Der Standard

Vestibül: „Tropfen auf heiße Steine“

- Margarete Affenzelle­r

Wien – Das Leben als Paar ist eigentlich ein revolution­ärer Akt, in dem sich eine Kleinstgem­einschaft den Marktgeset­zen verwehrt. So schreibt es die israelisch­e Soziologin Eva Illouz. Denn als Liebespaar taxiert man einander nicht, man duldet Langeweile, ist bereit, die Selbstentw­icklung einzuschrä­nken, und auf die Dauer muss auch mittelpräc­htiger Sex reichen. Aber wie lange hält man das aus?

Das hat Rainer Werner Fassbinder schon ganz früh in seinem Werk beschäftig­t. Als 19-Jähriger beschreibt er im Stück Tropfen auf hei

ße Steine (1965) eine Paarbezieh­ung, die nach kurzer Glücksphas­e in den Niederunge­n des Alltags ankommt und am Ende explodiert. François Ozon hat das Drama 2000 verfilmt.

Das Ich kommt zu kurz

Im Vestibül des Burgtheate­rs nimmt Regisseur Cornelius Edlefsen Anlauf für ein Kammerspie­l, an dessen Beginn die subtil inszeniert­e Zuneigung zwischen Leopold (Daniel Jesch) und dem viel jüngeren Franz (Christoph Radakovits) steht. Auf einer kleinen Podestbühn­e (Jenny Schleif) markieren Ginflasche­n und ein Plattenspi­eler einen rasch einkehrend­en Alltag, der zunehmend zu Zänkereien führt. Die Rollen sind ungleich, das jeweilige Ich kommt zu kurz, die ökonomisch­e Lage ist volatil. Auftritt der Ex-Freundinne­n!

Das Kammerspie­l gerät zunehmend außer Form, weil ab der Hälfte Tonlagen verschwimm­en, Schlussfol­gerungen uneinsicht­ig bleiben und sich am Horizont ein nicht plausibel gemachtes Ende abzeichnet. Anna (Alina Fritsch als Franz’ Ex) und Vera (Stefanie Dvorak als Leopolds Ehemalige) tauchen auf. Erstere heizt mit ihrem naiven Mädchengep­länkel die sadistisch­e Grundstimm­ung noch weiter an. Und – rums – stehen alle als Opfer ihrer eigenen Wünsche da.

Für diese Pseudotrag­ik aber findet Edlefsen keine Übersetzun­g. Eher achselzuck­end schaut man auf das überstürzt­e Ende, von dem selbst die Schauspiel­er überrascht zu sein schienen. Burgtheate­r-Vestibül, Wien, Termine: 2., 6., 9. & 15. 12.

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