit Patienten abgräbt? Wie solle außerdem „der Anreiz für Mediziner in ländlichen Gegenden verbessert werden, wenn in Ballungszentren die Möglichkeit geschaffen wird, sich anstellen zu lassen?“, lautet ein weiterer Einwand. Ein anderer Aspekt ist, dass die Reform eingesessenen Ärzten einen Vorteil verschaffen könnte: Weitet ein Internist oder Orthopäde sein Angebot aus, indem er Mediziner anstellt, wird eine geringere Zahl an neuen Kassenärzten benötigt.
Als Reaktion auf diese Einwände wurde ein neuer Passus ins Gesetz aufgenommen, wonach Hauptverband und Ärztekammer sich im Rahmen eines Gesamtvertrags darüber einigen sollen, welche Leistungen angestellte Ärzte mit der Kasse abrechnen können. Bei der Ärztekammer geht man davon aus, dass es im Rahmen dieses Vertrags keine Einschränkungen für Mediziner geben wird. Der Beschluss des neuen Gesetzes soll im Dezember erfolgen.