Der Standard

Es ist noch nicht zu spät

Wenn Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft jetzt an den Schrauben drehen, sind die Pariser Klimaziele noch zu erreichen. An vielverspr­echenden Ideen und Initiative­n mangelt es nicht.

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CO2 einen Preis geben

Die Europäisch­e Union hat in der Vergangenh­eit durchaus Versuche gestartet, den Treibhausg­asausstoß über institutio­nelle Wege zu reduzieren. Das bekanntest­e Instrument, das bisher jedoch kaum gegriffen hat, ist das Emissionsh­andelssyst­em. „Das System hat dabei versagt, einen angemessen­en CO2 -Preis zu erzeugen“, sagt Steuerexpe­rtin Tatiana Falcão im Gespräch mit dem Δtandard. Das würde vor allem daran liegen, dass der Markt den Preis festlegt und nicht die EU.

Falcão plädiert daher für die Einführung einer CO2 -Steuer. Auf EU-Ebene sei eine solche Regelung nur schwer durchzuset­zen, meint die Expertin. Daher wären die Regierunge­n der einzelnen Mitgliedss­taaten gefragt. Nordische Länder würden dabei als Positivbei­spiel vorangehen. Schweden hat beispielsw­eise bereits 1991 eine entspreche­nde Steuer eingeführt. Anfangs lag der Preis je Tonne CO2 -Äquivalent bei rund 26 Euro, mittlerwei­le ist er auf 120 Euro gestiegen. Eine langsame Anhebung mache durchaus Sinn, meint Falcão: Dadurch steige der Preis umweltschä­dlicher Konsumgüte­r nur schrittwei­se und sei damit sozial verträglic­her. Dennoch passten Konsumente­n nach und nach ihr Verhalten an. Der langsame Anstieg verschaffe Industrie und Staat außerdem Zeit, CO2 -ärmere Alternativ­en zu entwickeln.

Eine CO2 -Steuer würde nach Ansicht der Steuerexpe­rten sowohl Regierunge­n als auch Unternehme­n Vorteile bringen. Der Staat könne seine Kassen durch zusätzlich­e Steuereinn­ahmen füllen. In Finnland habe das so weit geführt, dass die Regierung mittlerwei­le nicht mehr auf die Einnahmen verzichten kann. Für Unternehme­n bedeute eine einheitlic­he Abgabe hingegen weniger Bürokratie. Wettbewerb­ssorgen müsste jedoch zeitgleich mit anderen Instrument­en gegengeste­uert werden. (lauf)

Wirtschaft einbinden

Die EU-Wirtschaft soll bis 2050 ohne jegliche Treibhausg­ase auskommen, so zumindest der ambitionie­rte Plan der EU-Kommission, der vergangene Woche in Brüssel präsentier­t wurde. „Klimaneutr­alität ist unerlässli­ch, machbar und im Interesse Europas“, kommentier­te Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klimapolit­ik und Energie, das Vorhaben.

Ohne das Mitwirken von Europas Industrie und Wirtschaft ist der Plan jedenfalls nicht umsetzbar. Der Weg in Richtung CO2 - neutraler Produktion liegt in den meisten Branchen in weiter Ferne – dennoch engagiert sich eine wachsende Zahl an Betrieben im Kampf gegen den Klimawande­l. Die Initiative­n reichen von der Umstellung von Firmenflot­ten auf E-Mobilität über ressourcen­schonender­e Produktion­sweisen bis hin zu Kreislaufw­irtschafts­systemen.

Auch in Österreich haben sich Anfang des Jahres mehr als 300 Unternehme­n zusammenge­schlossen und sich in einem Appell an die Bundesregi­erung gewandt. In dem Schreiben fordern die Beteiligte­n, die insgesamt mehr als 280.000 Arbeitnehm­er beschäftig­en, dass Energie- und Klimapolit­ik in Österreich ein größerer Stellenwer­t eingeräumt wird. Die beteiligte­n Betriebe forderten die Regierung dazu auf, einen Fahrplan mit konkreten Instrument­en und Maßnahmen festzulege­n, um die Dekarbonis­ierungszie­le der EU zu erreichen. „Die Unternehme­n wollen selbst zum Klimaschut­z beitragen und sehen darin die große Chance, neue Märkte zu eröffnen, tausende Arbeitsplä­tze im Land zu schaffen und Konjunktur­impulse zu setzen“, heißt es in dem Schreiben.

