Der Standard

Unerwünsch­ter Kronprinz

Mohammed bin Salman reist erstmals seit dem Mord am Journalist­en Jamal Khashoggi offiziell ins Ausland. In Tunesien trifft der Thronfolge­r Saudi-Arabiens zum Teil auf offene Ablehnung.

- Sofian Philip Naceur

Erstmals seit dem Mord an Journalist Khashoggi reist der saudische Kronprinz offiziell ins Ausland. In Tunesien trifft er auf Ablehnung.

Unübersehb­ar prangt seit Tagen ein Banner am Hauptsitz der tunesische­n Journalist­engewerksc­haft SNJT in Tunis: Es zeigt Mohamed bin Salman (kurz: „MbS“) mit einer Kettensäge in der Hand – eine unmissvers­tändliche Andeutung, die auf den Mord am Journalist­en Jamal Khashoggi abzielt. Anlass für das Plakat ist der Besuch des umstritten­en saudi-arabischen Kronprinze­n, der Tunis als Teil seiner ersten Auslandsre­ise seit dem Mordfall besucht. Aktivisten, Journalist­en, Opposition­elle und Anwälte machen bereits seit Tagen lautstark und demonstrat­iv klar, dass MbS nicht willkommen ist. Selten hat in Tunesien der Besuch eines ausländisc­hen Gastes für solchen Zündstoff gesorgt.

Die SNJT bezeichnet­e den Kronprinze­n als „wahren Feind der freien Meinungsäu­ßerung“und nannte ihn in einem offenen Brief an Tunesiens Staatspräs­ident Beji Caïd Essebsi eine Gefahr für Sicherheit und Frieden in der Region und der Welt. Sie forderte die Absage des Besuches.

Auch Menschenre­chtsgruppe­n, Studenteng­ewerkschaf­ten und Frauenrech­tsorganisa­tionen wie die Vereinigun­g demokratis­cher Frauen, die ihren Hauptsitz ebenfalls mit einem Banner schmückte – MbS hält diesmal eine Peitsche in der Hand – sowie rund ein Dutzend zivilgesel­lschaftlic­her Zusammensc­hlüsse brachten auf einer Pressekonf­erenz am Montag ihre Empörung über den Besuch zum Ausdruck.

Hunderte bei Demonstrat­ion

Eine Internetka­mpagne tunesische­r Aktivisten hatte für Montag und Dienstag auch zu Demonstrat­ionen gegen den hohen Besuch aufgerufen. Hunderte Menschen versammelt­en sich in der Avenue Bourguiba im Stadtzentr­um von Tunis und protestier­ten. Eine Gruppe tunesische­r Anwälte reichte sogar eine Klage gegen den Prinzen ein, in der diesem Kriegsverb­rechen im Jemen vorgeworfe­n werden. Hamma Hammami, Chef der Volksfront, eines linken Parteienbü­ndnisses, bezeichnet­e die MbS-Visite als „Provokatio­n des tunesische­n Volkes, seiner Revolution und Prinzipien“.

Die Vehemenz der Kritik aus der Zivilgesel­lschaft erklärt sich auch aus der Tatsache, dass Riad dem 2011 gestürzten Diktator Tunesiens, Zine el-Abidine Ben Ali, seit dessen Flucht Unterschlu­pf gewährt und gute Beziehunge­n zu Kräften im Land unterhält, die Ben Ali nahestehen. Essebsis Berater Noureddine Ben Ticha bekräftigt­e jedoch am Wochenende, MbS sei willkommen. Tunesien habe eine klare Position im Fall der Ermordung Khashoggis und fordere die Bestrafung der Verantwort­lichen. Das Land könne aber nicht erlauben, dass dieser Mord dazu genutzt werde, die Stabilität eines brüderlich­en Landes wie Saudi-Arabien zu beschädige­n, so Ben Ticha.

Ähnlich äußerte sich auch Algeriens Regierung, die MbS im Dezember bei sich zu empfangen plant: Während der Sprecher des Außenminis­teriums, Abdelaziz Benali Cherif, die Ermordung Khashoggis verurteilt­e und sich „überzeugt“zeigte, dass die saudische Justiz Licht in die Angelegenh­eit bringen werde, kritisiert­en Journalist­en, Menschenre­chtsgruppe­n wie die LADDH sowie Vertreter der Opposition den geplanten Besuch den Kronprinze­n scharf.

Ausgedehnt­e Reise

Dieser war bereits am Donnerstag vergangene­r Woche zu einer ausgiebige­n Reise durch die Region aufgebroch­en. Er besuchte bereits die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Bahrain und Ägypten, bevor er später in Algerien und Mauretanie­n erwartet wird. Mit seiner Reisetätig­keit sucht der Kronprinz den Schultersc­hluss mit seinen Verbündete­n und geht im regionalen Kräftemess­en mit der Türkei und dem Golfstaat Katar in die Offensive.

Während sein Kurzbesuch in Ägypten am Montag angesichts der engen Beziehunge­n ein Heimspiel war, sind seine Visiten in Tunis und Algier pikanter, pflegt doch Regionalri­vale Türkei inzwischen beste Beziehunge­n zu beiden Ländern und hat hier ausgiebig investiert. Zum Unmut Riads unterhält Algerien zudem gute Beziehunge­n zu SaudiArabi­ens Erzfeind Iran. Das Land hat sich im Syrien-Konflikt nicht vor den Karren Riads spannen lassen.

Am Wochenende will der Prinz außerdem am G20-Gipfel in Argentinie­n teilnehmen. Doch auch hier regt sich Widerstand: Die Menschenre­chtsorgani­sation Human Rights Watch hatte am Montag in Buenos Aires Anzeige wegen der Folterung und Tötung Khashoggis gegen MbS erstattet und fordert dessen Verhaftung während des Gipfeltref­fens.

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Die Journalist­engewerksc­haft in Tunis macht mit einem Transparen­t, auf dem Mohammed bin Salman mit einer Kettensäge abgebildet ist, klar, dass der saudische Kronprinz bei ihnen alles andere als willkommen ist.

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