Polizei empfiehlt erneut Anklage gegen Netanjahu
Geht es nach den Korruptionsermittlern, könnte die israelische Justiz auch in einem dritten Fall gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu aktiv werden – dieser streitet alle Vorwürfe vehement ab.
Es war der letzte Tag im Amt von Polizeichef Roni Alsheich – und er nutzte ihn, um „auf den letzten Drücker“noch eine Bombe platzen zu lassen: Regierungschef Benjamin Netanjahu soll nun auch in einem dritten Fall wegen Bestechung und weiterer Korruptionsvorwürfe angeklagt werden, so empfiehlt es nun die israelische Polizei. Ebenfalls empfohlen wurde eine Anklage gegen Netanjahus Ehefrau Sara, gegen Medienmogul Shaul Elovitch sowie gegen dessen Frau Iris und vier weitere Beteiligte.
Es geht in dem sogenannten „Fall 4000“um einen Quid-proquo-Deal zwischen Netanjahu und Elovitch: Der Regierungschef, der bis 2017 zusätzlich auch Kommunikationsminister war, soll sich dafür eingesetzt haben, dass das Telekommunikationsunternehmen Bezeq wirtschaftliche Vorteile erhält. Elovitch, der nicht nur größter Anteilseigner von Bezeq ist, sondern auch Eigentümer des großen Nachrichtenportals Walla und obendrein ein alter Freund Netanjahus, habe im Gegenzug dafür gesorgt, dass Walla positiver über die Netanjahus berichtet.
Nach Angaben der Polizei wurden Beweise gefunden, denen zufolge Netanjahu und einige seiner Vertrauten unverhohlen und manchmal sogar täglich in von Walla veröffentlichte Inhalte eingegriffen hätten. Sie hätten auch versucht, auf die Ernennung hochrangiger Redakteure und Reporter Einfluss zu nehmen, in- dem Netanjahu seine Beziehungen habe spielen lassen.
Bereits im Februar hatte der Geschäftsführer von Walla der Polizei Aufnahmen vorgelegt, die belegen sollten, wie Elovitch positive Berichterstattung über Netanjahu und dessen Familie forderte.
Reaktion via Facebook
Damals sagte auch der ehemalige Generaldirektor des Kommunikationsministeriums, Shlomo Filbe, als Kronzeuge aus, Netanjahu habe ihn aufgefordert, Regulierungen durchzusetzen, die Bezeq zugutekommen.
Nach der Veröffentlichung des polizeilichen Kommuniqués am Sonntag reagierte Netanjahu umgehend auf seiner Facebook-Seite: Empfehlungen der Polizei hätten keinen rechtlichen Status, und schon in anderen Fällen seien die diese Empfehlungen abgelehnt worden. „Ich bin mir sicher, dass auch in diesem Fall die zuständigen Behörden, nachdem sie die Sache untersucht haben, zum gleichen Ergebnis kommen werden: Dass es da nichts gab, weil es da nichts gibt.“
Ob es am Ende zu einer Anklage kommt oder nicht, muss Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit entscheiden – und das kann noch Monate dauern.
Außerdem schrieb Netanjahu, das „offensichtliche Timing“der Veröffentlichung sei nicht überraschend – womit er auf den letzten Arbeitstag des Polizeipräsidenten ansprach. Roni Alsheich muss gehen, nachdem der Minister für In- nere Sicherheit, Gilad Erdan, dessen Amtszeit nicht verlängerte: Netanjahu und seine Unterstützer haben dem Polizeichef stets vorgeworfen, die Ermittlungen gegen den Ministerpräsidenten zu orchestrieren.
Opposition fordert Rücktritt
Unterdessen wurden Forderungen nach Netanjahus Rücktritt laut. Oppositionsführerin Tzipi Livni schrieb auf Twitter: „Netanjahu muss gehen, bevor er die Strafverfolgungsbehörden zerschlägt, um seine Haut zu retten. Das jüdische Volk verdient eine saubere Führung. Wahlen jetzt!“
Bereits Anfang des Jahres hatte die Polizei in zwei weiteren Korruptionsfällen eine Anklage gegen den Premier empfohlen: Netan- jahu soll im sogenannten „Fall 1000“teure Geschenke angenommen und dafür unter anderem versucht haben, dem Hollywood-Produzenten Arnon Milchan Steuervorteile zu verschaffen.
Im „Fall 2000“geht es um eine Absprache mit Arnon Mozes, dem Herausgeber der großen Tageszeitung Yedioth Ahronoth: Wenn das Blatt positiver über Netanjahu berichte, wolle er – Netanjahu – im Gegenzug das Gratiskonkurrenzblatt Israel Hayom in Zaum halten, hieß es damals in Ermittlungsunterlagen.
Netanjahu, der bis heute seine Unschuld in allen drei Fällen beteuert, hat bereits vor Monaten angekündigt, selbst im Falle einer Anklage nicht zurücktreten zu wollen.