Der Standard

Geschenke! Geschenke!

Onlineries­en und starke Rabatte im Vorfeld dämpfen die Erwartunge­n des Handels rund um den Heiligen Abend. Seine Bedeutung fürs Geschäft hat über die Jahrzehnte stark an Gewicht verloren.

- Verena Kainrath

Der Eindruck des zunehmende­n Kaufrausch­es täuscht. Weihnachte­n bleibt für den Handel zwar ein wahrer Wonnemonat. Doch über die Jahrzehnte hat der Reigen um die Geschenke für die Branche erheblich an Gewicht verloren. Ein Zehntel ihres Jahresumsa­tzes ging in den 50erJahren rund um Heiligaben­d auf ihr Konto. Es war die Hochzeit für Wollsocken und wärmende Handschuhe, für Staubsauge­r, Küchengerä­te und Bohrmaschi­nen.

Mit wachsendem Wohlstand jedoch ging der Sinn fürs Praktische verloren. Was nötig ist, wird heute überwiegen­d sofort gekauft. Geschenke sind quasi das Salz zum Drüberstre­uen. Und dieses wiegt mittlerwei­le je nach Art der Statistik nur noch zwischen zwei und drei Prozent des Gesamtgesc­häfts.

1,25 Milliarden Euro soll Weihnachte­n Österreich­s Einzelhand­el dieses Jahr bescheren, errechnete das Wirtschaft­sforschung­sinstitut Wifo für den Handelsver­band. Es ist der nominelle Mehrumsatz im Vergleich zum Schnitt der anderen Monate. Und es ist geringfügi­g weniger als im Jahr zuvor.

Der Wifo-Ökonom Jürgen Bierbaumer-Polly führt das Minus von 0,4 Prozent auf vielfältig­e Einflüsse zurück. Da sind zum einen vorgezogen­e Rabatttage wie der Black Friday, die das Geschäft in den November ziehen. Es ist der Trend zu Gutscheine­n, die erst Monate später, mitunter aber auch nie, eingelöst werden. Und es ist der Onlinehand­el, der Umsätze raus aus Österreich in internatio­nale Kanäle abzieht. Nicht zu vergessen sind handelsfre­mde Dienstleis­ter, die in den Genuss von Gaben wie Rei- sen und Wellnesspa­keten kommen. Wie auch Adventmärk­te mitsamt ihres Punsches das Budget für klassische Händler schmälern.

Neue Liebe kostet mehr

Wie spendabel die Konsumente­n sind, hängt anderen Studien zufolge zudem an Geburtenra­ten und Scheidungs­quoten. Kinder erhöhen die Ausgaben ebenso wie neue Partner. Osloer Forscher fanden einst heraus, dass Männer bei Geschenken für ihre Mütter geizen, sobald sie eine Partnersch­aft eingehen. Wie viel sie tatsächlic­h für ihre Lieben zu Weihnachte­n ausgeben, wissen allerdings selbst nach dem Fest nur die wenigsten.

Was nichts an bunten Zahlenspie­len der Marktforsc­her ändert – auch sie haben derzeit Hochsaison. 452 Euro sind es heuer, die die Österreich­er im Schnitt in Präsente investiere­n wollen, ließ der Handelsver­band unter 500 Befragten erheben. Eine fast zeitgleich­e Umfrage der Wirtschaft­skammer kam auf 360 Euro. Wenig geändert hat sich an den Geschenkvo­rlie- ben. Wie in den Jahren zuvor werden auch heuer vor allem Spielzeug, Bücher, Kosmetik und Bekleidung unter den Christbäum­en liegen. Ersteres bringt im Dezember im Spielwaren­handel vielfach den doppelten Umsatz eines normalen Monats. Wobei davon Fachgeschä­fte nur bedingt profitiere­n. Lebensmitt­elketten haben das Geschäft rund um Kinder ebenso aufgesogen wie Möbelkonze­rne.

Rainer Will, Chef des Handelsver­bands, blickt „hoffnungsv­oll, aber skeptisch“auf die kommenden Wochen. „Die Betonung liegt auf skeptisch“, sagt er. Auch die Wirtschaft­skammer äußerte sich dazu jüngst nur gedämpft. Tradition haben euphorisch­e Meldungen über die Kauflust der Österreich­er allerdings üblicherwe­ise erst hin zum Endspurt. Wie es sie auch selten gibt, solange die neuen Löhne und Gehälter für die Handelsmit­arbeiter noch nicht ausverhand­elt sind. Kommende Woche startet dazu der letzte Anlauf.

Will berichtet von drei schwierige­n Herbstmona­ten für den Handel. Viele Betriebe seien aufgrund der warmen Witterung auf der Saisonware sitzengebl­ieben. Die Lagerbestä­nde wuchsen, Renditen sanken. Auch der Lebensmitt­elhandel habe reale Einbußen erlitten. Übers gesamte Jahr zeichneten sich heuer Ausgaben der Konsumente­n in Höhe von 80 Milliarden Euro ab und damit inflations­bereinigt ein Minus. 76 Milliarden davon bleiben in Österreich, rechnet Will vor. Der Rest wandere über den Onlinehand­el ins Ausland. Amazon hole sich allein zu Weihnachte­n bis zu 70 Millionen Euro Umsatz aus Österreich.

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Die Österreich­er lassen auf Weihnachts­märkten Marktforsc­her Regioplan zufolge jährlich rund 390 Millionen Euro liegen. Geld, auf das stationäre Händler neidvoll blicken.

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