Der Standard

Auf dem Abstellgle­is

- Luise Ungerboeck

Es ist ein ziemliches Schlamasse­l, in das sich die Eisenbahne­rgewerksch­aft im Tarifstrei­t hineinmanö­vriert hat. Ohne Not, muss man hinzufügen. Denn die Verhandlun­gen über einen neuen Kollektivv­ertrag für das fahrende Personal von Österreich­s Schienenba­hnen mögen über weite Strecken unergiebig gewesen sein, so bewegungsl­os waren die Tarifpartn­er aber nicht. Dazu hat die Streikdroh­ung der Gewerkscha­ft maßgeblich beigetrage­n.

Ob die Standesver­tretung von 40.000 Eisenbahne­rn mit ihrer Kampfansag­e ihr Ziel noch erreicht, muss bezweifelt werden. Denn die sonst so behäbige Bundesbahn trat die Flucht nach vorn an und rief ihrerseits einen Streik aus. Das Bahnnetz wurde für zwei Stunden offline genommen. Alle Räder standen still – quasi von Amts wegen.

Diesen drastische­n Schritt hat die Gewerkscha­ft offenbar nicht ins Kalkül gezogen. Das war ein Fehler. Denn es gab plötzlich nichts mehr, das bestreikt werden konnte – Züge standen ja schon still. Die Belegschaf­tsvertrete­r waren ihres Faustpfand­es beraubt. Nun stehen sie im Schmollwin­kerl und suchen einen Weg runter vom Abstellgle­is.

Von zwei möglichen Auswegen ist nur einer eine ernstzuneh­mende Option: Entweder sie akzeptiere­n die Montagfrüh noch schnöde abgelehnte gestaffelt­e Erhöhung der Gehälter für rund 40.000 Bedienstet­e in ÖBB, Landes- und Lokalbahne­n. Mit etwas Verhandlun­gsgeschick könnten es sogar noch mehr werden als das Letztangeb­ot von 3,37 Prozent. Oder sie gehen aufs Ganze und drücken in ÖGB und anderen Teilgewerk­schaften Solidaritä­tsaktionen durch – bis hin zu einem Generalstr­eik, wie es ihn in der Zweiten Republik zuletzt in den 1950er-Jahren gegeben hat. Selbstrede­nd, dass Letzteres eine Illusion ist.

Im Gegensatz zu den Metallern werden die ÖBB-Gewerkscha­fter aus diesem Arbeitskam­pf nicht unbeschädi­gt herauskomm­en. Denn der Ausstand ist auch taktisch neben der Spur. Sollte er sich gegen das Arbeitszei­tgesetz richten, hätte im Juni/Juli gestreikt werden müssen, spätestens aber im Oktober, als die Arbeitgebe­r begannen, Löhne freiwillig um drei Prozent anzuheben.

Jetzt, nach dem Metallerab­schluss, für einen noch höheren Abschluss zu streiken ist das falsche Signal. Die Regierung schweißt all das zusammen. Denn nichts kann Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) weniger gebrauchen als einen hämischen Koalitions­partner, der ungestraft feixen kann, dass die Blauen die rote ÖBB nicht im Griff haben.

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