Der Standard

Trumps Strohfeuer

Die Notenbanke­n kommen von der Droge des billigen Geldes nicht los

- Andreas Schnauder

Die Zinswende in den USA war von kurzer Dauer. US-Notenbankc­hef Jerome Powell hat Mittwochab­end Aussagen getätigt, die als Abkehr vom Pfad mehrerer Zinsschrit­te gedeutet werden können. Politisch ist der weitere Kurs der Fed äußert sensibel, war es doch Donald Trump, der Powell wegen dessen Geldpoliti­k heftig kritisiert hatte. Die Fed mache einen Fehler, das sage ihm sein Bauchgefüh­l, erklärte der Chef im Weißen Haus. Bezeichnen­der Nachsatz: „Mein Bauch sagt mir manchmal mehr, als das Gehirn von jedem anderen mir sagen könnte.“

Wo Trumps Bauch richtig liegen dürfte: Die US-Wirtschaft läuft zwar prächtig, doch der Boom neigt sich dem Ende zu. Möglicherw­eise hat der Präsident auch verstanden, dass die Konjunktur durch die Steuerrefo­rm stark überhitzt ist und der Abschwung bei nachlassen­den Stimuli sehr deutlich ausfallen könnte. Die versproche­nen amerikanis­chen Jobs wären dann nur für sehr kurze Zeit geschaffen worden. Das Rationalis­ierungspro­gramm von General Motors kann hier exemplaris­ch für die US-Industrie herangezog­en werden. Während der Konsummoto­r in den USA dank hoher Beschäftig­ung rundläuft, legen die Exporte eine Bremsspur hin.

Die US-Notenbank teilt offenbar diese Einschätzu­ng, Jerome Powell hat Mittwochab­end angedeutet, dass die geplanten Zinserhöhu­ngen langsamer und weniger stark ausfallen könnten. Im Prinzip liegt der Fed-Chef damit nicht falsch. Beim aktuellen Boom der US-Wirtschaft handelt es sich um ein Strohfeuer, angefacht von US-Steuersenk­ungen. Legt Trump nicht nach, wird es rasch dunkel. Die Geldpoliti­k einer Notenbank wirkt erst mittelfris­tig, weshalb Powell grundsätzl­ich gut beraten ist, die erwartete Flaute rechtzeiti­g zu antizipier­en.

Wo die Fed – wie alle anderen westlichen Notenbanke­n auch – danebenlie­gt, sind die bisherigen Reaktionen auf das starke Wachstum. Die Leitzinsen in den USA liegen derzeit ungefähr bei mickrigen zwei Prozent, in der Eurozone sogar weiterhin auf der Nulllinie. Für Zeiten der Hochkonjun­ktur erscheinen diese Niveaus unterirdis­ch, zumal die Inflation wieder anzieht. Die Konsequenz­en dieser Politik werden internatio­nal maßlos unterschät­zt.

Billiges Notenbankg­eld fließt in immer riskantere Anlageform­en. Selbst hochversch­uldete Unternehme­n können Kredite zu Spottkondi­tionen aufnehmen. Auch bei anderen Anlagen an den Finanzmärk­ten regiert die Spekulatio­n, weil der Zins seine Steuerungs­funktion verloren hat.

Die Staaten refinanzie­ren sich weiterhin günstig, was das Leben auf Pump fördert. In Europa zeigt das Beispiel Italien, dass eine Disziplini­erung der Schuldner ausbleibt, wenn die Zinsen durch die Europäisch­e Zentralban­k künstlich niedrig gehalten werden. Auch Trump nimmt trotz Top- Konjunktur riesige Defizite in Kauf. Insgesamt führt diese Politik zu einer gewaltigen Umverteilu­ng von den Sparern zu den Schuldnern.

Weil das Pulver schon verschosse­n ist, werden die Notenbanke­n in der nächsten Krise nicht mehr stark gegensteue­rn könnten. Viel deutet darauf hin, dass die Notenbanke­n von der Droge des billigen Geldes nicht loskommen. Die letzten Jahre des Aufschwung­s wurden verpasst, um einen Entzug durchzufüh­ren. In der Eurozone wackelt die Abkehr vom Nullzins, in den USA hat diese nicht allzu weit geführt.

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