KOPF DES TAGES
First Lady von Detroit nimmt es mit Trump auf
Kaum hatte Mary Barra im Jänner 2014 den Chefsessel des US-Autoriesen General Motors erklommen, war sie mit einer massiven Krise konfrontiert. Fehlfunktionen von Zündschlüsseln hatten Unfälle mit wahrscheinlich 120 Todesopfern verursacht – und im Konzern waren die Probleme bekannt gewesen. Barra musste sich vor einem Kongressausschuss rechtfertigen. „Ich heiße Mary Barra, ich bin die Konzernchefin von General Motors – und es tut mir furchtbar leid“, sagte sie in ihrer direkten Sprechweise, die auch Skeptiker immer wieder beeindruckt.
Als sie 2009 zum Personalvorstand ernannt wurde, ersetzte sie eine seitenlange Liste von Kleidervorschriften für GMManager durch zwei Wörter: „angemessene Kleidung“. Zwei Jahre später wurde sie Chefin der Produktentwicklung und erklärte ihre Strategie mit „keine beschissenen Autos mehr“.
Nun steht Barra einem Mann gegenüber, der sich ebenfalls kein Blatt vor den Mund nimmt. US-Präsident Donald Trump reagierte wütend auf den Beschluss von GM, mehrere Werke in den USA zu schließen sowie bis zu 14.000 Jobs abzubauen, und drohte dem Konzern unverhohlen. Dass die 56-jährige Managerin Trumps Handelspolitik als eine der Ursachen für den Gegenwind nannte, der GM entgegenbläst, trug nicht zur Entspannung bei. Die Wall Street hingegen dankte Barra mit einem Kurssprung.
In ihrem Leben gab es für die Tochter finnischer Einwanderer fast nur General Motors. Ihr Vater war Werkzeugmacher bei der GM-Tochter Pontiac. Dort stieg sie selbst 1981 als Werkstudentin ein und arbeitete sich langsam im Konzern hoch. Daneben machte sie einen Abschluss in Elektrotechnik und erwarb einen MBA in Stanford.
So richtig hob die Karriere der zweifachen Mutter ab, als GM infolge der Weltfinanzkrise in die Insolvenz schlitterte. Der neue CEO Dan Akerson holte das entschlossene „Car Girl“, wie er sie nannte, in sein Team, das den Konzern wieder hochprofitabel machte. Barra trug dazu bei, indem sie 20 Topingenieure feuerte und die Modellpalette umkrempelte. Ihre Berufung zum ersten weiblichen CEO der USAutoindustrie überraschte wenige.
Seither hat Detroits First Lady die Europatochter Opel an Peugeot verkauft, sie investiert in E-Antriebe und autonomes Fahren. Doch der jüngste Kurswechsel ist alles andere als grün: GM will weniger Pkws bauen und mehr SUVs und Klein-Lkws. Denn die verkaufen sich in Trumps Amerika besser und bringen höhere Gewinne.