Mit gutem Gewissen einkaufen – aber wo?
Skandale, Proteste, Unfälle mit mehr als tausend Toten: Die Modeindustrie sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Fast jede Kette sagt von sich, auf Menschen und Umwelt achtzugeben. Wer von den großen Marken tut es wirklich? Das herauszufinden ist gar nicht
Ich lege nicht sehr viel Wert darauf, was ich anhabe – und bisher auch nicht darauf, wo ich Kleidung kaufe. Da einmal zu H&M, ein Zara um die Ecke, eine Levi’s-Hose. Mir ist aber eigentlich gar nicht egal, unter welchen Bedingungen meine Leiberln, die großteils in ziemlich armen Ländern in Asien produziert werden, entstehen. Aber wie kann ich mich informieren?
Egal bei welchem Hersteller, auf der jeweiligen Homepage wird man schnell fündig. Die vielen Skandale, Proteste und Unfälle der Vergangenheit sorgen dafür, dass es sich kaum eine Marke leisten kann, sich nicht damit zu befassen. So findet man bei Zara-Mutter Inditex Regeln für Zulieferer, auch Levi Strauss und H&M erklären sich. Aber ist das vertrauenswürdig? Glaube ich dem Bäcker, wenn er mir sagt, er verkauft die besten Semmeln der Welt?
Lieber nicht. Die Clean Clothes Campaign hilft weiter, eine NGO mit einigem Einfluss, die sich seit langem für bessere Bedingungen in der Industrie einsetzt. Sie fordert die Unternehmen dazu auf, ihre Zulieferer offenzulegen. Denn die großen Textilfirmen lagern die Produktion großteils aus.
Wer nicht preisgibt, wo Fabriken stehen, wird dafür seine Gründe haben. Und siehe da: Zara ist verschwiegen, H&M hingegen sehr offen. Auch Levi Strauss, C&A, Nike oder Adidas sind transparenter, Kik, Ralph Lauren oder Mango gar nicht. Gut zu wissen.
Was also tun? „Grundsätzlich rate ich, sich Einkäufe gut zu überlegen. Brauche ich das wirklich? Passt es? Second Hand ist aus ökologischer Sicht das Beste. Und je länger wir etwas tragen, desto besser. Auf kleiderkreisel.at kann man außerdem gebrauchte Kleidung kaufen und verkaufen.“
Second Hand? Ich weiß nicht. Ich kaufe ohnehin selten Kleidung, und wenn, möchte ich nicht lange stöbern, sondern es schnell hinter mich bringen. Ich sehe aber schon, gute Firmen zu finden ist kompliziert. Zara verrät mir nicht, wo Fabriken stehen, ist aber beim Detox-Ranking von Greenpeace vorne dabei. H&M ist transparent, sorgt mit seinen häufigen Kollektionswechseln aber dafür, dass Umwelt und Menschen leiden. Hm.
Ist es unter dem Strich dann eh egal? Nein, sagt Konstantin Wacker von der Uni Groningen. „Konzerne, die unter Druck kommen wie H&M oder Nike, können es sich nicht leisten wegzusehen.“Wer einen Ruf zu verlieren hat, habe eher im Auge, unter welchen Bedingungen produziert wird. Für Kik gelte das etwa nicht. „Das ist wie beim Fleisch. Wenn Sie beim Diskonter einkaufen, können Sie sich vorstellen, wie produziert wird.“
Noch nicht veröffentlichte Studien von Chika Oka von der University of London legen nahe, dass Massen- und Sportmarken mehr darauf achtgeben, wie produziert wird.
Mir wird schwindelig
Ich weiß jetzt ein wenig mehr, mir wird aber schon ein bisschen schwindelig. Mein letzter Versuch ist ein Anruf bei Elke Schüßler, sie leitet das Institut für Organisation an der Kepler-Uni in Linz und erforscht, ob sich die Bedingungen in der Textilindustrie bessern. Kann sie mir eine klare Antwort geben?
Ich nehme es vorweg: Nein! Schüßler sagt: Ja, Markenfirmen stehen unter mehr Druck und machen mehr, „aber ob das tatsächlich etwas bringt, ist sehr schwierig zu sagen. Luxusmarken machen auf dem Papier mehr als Diskonter. Das sagt aber noch nicht viel darüber aus, was in den Fabriken passiert.“
Und Schüßler weiter: „Unternehmen wie Aldi oder Lidl zahlen vielleicht sehr niedrige Stückpreise, aber weil sie beispielsweise ein paar Millionen weiße T-Shirts am Stück bestellen, macht das die Planung einfacher und für Arbeiterinnen berechenbarer. Unternehmen aus dem FastFashion-Segment wie H&M oder Zara hingegen bestellen oft kurzfristig in großen Mengen, was für die Arbeiterinnen in nicht geplanten langen Arbeitszeiten mündet. Das sieht man dem Teil nicht an.“
„Sind Diskonter schlechter als andere? Das kann man nicht sagen. Ohne Lieferketten, Geschäftsmodell und Einkaufspraktiken der Unternehmen zu kennen, lässt sich sehr wenig darüber sagen, was Maßnahmen am Ende für die Arbeiterinnen heißen.“
Ich muss nerven
Der Preis an sich sage nichts darüber aus. Teuer heiße nicht gut. Kann ich also unter dem Strich gar nichts machen? „Fragen Sie, wo das produziert wurde! Wo findet man Informationen?“Das ist auch der Tipp von Nunu Kaller von Greenpeace: „Fragen Sie im Laden nach! Wenn einer das macht, vergisst es die Verkäuferin wieder. Wenn mehrere kommen, leitet sie das irgendwann weiter.“
Es ist nicht sehr befriedigend, aber am Ende bleibt mir nur das: nachfragen und nerven. Per E-Mail, auf Twitter oder Instagram, in Läden. Manche Firmen machen mehr als andere, was es bringt, können selbst Expertinnen nicht sagen. Einen Ausweg gibt es aber vielleicht doch: faire Mode. Mehr dazu dann in der nächsten Folge von alles gut?.
p Alle Quellen für den Artikel finden Sie online: dSt.at/alles-gut2 Es gibt auch einen GratisNewsletter zur Serie: https://dst.at/alles-gut-NL Wir wollen an den Arbeitsbedingungen in Fabriken von Modeketten etwas ändern? Dann müssen Kunden die Firmen wissen lassen, dass sie ihnen nicht egal sind, raten Expertinnen. Etwa auf Twitter.