Fed löst Kursfeuerwerk aus
Der Kaufrausch der Wall Street in der Hoffnung auf eine flachere US-Zinsentwicklung verebbte an Europas Börsen, wo Anleger stärkeren Gegenwind befürchten. Die Wiener Börse zeigte sich aber im Aufwind.
Die Kehrtwende von Fed-Chef Powell, wonach die Zinsen nahe am neutralen Niveau seien, sorgte an der Wall Street für einen Kurssprung.
Mit kräftigen Kurs- und Freudensprüngen hatte die Wall Street zur Wochenmitte auf die überraschende Kehrtwende der US-Notenbank Fed reagiert. Ihr Chef Jerome Powell hatte Anlegern und Ökonomen in Aussicht gestellt, dass der Anstieg der Leitzinsen künftig flacher als erwartet ausfallen könnte. Die aktuelle Leitzinsspanne von zwei bis 2,25 Prozent liege „knapp unter“dem geschätzten neutralen Niveau, mit dem die Wirtschaft weder gefördert noch gebremst werde, hatte der Notenbanker abends in New York gesagt.
„Das ist schon eine dramatische Wende“, kommentierte Volkswirt Walter Todd von Greenwood Capital. Bis vor kurzem hätten sich Powells Aussagen zur US-Geldpolitik noch ganz anders angehört, nämlich dass der Leitzins noch weit vom neutralen Niveau ent- fernt sei. Dabei hatte sich US-Präsident Donald Trump auf die Fed und Powell, den er selbst an die Spitze der Notenbank gehievt hatte, eingeschossen. Die Fed stellt in seinen Augen die größte Gefahr für die US-Konjunktur dar.
Ende 2015 war die Fed noch unter Powells Vorgängerin Janet Jellen von ihrer Nullzinspolitik abgekommen und schrittweise den Leitzins auf das derzeitige Niveau gehievt. Vor Powells Aussage hatten Volkswirte mehrheitlich noch mit noch vier weitere Erhöhungen bis Ende 2019 gerechnet – die nächste wurde bereits für Dezember erwartet. „Powells Äußerungen le- gen den Schluss nahe, dass möglicherweise nicht mehr so viele Zinserhöhungen kommen werden, wie Investoren angenommen haben“, betont Ökonom Jack Ablin von Cresset Wealth Advisors die geänderten Erwartungen.
In Europa reagierten die Anleger nur zögerlich auf den Steilpass der US-Börsen vom Vortag – offenbar aus Sorge, sich damit ins Abseits zu begeben. Schließlich gab auch die Nachrichtenlage auf dem Alten Kontinent wenig Anlass zu Optimismus. Laut EU-Kommis- sion ist der Stimmungsbarometer in der Eurozone auf den tiefsten Wert seit eineinhalb Jahren gesunken. Besonders in Italien trübte sich das Sentiment deutlich ein.
Zudem hob die EZB warnend den Finger wegen zunehmender Risiken für das Finanzsystem. Konkret bereiten den Währungshütern, die Zinserhöhungen im Euroraum frühestens für das zweite Halbjahr 2019 in Aussicht gestellt hatten, die sehr hohen Immobilienpreise in einigen Eurostaaten Sorgenfalten.
Dazu kommen die Dauerbrenner, also die Gefahr eines harten Brexits, die Handelskonflikte und die Turbulenzen der Schwellenländer.
Unter den Einzelwerten wurde die Deutsche Bank wegen der Geldwäsche-Razzia nur mit spitzen Fingern angefasst. Lufthansa profitierte von der Hoffnung auf niedrigere Kerosinpreise, da der Ölpreis weiter unter Druck blieb, Infineon von dem optimistischen Ausblick des US-Chipherstellers Micron. Im Aufwind zeigte sich auch die Wiener Börse, wobei Immofinanz und der Immobilienentwickler UBM von guten Zahlen angetrieben wurden. Aber auch die Baukonzerne Strabag und Porr konnten bei den Investoren punkten.
An den US-Börsen machte sich am Donnerstag beim US-Autovermieter Hertz Ernüchterung breit, nachdem der deutsche Konkurrent Sixt Meldungen über eine mögliche Übernahme dementiert hatte.