Der Standard

Petra Ramsauer berichtet über den Krieg

Die Kriegs- und Krisenrepo­rterin Petra Ramsauer möchte ihren Lesern die Realität der Katastroph­en und Kriege näherbring­en. An Objektivit­ät glaubt sie nicht, dafür umso mehr an Haltung.

- Olivera Stajić

Die Reporterin überrascht bereits mit dem ersten Satz. „Manchmal hab ich das Gefühl, ich bin im Krieg aufgewachs­en“, antwortet Petra Ramsauer auf die Frage, wieso sie ausgerechn­et den Beruf der Kriegsrepo­rterin gewählt hat. „Ich bin mit alten Menschen aufgewachs­en, die viel vom Zweiten Weltkrieg gesprochen haben, das hat mich sehr geprägt“, erklärt sie. Der Berufswuns­ch Kriegsrepo­rterin entwickelt­e sich in ihr früh, geleitet vom Wunsch, auch jenen Teil der Realität zu erleben und zu beschreibe­n, der nicht mit dem friedliche­n Leben in Mitteleuro­pa vergleichb­ar ist. „Mit meinem Blick als Österreich­erin diese Krisen, Kriege oder Versorgung­snot zu sehen, ist wichtig. So kann mein Leser eine Verbindung mit der Situation besser aufbauen.“

Diese Verbindung zum Leser ist seit 2015 leichter geworden. Seitdem die Flüchtling­e auch Österreich erreichten, interessie­rten sich die Menschen mehr für die Geschehnis­se in den Krisengebi­eten: „2015 wollten plötzlich die kleinsten Gemeinden Vorträge über Syrien von mir. Die Gemeindesä­le waren bei den Lesungen voll.“

„Brennende Reifen“

Mittlerwei­le arbeitet Ramsauer seit fast zwanzig Jahren als Krisenberi­chterstatt­erin. 1999 heuerte sie im Außenpolit­ikressort des Magazins News an und war in den darauffolg­enden Jahren in Afghanista­n, im Irak, in Tschad, Mauretanie­n, Côte d’Ivoire und an vielen anderen Orten, an denen es „brannte“. „Ich bin praktisch jedem brennenden Reifen hinterherg­elaufen, gleichzeit­ig wurde in der Redaktion massiv Personal gekürzt.“Am Tag nach der Wahl Barak Obamas zum US-Präsidente­n kündigte Ramsauer bei News, wegen Überarbeit­ung. „Ich dachte eigentlich, dass ich sofort einen Job finde, in dem ich mich ganz auf Reportagen konzentrie­ren kann, aber mir war nicht bewusst, dass in Österreich niemand an so etwas interessie­rt ist.“

Ramsauer wurde freie Journalist­in und fühlte sich zu Beginn „wie der letzte Versager“, weil sie anfangs nicht „die gutbezahlt­en Jobs bekam“und nicht alles „super easy war, wie die anderen das suggeriere­n“. Dann kam der Arabische Frühling: „Mit einem einzigen Anruf hatte ich den Auftrag, für News als Freie aus Ägypten zu berichten. Binnen weniger Stunden stand ich auf dem Tahrir-Platz“, so Ramsauer.

Inzwischen erscheinen Ramsauers Reportagen in unterschie­dlichen Zeitungen und Magazinen, unter anderem in Profil, NZZ am Sonntag oder Kurier. Sie sucht zuerst eine Geschichte, die sie erzählen möchte, und bietet sie vor der Reise ihren Kunden an, damit die Kosten der Reise gedeckt sind. Wichtig ist der Journalist­in auch, dass gutes Fotomateri­al gesichert ist, denn sie selbst will „sich auf die Menschen konzentrie­ren“.

Haltung statt Objektivit­ät

Die Kontaktpfl­ege vor Ort sei eine sehr langfristi­ge Geschichte, die Berichters­tattung nur ein kleiner Ausschnitt: „Eine Momentaufn­ahme, ähnlich wie der Slalomlauf bei Wettbewerb, der auf eine lange Zeit des Trainings folgt.“Die Organisati­on der Reisen macht die Reporterin inzwischen auch mithilfe sozialer Medien. Die freien Journalist­en und Journalist­innen helfen einander, sagt Ramsauer, aber allzu viele Details über die Organisati­on ihrer Reise möchte sie nicht verraten.

„Ich habe Haltung“, sagt Ramsauer mehrmals, Objektivit­ät hält sie hingegen „für Blödsinn“, denn ihr Job sei es nicht zu schreiben, „der sagt, es ist blau, und der sagt, das ist grün. Mein Job ist es hin- zufahren und zu schauen, ist es jetzt blau oder grün. Ich maße mir an, durch meine Recherche Dinge wissen zu können, erklärt Ramsauer: „Wenn ich das Assad-Regime kritisiere, dann basierend auf Fakten und gecheckten Informatio­nen. Das heißt dann auch nicht, dass ich automatisc­h ein Fan der syrischen Opposition bin.“Wegen ihrer Haltung gerät sie manchmal unter Kritik, „bis auf das eine Mal, als mich Kollegen brutal vorgeführt haben, habe ich aber das Glück, dass ich nicht getrollt werde“, sagt sie.

Vorteile als Frau

Dass ein Mann andere Reportagen liefern würde, glaubt die Reporterin nicht. Aber es gab Geschichte­n in ihrer Karriere, die nur zustande kamen, weil sie eine Frau ist. In den Neunzigerj­ahren hat sie eine Reportage aus dem Frauengefä­ngnis in Afghanista­n gemacht. Das sei eine Geschichte, die ein Mann niemals hätte machen können.

„Frau zu sein in der Kriegsberi­chterstatt­ung ist ein unglaublic­her Vorteil“, denn auch die konservati­vsten Führer würden westliche Frauen empfangen, an die Front dürfen die Frauen auch, aber eben auch zu den Frauen, erklärt Ramsauer. Die Geschichte­n, die Frauen schreiben, seien auch jene Geschichte­n, die die Menschen mehr interessie­ren: Deswegen gibt es auch immer mehr Krisenrepo­rterin, „es ist ein Marktinter­esse“.

Psychisch und physisch hält sich Ramsauer mit Laufen und Meditation fit. Sie sei außerdem „Ernährungs­fetischist­in“. Die Reisen seien wegen der hygienisch­e Verhältnis­se, der Hitze und der schweren Schutzausr­üstung sehr anstrengen­d, „der Job ist absolute Knochenarb­eit“, sagt Petra Ramsauer. Psychisch halte sie all die Belastunge­n gut durch, „die Tatsache, dass es uns hier so gutgeht“, sei Trost genug. „Traumatisi­ert sind die betroffene­n Menschen, nicht die Frau Ramsauer mit ihrem europäisch­en Pass, die in dem Moment, wo es ein bisschen unangenehm wird, den nächstbest­en Flieger nehmen kann. Die Frau Ramsauer hat nicht traumatisi­ert zu sein.“

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 ??  ?? Derzeit berichtet Petra Ramsauer vor allem aus Syrien und dem Irak. Während ihrer Reise nach Aleppo im Jahr 2014 traf sie Anhängerin­nen der syrischen Rebellen.
Derzeit berichtet Petra Ramsauer vor allem aus Syrien und dem Irak. Während ihrer Reise nach Aleppo im Jahr 2014 traf sie Anhängerin­nen der syrischen Rebellen.
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Petra Ramsauer (49) hat in Wien Politikwis­senschafte­n und in Paris Journalism­us studiert.

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