Der Standard

Plastiksac­kerl wird im Handel zum Auslaufmod­ell

Österreich­s Regierung will Kunststoff­taschen im Handel ab 2020 flächendec­kend verbieten. Maßnahmen, wie Konsumente­n stattdesse­n zu Mehrwegsac­kerln greifen sollen, stehen noch aus.

- Verena Kainrath

Es liegt noch nicht viele Jahre zurück, da wehrte sich Österreich­s Umweltmini­sterium mit Händen und Füßen gegen ein Verbot des Plastiksac­kerls. Man redete sich auf die EU-Verpackung­sverordnun­g aus, die das verhindere, und betonte die Wahlfreihe­it der Konsumente­n, die ohnehin zunehmend zu biologisch abbaubaren Kunststoff­sackerln griffen. Auch Vertreter der Wirtschaft­skammer sahen keinen Handlungsb­edarf. Die schlechter­e Umweltbila­nz des Plastiks sei längst nicht bewiesen, hieß es da. Die Politik dürfe Händler nicht mit Überreguli­erung überforder­n, die Kaufkraft sei schon fragil genug.

Mittlerwei­le ist vieles anders. Frankreich hat nichtkompo­stierbare Plastiksac­kerln im gesamten Land ebenso verboten wie Italien. Auch in Ländern wie Bangladesc­h, Bhutan, Burundi und Marokko sind sie tabu. Selbst Papua-Neuguinea und Ruanda zogen sie per Gesetz aus dem Verkehr. Ab 2020 soll sich auch Österreich in die Liste einreihen.

Die Bundesregi­erung will ein komplettes Verbot von Plastiksac­kerln im Handel beschließe­n. Davon ausgenomme­n sind nur jene, die sich innerhalb eines halben Jahres zu mindestens 90 Prozent zu Wasser, CO und Biomasse abbauen lassen. Papiersäck­e sind weiterhin zugelassen. Ausnahmen für In-den-Verkehr-Bringer wie Würstelstä­nde, Kebabbuden, Bäckereien und Apotheken gibt es nicht. Die Regierung verspricht jedoch Lösungen und Übergangsr­egelungen für Kleinunter­nehmer.

Parallel dazu dürfen in zwei Jahren Mikroplast­ikpartikel nicht mehr Kosmetikpr­odukten und Reinigungs­mitteln beigemengt werden – sofern es bis dahin keine europäisch­e Lösung gibt. Ziel sei es, in Österreich bis 2025 nachweisli­ch ein Viertel bis ein Fünftel aller Plastikver­packungen zu reduzieren. Das entspricht einem Volumen von rund 60.000 Tonnen Plastik.

Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) spricht von einem „großen Tag in der Umweltpoli­tik“. Auf diesen folgt fast unmittelba­r der Beginn der UN-Klimakonfe­renz in Polen, bei der Österreich den EURatsvors­itz hat. Der Zeitpunkt sei also bewusst gewählt, sind sich Beobachter einig. Köstinger war aufgrund ihrer Klimapolit­ik zuvor stark in die Defensive geraten.

Die genaue Ausgestalt­ung des Sackerlver­bots ist noch offen. Zugute kommt es auf jeden Fall einem wichtigen Teil der Klien- tel der Ministerin: Bauern etwa, die Rohstoffe für Bioplastik anbauen. Auch Verbände wie jener für Biogas setzen sich vehement für kompostier­bare Einwegsäck­e ein.

750 Millionen Plastiksac­kerl werden im österreich­ischen Handel jährlich ausgegeben, schätzt Greenpeace. Nicht eingerechn­et sind jene, die etwa von Marktstand­lern und Bäckern gereicht werden. Weitere 388 Millionen dienen dem Einpacken von Obst und Gemüse. Für ein Verbot sei es also hoch an der Zeit, sagt Greenpeace-Sprecher Lukas Hammer. Dieses müsse aber mit einem Verbot der Gratisabga­be anderer Wegwerfsäc­ke einhergehe­n. Sonst verlagere sich das Problem hin zu Bioplastik, das nicht weniger umstritten ist, und zu Papier, dessen CO -Abdruck viel Luft nach oben hat.

Händler gehörten zu einem Mindestpre­is verpflicht­et, sagt Hammer. In Irland habe dieser seit 2008 zur Verringeru­ng der Einwegsäck­e um gut 90 Prozent geführt.

Rainer Will, Chef des Handelsver­bands, sieht im Verbot einen drastische­n Schritt, auf den weitere folgen müssen, um ein faires Spiel in der Branche zu gewährleis­ten. Was für den stationäre­n Handel gelte, müsse auch für internatio­nale Onlinehänd­ler Pflicht werden. Diese sorgten beim Paket- versand für einen weit höheren Einsatz von Plastik, betont er und erinnert an Berge von Müll, für die es keinerlei Regulierun­g gebe.

Österreich­s sei mit der freiwillig­en Vereinbaru­ng, auf Säcke bei der Kassa zu verzichten, schon jetzt Vorreiter in der EU, ergänzt Will. Im Vorjahr seien damit 110 Millionen Tragtasche­n eingespart worden.

Vor allem im Lebensmitt­elhandel müssen Kunden für Sackerln an der Kassa fast durchwegs einige Cent bezahlen. MPreis verspricht, bis Jahresende auch Obst und Gemüse flächendec­kend nur in wiederbefü­llbaren, waschbaren Beuteln abzugeben.

Weitaus geringer ist das Engagement für den Sackerlver­zicht im Modehandel. Dieses wird meist weiter ungefragt kostenlos ausgehändi­gt. 80 Millionen Stück gehen in der Branche jährlich über den Kassatisch.

Teller, Tankstelle, Verpackung

Christian Pladerer, Vorstand des Österreich­ischen Ökologiein­stituts, begrüßt vor allem die Einschränk­ung von Mikroplast­ik. Ob das Plastiksac­kerlverbot wirklich ein großer Wurf ist, stellt er infrage. Die Alternativ­en Papier und Bioplastik seien nur bedingt sinnvoll, solange die Produktion derselben Argarfläch­en für sich beanspruch­e. „Es darf keine Konkurrenz zwischen Teller, Tankstelle und Verpackung geben.“

Was den Abfall betrifft, so bedeute in Österreich weniger das Kunststoff­sackerl als die Plastikfla­sche ein ernstes Problem. Eine Studie seines Instituts in Salzburg ergab: 76 Prozent des Mülls, dessen man sich unsachgemä­ß entledigt hatte, waren Getränkeve­rpackungen.

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Leicht, langlebig, ungeliebt: Das Plastiksac­kerl steht vor einer Zerreißpro­be.

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