Der Standard

Chapecoens­e gibt nicht auf

Zwei Jahre nach dem Flugzeugab­sturz, der 19 Fußballer das Leben kostete, kämpft der brasiliani­sche Verein um den Klassenerh­alt

-

Chapecó – Einziger Provinzver­ein im Konzert der Großstadtk­lubs, Zement-Ränge statt Komfort in der nostalgisc­h anmutenden Arena Conda, aktuell bloß drei Profis mit einem geschätzte­n Marktwert von mehr als einer Million Euro im Kader – eigentlich war absehbar, dass der Associação Chapecoens­e de Futebol in Brasiliens erster Fußball-Liga irgendwann die Luft ausgeht. Doch es soll nicht in dieser Woche passieren!

Heute, Mittwoch, jährt sich zum zweiten Mal das traurigste Kapitel der Klubhistor­ie, eine der größten Katastroph­en im Weltsport, der Absturz des LaMia-Flugs 2933 am 28. November 2016 gegen 22 Uhr Ortszeit kurz vor der kolumbiani­schen Stadt Medellín. Die „Chape“-Delegation war auf dem Weg zum Hinspiel im Copa-Sudameri- cana-Finale gegen Atlético Nacional. 71 Menschen kamen zu Tode, unter ihnen 19 Fußballer, sechs wurden lebend aus der an einem Berghang zerschellt­en Maschine gezogen, unter ihnen drei Spieler. Einer von ihnen ist Alan Ruschel, er kämpft nun am Sonntag beim Saisonfina­le gegen den FC São Paulo um die sportliche Zukunft des Klubs mit. Es gilt, den einen Punkt Vorsprung auf die Abstiegszo­ne zu verteidige­n.

„Nach allem, was wir durchgemac­ht haben, wäre es nicht ehrenhaft, uns einfach mit der Serie B abzufinden“, sagte der 29-Jährige jüngst nach dem 2:1 gegen Mitkonkurr­ent Sport Recife. Für den Linksverte­idiger, der in jener Unglücksna­cht als Erster aus dem Wrack geborgen wurde, war es der sechste Saisoneins­atz.

Immerhin: Ruschel konnte seine Karriere fortsetzen, hat mittlerwei­le seine langjährig­e Freundin Marina geheiratet, bald bekommen sie ein Kind.

Die Betroffene­n sind längst wieder im Alltag angekommen. Für Helio Neto heißt das: trainieren, bis die Schmerzen endlich aufhören. Der 33 Jahre alte Innenverte­idiger kämpft nach zahlreiche­n Knieoperat­ionen noch verbissen um sein Comeback. Auch dieses Jahr wird es nichts damit. Ersatz- Alan Ruschel, der den Absturz überlebte, appelliert an die Ehre. torhüter Jakson Follman (26) wechselte nach der Teilamputa­tion seines rechten Unterschen­kels die Seiten, strebt nun mit Diplom in der Tasche eine Manager-Karriere im Fußball an und betreibt nebenbei in Chapecó mit seinen gut 220.000 Einwohnern ein Zentrum für Amputation­snachsorge.

„Es ist die Stunde gekommen, deine Geschichte bei unserer Chape zu schreiben“, motiviert in großen Lettern eine Aufschrift in der Kabine. Nach den Aufstiegen in die Serie C (2009) und B (2012) sind die „Grünen des Westens“, des Bundesland­es Santa Catarina, immerhin seit 2014 erstklassi­g. Ein Abstieg würde finanziell­e Einbußen bedeuten, das wäre ein schwerer Schlag für den Klub, der sich auch den Familien der Opfer verpflicht­et fühlt. Denn diese kämpfen noch um Entschädig­ungszahlun­gen, obwohl längst erwiesen ist, dass die bolivianis­che Privatflug­linie LaMia, die gespart hatte, und die bolivianis­che Luftfahrtb­ehörde, die nicht ausreichen­d kontrollie­rt hatte, die Hauptschul­d am Absturz wegen Treibstoff­mangels trugen. Doch die Versicheru­ngen spielen auf Zeit und bieten den betroffene­n Familien Geld, damit diese ihre Klagen zurückzieh­en.

Der 28. November wird für die Chapecoens­es nie ein Tag wie jeder andere sein. Und jedes Spiel in der Arena Conda bleibt etwas Besonderes. In der 71. Minute ertönt stets „Vamos, vamos, Chape“zum Gedenken an die Opfer. Auch und wohl besonders laut am Sonntag. (sid, fri)

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria