Der Standard

Fed löst Kursfeuerw­erk aus

Der Kaufrausch der Wall Street in der Hoffnung auf eine flachere US-Zinsentwic­klung verebbte an Europas Börsen, wo Anleger stärkeren Gegenwind befürchten. Die Wiener Börse zeigte sich aber im Aufwind.

- Alexander Hahn

Die Kehrtwende von Fed-Chef Powell, wonach die Zinsen nahe am neutralen Niveau seien, sorgte an der Wall Street für einen Kurssprung.

Mit kräftigen Kurs- und Freudenspr­üngen hatte die Wall Street zur Wochenmitt­e auf die überrasche­nde Kehrtwende der US-Notenbank Fed reagiert. Ihr Chef Jerome Powell hatte Anlegern und Ökonomen in Aussicht gestellt, dass der Anstieg der Leitzinsen künftig flacher als erwartet ausfallen könnte. Die aktuelle Leitzinssp­anne von zwei bis 2,25 Prozent liege „knapp unter“dem geschätzte­n neutralen Niveau, mit dem die Wirtschaft weder gefördert noch gebremst werde, hatte der Notenbanke­r abends in New York gesagt.

„Das ist schon eine dramatisch­e Wende“, kommentier­te Volkswirt Walter Todd von Greenwood Capital. Bis vor kurzem hätten sich Powells Aussagen zur US-Geldpoliti­k noch ganz anders angehört, nämlich dass der Leitzins noch weit vom neutralen Niveau ent- fernt sei. Dabei hatte sich US-Präsident Donald Trump auf die Fed und Powell, den er selbst an die Spitze der Notenbank gehievt hatte, eingeschos­sen. Die Fed stellt in seinen Augen die größte Gefahr für die US-Konjunktur dar.

Ende 2015 war die Fed noch unter Powells Vorgängeri­n Janet Jellen von ihrer Nullzinspo­litik abgekommen und schrittwei­se den Leitzins auf das derzeitige Niveau gehievt. Vor Powells Aussage hatten Volkswirte mehrheitli­ch noch mit noch vier weitere Erhöhungen bis Ende 2019 gerechnet – die nächste wurde bereits für Dezember erwartet. „Powells Äußerungen le- gen den Schluss nahe, dass möglicherw­eise nicht mehr so viele Zinserhöhu­ngen kommen werden, wie Investoren angenommen haben“, betont Ökonom Jack Ablin von Cresset Wealth Advisors die geänderten Erwartunge­n.

In Europa reagierten die Anleger nur zögerlich auf den Steilpass der US-Börsen vom Vortag – offenbar aus Sorge, sich damit ins Abseits zu begeben. Schließlic­h gab auch die Nachrichte­nlage auf dem Alten Kontinent wenig Anlass zu Optimismus. Laut EU-Kommis- sion ist der Stimmungsb­arometer in der Eurozone auf den tiefsten Wert seit eineinhalb Jahren gesunken. Besonders in Italien trübte sich das Sentiment deutlich ein.

Zudem hob die EZB warnend den Finger wegen zunehmende­r Risiken für das Finanzsyst­em. Konkret bereiten den Währungshü­tern, die Zinserhöhu­ngen im Euroraum frühestens für das zweite Halbjahr 2019 in Aussicht gestellt hatten, die sehr hohen Immobilien­preise in einigen Eurostaate­n Sorgenfalt­en.

Dazu kommen die Dauerbrenn­er, also die Gefahr eines harten Brexits, die Handelskon­flikte und die Turbulenze­n der Schwellenl­änder.

Unter den Einzelwert­en wurde die Deutsche Bank wegen der Geldwäsche-Razzia nur mit spitzen Fingern angefasst. Lufthansa profitiert­e von der Hoffnung auf niedrigere Kerosinpre­ise, da der Ölpreis weiter unter Druck blieb, Infineon von dem optimistis­chen Ausblick des US-Chipherste­llers Micron. Im Aufwind zeigte sich auch die Wiener Börse, wobei Immofinanz und der Immobilien­entwickler UBM von guten Zahlen angetriebe­n wurden. Aber auch die Baukonzern­e Strabag und Porr konnten bei den Investoren punkten.

An den US-Börsen machte sich am Donnerstag beim US-Autovermie­ter Hertz Ernüchteru­ng breit, nachdem der deutsche Konkurrent Sixt Meldungen über eine mögliche Übernahme dementiert hatte.

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