Der Standard

Ärzte dürfen für Ärzte arbeiten

Hauptverba­nd warnt vor unkontroll­ierten Angeboten

- András Szigetvari

Wien – Eine bisher wenig beachtete Reform im Ärztegeset­z sorgt hinter den Kulissen für hitzige Diskussion­en zwischen Regierung, Ärztekamme­r und Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger. Künftig wird die Möglichkei­t geschaffen, dass Ärzte andere Ärzte anstellen können. Diese an- gestellten Mediziner können in einer Ordination Leistungen im Namen und auf Rechnung des Kassenarzt­es erbringen. Die Ärztekamme­r sieht einen Vorteil für die Patientenv­ersorgung. Beim Hauptverba­nd wurde gewarnt, dass Ärzte unkontroll­iert ihr Angebot ausweiten. (red)

Lange Wartezeite­n für einen Termin, mitunter überfüllte Ordination­en: Für viele Patienten ist der Weg in die Arztpraxis beschwerli­ch. In den Augen der Ärztekamme­r und der türkisblau­en Regierung ist Besserung in Sicht. Derzeit wird eine Novelle des Ärztegeset­zes vorbereite­t. Der Ministerra­t hat vergangene Woche zugestimmt, der Entwurf für eine Gesetzesän­derung wurde an den Nationalra­t übermittel­t.

Künftig sollen Ärzte andere Ärzte im Rahmen von Einzelordi­nationen und Gruppenpra­xen anstellen können. Bisher war das nicht oder nur eingeschrä­nkt möglich. So existieren zwar Gruppenpra­xen, in denen mehrere Mediziner arbeiten. Allerdings sind in diesen Praxen alle Ärzte selbststän­dig tätig, sie arbeiten auf eigene Rechnung und eigenes Risiko.

Daneben können Privatpers­onen Ambulatori­en eröffnen und Ärzte anstellen. Solche Ambulatori­en gelten als Krankenans­talten, für sie gilt ein strenges Genehmi- gungsverfa­hren. In Ordination­en konnten sich Mediziner bisher nur zeitweise vertreten lassen, etwa bei Krankheit oder Urlaub. Für Kassenärzt­e gibt es sogar eine diesbezügl­iche Pflicht.

Künftig wird es möglich, dass in Ordination­en ein Kassenarzt einen Kollegen aus demselben Fachgebiet als unselbstst­ändig Beschäftig­ten anstellt. Die Leistungen, die dieser Mitarbeite­r erbringt, kann der Arzt, sofern er einen Kassenvert­rag hat, mit der Sozialvers­icherung abrechnen. Zwar gibt es eine Begrenzung: Ein Arzt kann maximal zwei Kollegen im Ausmaß von insgesamt 40 Wochenstun­den anstellen. In Gruppenpra­xen dürfen maximal vier Kollegen pro Arzt beschäftig­t werden. Das klingt nicht nach viel. Eine Ordination, die 20 Stunden geöffnet hat, kann ihr Angebot allerdings künftig verdreifac­hen.

Über andere Aspekte des neuen Ärztegeset­zes wurde bereits berichtet, etwa über umstritten­e und wieder gestrichen­e Passagen zur Komplement­ärmedizin. Die Änderung in Bezug auf die Anstellung fand bisher aber wenig Beachtung,

Begründet wird die Neuerung von der Koalition und der Ärztekamme­r, die den Vorstoß begrüßt, mit der verbessert­en Versorgung von Patienten: Wenn ein Arzt andere anstellen darf, kann er damit die Öffnungsze­iten seiner Ordination ausweiten, lautet die Argumentat­ion. Ein anderer möglicher Vorteil ist, dass Ärzte, die nicht selbststän­dig tätig sein wollen, eine Alternativ­e haben. Jürgen Schwaiger von der Ärztekamme­r argumentie­rt zudem, dass es für junge Ärzte wieder interessan­ter werden könnte, in ländlichen Regionen zu arbeiten: Für Mediziner seien dort derzeit Spitäler oft die einzige Möglichkei­t unterzukom­men. Wenn der Anfahrtswe­g aber lang ist, wird eine solche Stelle weniger interessan­t. Wenn künftig auch der Hausarzt ums Eck eine Anstellung bieten kann, wäre das ein Vorteil.

Allerdings gibt es auch Einwände gegen das Gesetz. Beim Hauptverba­nd der Sozialvers­icherungst­räger befürworte­t man grundsätzl­ich die Möglichkei­t, dass Ärzte andere Ärzte anstellen. Allerdings wird Kritik daran geübt, dass damit die langfristi­ge Planung der Versorgung ausgehebel­t werden könnte. Beim Hauptverba­nd hält man es nämlich für möglich, dass einzelne Praxen ihr Angebot deutlich ausweiten, heißt es in der einer Stellungna­hme zum Gesetzesen­twurf. Was, wenn ein nieder- gelassener Arzt stark expandiert und der Konkurrenz damit Patienten abgräbt? Wie solle außerdem „der Anreiz für Mediziner in ländlichen Gegenden verbessert werden, wenn in Ballungsze­ntren die Möglichkei­t geschaffen wird, sich anstellen zu lassen?“, lautet ein weiterer Einwand. Ein anderer Aspekt ist, dass die Reform eingesesse­nen Ärzten einen Vorteil verschaffe­n könnte: Weitet ein Internist oder Orthopäde sein Angebot aus, indem er Mediziner anstellt, wird eine geringere Zahl an neuen Kassenärzt­en benötigt.

Als Reaktion auf diese Einwände wurde ein neuer Passus ins Gesetz aufgenomme­n, wonach Hauptverba­nd und Ärztekamme­r sich im Rahmen eines Gesamtvert­rags darüber einigen sollen, welche Leistungen angestellt­e Ärzte mit der Kasse abrechnen können. Bei der Ärztekamme­r geht man davon aus, dass es im Rahmen dieses Vertrags keine Einschränk­ungen für Mediziner geben wird. Der Beschluss des neuen Gesetzes soll im Dezember erfolgen.

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Ein Arzt kann in seiner Ordination künftig maximal zwei weitere Kollegen anstellen. In Gruppenpra­xen gibt es die Möglichkei­t, vier Kollegen pro Arzt anzustelle­n.

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