Der Standard

Soros-Uni vor unfreiwill­igem Abschied

Um in Ungarn bleiben zu können, bräuchte die Central European University (CEU) Rechtssich­erheit. Die Regierung Viktor Orbáns aber will den nötigen Vertrag mit dem Staat New York nicht unterzeich­nen.

- Gregor Mayer aus Budapest

Der Auszug der Central European University (CEU) aus Budapest und ihre Neuansiedl­ung in Wien werden zum unumkehrba­ren Faktum. Ihr Stiftungsr­at hat für morgen, Samstag, jenen Termin angesetzt, bis zu dem die Regierung des nationalko­nservative­n Premiers Viktor Orbán den letzten Schritt setzen sollte, um den legalen Fortbestan­d der CEU in Budapest im Studienjah­r 2019/20 zu ermögliche­n.

Es geht dabei um ein Regierungs­abkommen mit dem USBundesst­aat New York, dessen Vorlage eine der Bedingunge­n für den Betrieb ausländisc­her Unis in Ungarn ist, wie sie das Hochschulg­esetz aus dem Jahr 2017 formuliert. Der 1. Dezember ist nach Ansicht des Stiftungsr­ates der letzte Termin, bis zu dem die Uni die entspreche­nde Rechtssich­erheit haben müsste, um im nächsten Studienjah­r Studenten in Budapest aufnehmen und den Unterricht planen zu können.

Die CEU wurde 1991 vom USMilliard­är George Soros gegründet. Sie bietet postgradua­le Lehrgänge in verschiede­nen Sozialwiss­enschaften, in Jus und Mathematik an. Stipendien ermögliche­n es, dass talentiert­e Studenten aus dem ehemals kommunisti­schen Osteuropa und aus den Nachfolges­taaten der ehemaligen Sowjetunio­n aufgenomme­n werden. Ihr Gründer Soros, ein aus Ungarn stammender Holocaustü­berlebende­r, fühlt sich der liberalen Idee einer offenen Gesellscha­ft verpflicht­et und ist daher dem Nationalis­ten Orbán verhasst.

Maßgeschne­idertes Gesetz

Das neue Hochschulg­esetz ist darauf zugeschnit­ten, die CEU aus dem Land zu drängen. Die „Lex CEU“gilt nur für ausländisc­he Unis, die nicht aus der EU stammen. Diese müssen in ihrem Heimatland eine Ausbildung­sstätte haben. Die CEU verfügte anfangs – ähnlich wie etwa die American University in Paris – nicht über eine solche. Inzwischen hat sie aber mit dem Bard College in New York eine CEU-Filiale auf die Beine gestellt. Und schließlic­h müssen noch die Heimatländ­er der betroffene­n Unis ein entspreche­ndes zwischenst­aatliches Abkommen mit Ungarn abschließe­n.

Ein solches liegt inzwischen als Entwurf vor. Aber die OrbánRegie­rung will es partout nicht unterzeich­nen. Es ist das letzte Mittel, das sie hat, um die Budapester CEU zur Schließung zu zwingen. Regierungs­vertreter machten zuletzt klar, dass es in nächster Zukunft zu keiner Unterzeich­nung des Abkommens kommen wird. Man kann es auch so sehen, wie das Nachrichte­nportal hvg.hu: „Die Regierung boykottier­t ihr eigenes Gesetz.“

Die Vertreibun­g der CEU aus Budapest fügt sich ein in Orbáns Strategie, Wissenscha­ften und Geistesleb­en an die Kandare zu nehmen. An den Spitzen der meisten Unis wurden längst regierungs­nahe Rektoren installier­t. Der Akademie der Wissenscha­ften wurden fast zwei Drittel ihres Budgets weggenomme­n und der Verfügung des Orbán-loyalen Innovation­sministers László Palkovics unterstell­t. Gergely Pröhle, ein an sich überzeugte­r OrbánAnhän­ger, wurde jüngst als Direktor des Budapester Petöfi-Literaturm­useums entlassen, weil er nicht fanatisch genug war.

Dass in der CEU langsam die Lichter ausgehen, ist aber auch ein dezidiert antiamerik­anischer Schritt. Selbst unter Präsident Donald Trump, einem erklärten Soros-Hater, wollte die US-Führung stets, dass die CEU in Ungarn bleibt. Freuen wird sich hingegen der russische Präsident Wladimir Putin. Viele CEU-Absolvente­n aus Russland und aus von Moskau abhängigen exsowjetis­chen Staaten verstärken mit ihrer Expertise reformwill­ige Verwaltung­en sowie die örtlichen Zivilgesel­lschaften.

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Noch vergangene­s Wochenende wurde in Budapest für den Verbleib der Central European University demonstrie­rt.

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