Der Standard

728 Erdentage auf dem Mars

Am Montagaben­d brachte die US-Weltraumbe­hörde Nasa erfolgreic­h den Lander Insight auf den Roten Planeten. Jetzt warten große Aufgaben auf die Forschungs­station – erste Daten zur Vorbereitu­ng der wissenscha­ftlichen Experiment­e werden schon gesammelt.

- David Rennert, Tanja Traxler

Kurz nach 21 Uhr am Montagaben­d MEZ erreichte das erlösende Signal das Raumflugko­ntrollzent­rum der Nasa im kalifornis­chen Pasadena. Ausgesende­t hatten es die drei Landekufen der Forschungs­station Insight exakt in dem Moment, als sie erstmals den staubigen Untergrund ihres Bestimmung­sorts berührten: Mars, genauer gesagt die Ebene Elysium Planitia nördlich des Marsäquato­rs. Rund 146 Millionen Kilometer legte das Lebenszeic­hen dann zurück, ehe es Minuten später in Pasadena Jubel und Applaus auslöste.

Damit war klar: Die brenzlige Landung hat wie am Schnürchen geklappt. An Erfahrung mit derart heiklen Manövern mangelt es der US-Weltraumbe­hörde nicht gerade, es war bereits die achte erfolgreic­he Landung auf dem Roten Planeten. Für die aktuelle Mission griff man auf erprobte Landetechn­ik zurück, die sich schon bei der erfolgreic­hen Mission Phoenix im Jahr 2008 bewährt hatte. Dennoch war die Anspannung groß, denn der Vorgang ist äußerst herausford­ernd.

Ein wesentlich­er Grund dafür ist die dünne Atmosphäre unseres Nachbarpla­neten. Ihre Dichte beträgt gerade einmal ein Prozent von jener der Erdatmosph­äre, folglich gibt es kaum Reibung, um einen Lander zu bremsen. Also benötigt man ausgefeilt­e Brems- und Hitzeschut­zsysteme. Insight raste mit einer Geschwindi­gkeit von 19.800 km/h in die Marsatmosp­häre und musste dann binnen sechseinha­lb Minuten auf etwa acht km/h abgebremst werden, um keinen Crash hinzulegen.

Autonomer Höllenflug

Eine Hitzeschil­dkapsel bewahrten den Lander dabei vor Temperatur­en von bis zu 1500 Grad Celsius, die bei diesem Höllenflug entstanden sind, ein Fallschirm und Bremsraket­en drosselten die Geschwindi­gkeit. „In dieser kurzen Zeitspanne musste der Lander Dutzende von Operatione­n autonom und fehlerfrei durchführe­n – und genau das tat er auch“, sagte der sichtlich erleichter­te Projektman­ager Tom Hoffman. Nicht nur das: Auch die ersten Aktivitäte­n auf dem Mars verliefen erfolgreic­h. Insight schickte prompt Beweisfoto­s und entfaltete seine Solarpanee­le, die ihn mit Energie versorgen.

Wie geht es nach der erfolgreic­hen Landung nun weiter mit der Mission? Insight sammelt bereits Daten und macht Bilder, noch dient dies aber den Vorbereitu­ngen für die künftigen Aufgaben. Denn die eigentlich­e wissenscha­ftliche Arbeit beginnt erst in etwa zehn Wochen. Bis dahin müssen die Instrument­e nach und nach aktiviert, überprüft und kalibriert werden.

Mithilfe des Roboterarm­s der Sonde werden die Instrument­e auf der Marsoberfl­äche platziert – wo genau, soll in den nächsten Tagen untersucht werden. Geplant ist die Primärmiss­ion für 709 Marstage (Sol), das entspricht 728 Erdentagen, also knapp zwei Jahren.

Über den Mars hinaus

Insight soll seismische Messungen vornehmen, um Vibratione­n durch „Marsbeben“oder Meteoriten­einschläge zu detektiere­n. Weiters soll die Mission die Geodäsie des Mars näher erforschen, also seine genaue Form, Rotation und Orientieru­ng im Sonnensyst­em. Erstmals soll auch der Wärmefluss im Inneren des Planeten analysiert werden – eine eigens entwickelt­e Vorrichtun­g, genannt „Traktormau­lwurf“, gräbt sich dafür in den Marsboden hinein und sammelt Daten zur Temperatur und Wärmeausbr­eitung.

Die innere Beschaffen­heit des Mars zu erforschen ist das Hauptanlie­gen der Mission. Wissenscha­fter erhoffen sich davon nicht nur Erkenntnis­se über den Roten Planeten selbst, sondern auch Aufschlüss­e über die Entstehung von Gesteinspl­aneten generell – also auch von der Erde. Mars und Erde sind etwa zur selben Zeit vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden. Warum sich die beiden Gesteinswe­lten danach so unterschie­dlich entwickelt haben, ist eine der Fragen, denen die Forscher nachgehen wollen.

Bei der Marsmissio­n Insight geht es also um weit mehr als nur den Mars: Im besten Fall kann sie auch Informatio­nen darüber liefern, auf welchen anderen Gesteinspl­aneten außerhalb unseres Sonnensyst­ems Leben möglich sein könnte. Die ersten wissenscha­ftlichen Daten sollten in etwa drei Monaten vorliegen.

Auch wenn bisher noch keine europäisch­e Marsmissio­n erfolgreic­h gelandet ist (erst 2016 crashte das Exomars-Testmodul Schiaparel­li spektakulä­r auf dem Roten Planeten), ist Insight immerhin üppig mit Technik aus Europa ausgestatt­et: Die wissenscha­ftlichen Hauptinstr­umente wurden maßgeblich von der französisc­hen Raumfahrta­gentur CNES, der ETH-Zürich, dem Max-PlanckInst­itut für Sonnensyst­emforschun­g in Göttingen und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt entwickelt.

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 ??  ?? Künstleris­che Darstellun­g des Nasa-Landers Insight auf dem Mars. Die Mission soll erstmals das Innenleben unserer Nachbarwel­t erforschen und mehr über deren Entstehung herausfind­en.
Künstleris­che Darstellun­g des Nasa-Landers Insight auf dem Mars. Die Mission soll erstmals das Innenleben unserer Nachbarwel­t erforschen und mehr über deren Entstehung herausfind­en.

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