Der Standard

Kickls türkise Immunität

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Gemeinsame Ziele können eine Koalition zusammensc­hweißen, auch wenn deren politische Substanz zu wünschen übrig lässt. Notwendig umso fester, wenn die Verwirklic­hung dieser Ziele zulasten der Mehrheit der Regierten oder zumindest an deren Bedürfniss­en vorbei geht. Und ideal, wenn sich die Koalitions­partner im Besitz von Garantien wissen, mit denen der jeweils andere erpresst werden kann, sollte er es an der Hingabe zu gemeinsame­n Werten fehlen lassen. Ohne diese Voraussetz­ung wäre Türkis-Blau gar nicht zustande- und der blaue Partner nicht an die Macht über die innere und äußere Sicherheit des Landes gekommen. uffälligst­es Exponat des gegenwärti­gen Zustandes ist Herbert Kickl, spätestens seit dieser Woche Innenminis­ter mangels an Beweisen. Es dürfte nicht viele Abgeordnet­e geben, die den Unschuldsb­eteuerunge­n Glauben geschenkt haben, mit denen er das Prinzip der Ministerve­rantwortun­g vom Tisch des Hohen Hauses wischte, wie er es gerade brauchte. Als freiheitli­ch ausgebilde­ter Meister des politische­n Konfabulie­rens hätte er beinahe Rührung erzeugt mit der Behauptung, er sei nie ein Fan von Dirty Campaignin­g gewesen, weshalb ihn erst als Minister sein Generalsek­retär auf die Goldgrube aufmerksam machen musste, die sich mit dem Konvolut zum BVT auftat.

Als Minister erfährt man ja so wenig von dem, was sich im Ressort so tut. Wie soll man da für alles Mögliche Verantwort­ung übernehmen? Die Beantwortu­ng der Anfragen

Avon Abgeordnet­en verfasse er nicht persönlich, er lasse sie sich von Mitarbeite­rn vorlegen. Das ist normal, enthebt den Minister als Beantworte­r aber nicht der Verantwort­ung. Geht es nicht um das BVT, sondern um den Umgang mit kritischen Medien, weiß Kickl plötzlich: „In der monokratis­ch organisier­ten Behörde BMI kommt die letzte Verantwort­ung für alle Maßnahmen der Ressortspi­tze zu.“Auch da waren Mitarbeite­r hinter dem Rücken des Ministers aktiv, aber es ging um weniger. ollte Kickl nach einem Jahr als Innenminis­ter so unwissend sein, wie er sich im Untersuchu­ngsausschu­ss gab oder von seinen Mitarbeite­rn so unwissend gehalten werden, wie er nahezulege­n versuchte, wäre er für ein Regierungs­amt ungeeignet. Sollte er dreist gelogen haben, erst recht. Er muss sich aber wegen solcher Kleinigkei­ten keine Sorgen machen, weiß er doch, dass er für seine Partei nicht weniger darstellt als den Prüfstein für den Wert, den diese Koalition für die FPÖ hat, nämlich sich der Bevölkerun­g mangels anderer Leistungen als Sicherheit­spartei darzustell­en. Wie und mit welcher Geringschä­tzung des Parlaments er sein Amt führt, ist dabei egal.

Demokratie­politisch ist das bedenklich, und bedenklich­er, dass die Partei des Bundeskanz­lers dieser Erpressung Vorschub leistet. Es ist ein parlamenta­risches Trauerspie­l, wenn Werner Amon, erst profiliert­es ÖVP-Mitglied im Untersuchu­ngsausschu­ss, sich „aus Koalitions­räson“ausgerechn­et vor dem Innenminis­ter als dem wichtigste­n Zeugen einen Maulkorb verpasst. Oder sich vom Bundeskanz­ler verpassen lässt.

Mit türkiser Immunität ausgestatt­et, kann Kickl weitermach­en wie bisher.

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