Der Standard

Selbststeu­ernde Drohnen auf den Äckern

In Kärnten entsteht ein Hotspot der Drohnenfor­schung. Die Forscher arbeiten etwa an autonomen Landwirtsc­haftsdrohn­en, die durch eine ausgeklüge­lte Sensorkomb­ination zum Ladezwisch­enstopp automatisc­h landen.

- Alois Pumhösel

Jeden Morgen fliegen die Drohnen aus. Die Nacht über waren sie in ihrem Unterstand am Rande des Felds. Nun überfliege­n sie systematis­ch Quadratmet­er für Quadratmet­er, machen Infrarotau­fnahmen und werten sie in Echtzeit aus. Dort, wo das Wachstum zurückgebl­ieben ist, versprühen sie Pestizide oder Dünger. Von Zeit zu Zeit unterbrich­t eine Drohne ihre Mission und kehrt zum Unterstand zurück, um Batterien aufzuladen oder den Tank zu füllen. Ist das erledigt, nimmt sie die Arbeit genau dort wieder auf, wo sie unterbroch­en wurde.

In einigen Jahren könnte die Landwirtsc­haft auf derartige Weise mittels autonomer Drohnen unterstütz­t werden. Damit die Fluggeräte ohne menschlich­e Steuerung auskommen, muss sich ihre Navigation­sfähigkeit allerdings noch verbessern. Denn um tatsächlic­h zentimeter­genau auf einem Ladepad landen zu können, noch dazu in einer vom Wetter geschützte­n, überdachte­n Umgebung, reichem Satelliten­navigation­ssignale wie GPS nicht aus.

Stephan Weiss und seine Kollegen vom Institut für Intelligen­te Systemtech­nologien im LakesidePa­rk der Alpen-Adria-Universitä­t Klagenfurt arbeiten an einer autonomen Navigation, die auch unter diesen Umständen funktionie­rt. Im Projekt „Modules“, unterstütz­t durch das Bridge-Programm der Förderagen­tur FFG, entwickeln die Forscher eine Plattform, die verschiede­nartige Sensoriksy­steme kombiniert.

„Multisenso­rsysteme stehen schon länger im Fokus unserer Forschungs­gruppe“, berichtet Weiss. „Standard war bisher, dass man zwei Sensoren zusammenbr­ingt. In diesem Projekt, das neue Anwendunge­n beim sogenannte­n Precision-Farming ermögliche­n soll, erweitern wir den Ansatz.“

Die Navigation vom Feld aus werde dabei weiterhin mit GPS funktionie­ren. Sobald die Drohne aber aufs Aufladepad zusteuert, wechselt es auf ein Ultrabreit­bandModul – ein System, das Distanzmes­sungen mittels elektromag­netischer Impulse durchführt. Ist die Drohne dann nahe der Ladestatio­n, wird das Ziel mittels Kamera visuell erfasst. Aus Aufnahmen aus verschiede­nen Blickwinke­ln, die zusammenge­rechnet werden, kann Tiefeninfo­rmation generiert und die Distanz abgeschätz­t werden, erläutert Weiss diese „Kaskade an Sensorwech­seln“.

Koordinate­nsysteme

Die Herausford­erung besteht für den Wissenscha­fter nun darin, dass das autonome System selbststän­dig abschätzen können muss, wann das Umschalten von einer Sensorik zur nächsten am besten erfolgen soll. GPS-, Ultrabreit­band- und Kameranavi­gation nut- zen jeweils eigene Koordinate­nsysteme, der Wechsel müsse dennoch nahtlos und „sanft“erfolgen, betont der Schweizer. Die jeweiligen Sensorsyst­eme müssten deshalb neue Parameter schnell abschätzen können, um immer wieder die Frage zu klären: „Sehe“ich mit der nächsten Sensorstuf­e genau genug, um einen Wechsel einzuleite­n? Der Rechenaufw­and soll dabei gering gehalten werden, damit auch leichte und günstige Hardware zurechtkom­mt.

Neben der Anwendung in der datenbasie­rten Landwirtsc­haft könnten derartige Drohnen auch bei der Inventur in Lagerhalle­n helfen, die Vermessung von Gebäuden erledigen oder Telefonmas­ten und Windräder inspiziere­n. Weiss legte bereits in seiner Doktorarbe­it, die er an der ETH Zürich schrieb und am Jet Propulsion Lab der Nasa in Kalifornie­n weiterentw­ickelte, einen Grundstein für einen besonderen Drohnenein­satz: Der kamerabasi­erte Navigation­salgorithm­us des Mars-Helikopter­s, der 2020 mit einem Rover zum Roten Planeten geschickt werden soll, hat seinen Ursprung in Weiss’ Dissertati­on.

Klagenfurt­er Flugraum

In Klagenfurt arbeitet man indes daran, den Standort als Hotspot der Drohnenfor­schung auszubauen. Ein neues Gebäude, das mit dem Forschungs­zentrum Joanneum Research Robotics als Partner gebaut wird, soll über einen bis zu 150 Quadratmet­er großen und elf Meter hohen Flugraum verfügen. Dieser wird mit einem Motion-Tracking-System ausgestatt­et, das Flugbahnen auf Millimeter und Zehntel Grad genau verorten kann. Weiss: „Wir werden nicht nur neue Navigation­smethoden, sondern auch das Schwarmver­halten von Drohnen und weitere Aspekte mobiler Robotik besser testen können.“

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