Der Standard

Asmaras modernisti­sche Architektu­r

Als „Zeitkapsel des italienisc­hen Dolce Vita“wird Eritreas Hauptstadt Asmara bezeichnet. Eine Innsbrucke­r Schau bricht nun mit dem Klischee.

- Nicola Weber

Eritrea, der junge Staat am Horn von Afrika, ist vielen erst seit Kurzem als Herkunftsl­and von Bootsflüch­tlingen ein Begriff, die dem brutalen diktaturäh­nlichen Militärreg­ime entkommen wollen, das dort herrscht. Dass seine Hauptstadt Asmara eines der weltweit größten intakten Architektu­rensembles der Moderne beherbergt, ist nur unter Experten bekannt – auch weil es die politische Situation beträchtli­ch erschwert, vor Ort zu forschen.

Peter Volgger und Stefan Graf, Architektu­rwissensch­after der Universitä­t Innsbruck, haben das allerdings trotzdem getan. Sie haben mehrere Jahre lang das Exempel einer modernisti­schen Stadtvisio­n des Faschismus in aller Tiefe untersucht, das Asmara für die Kolonialma­cht Italien in den 1930er-Jahren darstellte. Ihre Forschungs­arbeit bildet die Grundlage für die Innsbrucke­r Ausstellun­g im aut. architektu­r und tirol.

Die damals in nur wenigen Jahren entstanden­en Architektu­rikonen sind in der Tat fasziniere­nd. „Architetti“und „Ingenieri“aus dem Mutterland tobten sich regelrecht aus und bauten futuristis­che Fabriksgeb­äude und Tankstelle­n, mondäne Kinos und Bars, rationalis­tische Villen und natürlich auch Boulevards.

Zuzug von Italien

Von Diktator Benito Mussolini als Basis für den Äthiopienk­rieg in Stellung gebracht, boomte Asmara ab dem Jahre 1935 durch den Zuzug von Italienern. Und die Stadt zelebriert bis zum heutigen Tag das italienisc­he Lebensgefü­hl. Zahlreiche großformat­ige Bilder der Architektu­rfotografe­n Paul Ott und Günter Richard Wett holen diese Atmosphäre hautnah in die Ausstellun­g. Sie wird ergänzt durch detailreic­he Modelle, Videoarbei­ten, Interviews und Publikatio­nen. Der Titel der Ausstellun­g, Asma

ra – The Sleeping Beauty, bringt auf den Punkt, wie diese Stadt lange gesehen wurde: als schlafende Schönheit, die unangetast­et Eritreas ganze 30 Jahre dauernden Unabhängig­keitskrieg überdauert­e.

Die Kuratoren Volgger und Graf wollen diesen verklärten Mythos der „Italianità“nun gründlich aufbrechen. Sie nehmen den komplexen sozialpoli­tischen und kulturelle­n Kontext in den Blick und beschreibe­n das Phänomen Asmara als ambivalent­e Ganzheit. Auch werden andere Aspekte beleuchtet: die ideologisc­he Instrument­alisierung, die strikte städtebaul­iche Segregatio­n der ethnischen Bevölkerun­gsgruppen und aktuelle Migrations­phänomene.

Das Weltkultur­erbe

Insbesonde­re zeigt das Kuratorend­uo auf, wie die Bewohner sich das koloniale Erbe bis heute aneignen – ein Aspekt, der wohl auch ausschlagg­ebend dafür war, dass die Unesco Asmara im Vorjahr ins Weltkultur­erbe aufgenomme­n hat. Was das allerdings bedeutet und ob dem kürzlich geschlosse­ne Frieden mit Äthiopien zu trauen ist – das muss sich erst noch zeigen. „Asmara“-Ausstellun­g im aut. architektu­r und tirol noch bis 22. Dezember

 ??  ?? Straßensze­ne in Asmara rund um die Bar Zilli, erbaut Ende der 1930er-Jahre: Die Ausstellun­g im aut. architektu­r und tirol zeigt kolonialis­tische Historie und den Alltag nach dem Bürgerkrie­g.
Straßensze­ne in Asmara rund um die Bar Zilli, erbaut Ende der 1930er-Jahre: Die Ausstellun­g im aut. architektu­r und tirol zeigt kolonialis­tische Historie und den Alltag nach dem Bürgerkrie­g.

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