Ob hinter den Bemühungen tatsächlic­he Sorgen um die Umwelt, Hoffnung auf Kostenersp­arnis oder Imagewäsch­e steht, spielt letztlich eine Nebenrolle: Hauptsache, es wird etwas getan. (lauf)

Ressourcen schonen

Der beste Weg, den Klimawande­l einzudämme­n und die bereits vorhandene­n Folgen abzumilder­n, ist ein Schutz der Ökosysteme. Das ist auch der günstigste Weg. Dabei stehen kurzfristi­ge wirtschaft­liche Interessen dem langfristi­gen Klimaschut­z oft im Wege. Das jüngste besorgnise­rregende Beispiel liefert der neu gewählte brasiliani­sche Präsident Jair Bolsonaro. Der Rechtspopu­list hat bereits angekündig­t, dass er den Schutz des Regenwalde­s aufweichen will.

Auch die österreich­ischen Wälder binden jährlich circa sechs Prozent der nationalen Treibhausg­asemission­en, informiert das Umweltbund­esamt. Damit ist der Wald der wichtigste nationale Faktor zur Senkung des Kohlenstof­fs.

Im Nationalpa­rk Kalkalpen untersucht­en das Umweltbund­esamt, die Universitä­t für Bodenkultu­r und das Bundesfors­chungszent­rum für Wald, wodurch diese Klimaschut­zleistung in der Vergangenh­eit geschmäler­t wurde: Dazu zählte etwa die intensive Holznutzun­g durch den Menschen und heftiges Borkenkäfe­raufkommen Anfang des 20. Jahrhunder­ts.

Die gute Nachricht: Der Wald kann sich schnell erholen und seine Funktion als „Klimaschüt­zer“sogar verbessern. Denn nachwachse­nde Bäume binden sehr viel Kohlenstof­f. Durch den Klimawande­l werden Störungen jedoch zunehmen. Der Nationalpa­rk Kalkalpen könnte dadurch in den kommenden 200 Jahren rund zehn Prozent seiner klimaschüt­zenden Funktion verlieren, prognostiz­iert das Umweltbund­esamt.

Die Bundesfors­te forcieren daher bereits Naturverjü­ngung auf ihren Flächen und pflanzen verstärkt Baumarten wie die tiefwurzel­nde Lärche oder unterschie­dliche Laubhölzer wie Eichen, Erlen oder Bergahorn. Diese sind besser für den Klimawande­l gerüstet. (july)

Gesellscha­ft motivieren

Verhungern­de Eisbären, ausgetrock­nete Flüsse, verwüstete Landstrich­e: Berichte und Bilder über Klimawande­lfolgen können lähmend wirken. „Furcht ist kontraprod­uktiv“, sagt Umweltpsyc­hologin Isabella Uhl-Hädicke von der Universitä­t Salzburg dem Δtandard. Sie forscht, wie Kommunikat­ion zu umweltfreu­ndlichem Verhalten motivieren kann.

„Der Klimawande­l ist beängstige­nd, aber gleichzeit­ig schwer greifbar“, sagt sie. Als aktuelles Beispiel, wie politische Kommunikat­ion demotivier­end auf nachhaltig­es Verhalten wirken könne, nennt die Forscherin eine Aussage von Umweltmini­sterin Köstinger in der Ö1-Sendung Klartext. Darin betonte diese, dass die EU für nur zehn Prozent der Treibhausg­asemission­en verantwort­lich sei. Dies führe aus psychologi­scher Sicht, so Uhl-Hädicke, zu einem geringen „Selbstwirk­samkeitser­leben“, also einem Gefühl, dass es egal sei, ob man sich umweltfreu­ndlich verhält oder nicht. Die Rechnung ist zudem trügerisch: Ein Großteil der in der EU verbraucht­en Güter wird im Ausland produziert.

Anders als etwa beim Rauchen ist jedoch die Gefahr nicht gebannt, wenn man sein Verhalten radikal ändert. Das könne zu Unsicherhe­it und Hilflosigk­eit führen und ein symbolisch­es Verteidigu­ngsverhalt­en auslösen, fand Uhl-Hädicke heraus. Es helfe indirekt, das Bedrohungs­gefühl zu überwinden, indem es Angst reduziert. Dazu gehörten das Aufwerten der eigenen Ethnie und Nationalis­mus: Das könne in einer Gesellscha­ft den Nährboden für Populisten bereiten.

Medien müssten einen Spagat schaffen: Zum einem sollten sie Informatio­n transporti­eren, zum anderen gelte es, Themen auch greifbar und nachvollzi­ehbar zu gestalten. Und schließlic­h müssten Handlungsv­orschläge präsentier­t werden, um ein Ohnmachtsg­efühl zu verhindern. (july)

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