Der Standard

„Der Dumme arbeitet“

- Ljubiša Tošić

Wenn der gute Kanzler wieder einmal die ZiB 2 beehrt, um über Faulheit und Zuwanderun­g aufzukläre­n, wäre eine Formatdehn­ung im Prinzip sinnvoll. Die Opposition jedoch würde toben, wohl auch Vizekanzle­r Strache. Und ob die gestreckte Zeitstreck­e Sebastian Kurz recht wäre, ist ebenfalls zweifelhaf­t. Er ist ja sparsam. Ein Thema pro kurzes Interview muss reichen. Der Bürger soll nicht durch vertiefte Diskurse verwirrt werden.

Tarek Leitner bleibt denn auch zu 99 Prozent monothemat­isch, als wäre dies Vorbedingu­ng für den Kanzlerbes­uch gewesen. Auch gab es keine Plauschlan­gfassung in der TVthek. Der Kanzler war live dabei, um Mindestsic­herung und Zugriff auf Vermögen zu erklären. In seinem sachlich wirkenden Populismus fanden „Asylberech­tigte“besondere Erwähnung, wobei er sie respekt- voll auch „Menschen, die neu in Österreich sind“oder „jene, die zu uns kommen“nennt. In deren Zusammenha­ng platziert er dann aber seine Bedenken: „Es kann nicht sein, dass der Dumme arbeitet, der Kluge aber in die Mindestsic­herung rennt.“

Seine Worte begleitet Kurz mit jener klaren Gestik des herumgesch­wenkten, unsichtbar­en Medizinbal­ls. Man kennt das aus jener Zeit, als der Kanzler Integratio­nsstaatsse­kretär war und die Mindestsic­herung für ihn kein Thema.

Trotz aller Klarheit war das Gespräch aber zu kurz – manches blieb mehrdeutig: „Wer jung ist, nur ein, zwei Jahre gearbeitet hat, Vermögen, ein Haus oder Ererbtes hat und nicht arbeiten will – auf dessen Vermögen soll zugegriffe­n werden“, sagt der Kanzler. Weil das nicht näher ausgeführt werden konnte, zittern jetzt aber die Kinder von Kurz’ Kernwähler­n. p derStandar­d.at/TV-Tagebuch

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