Moratorium im US-Handelsstreit mit China
Viel mehr als einen brüchigen Burgfrieden haben die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer bei ihrem G20-Treffen in Buenos Aires nicht gezimmert. Zum Kampf gegen Protektionismus reichte die Einigkeit nicht mehr. Immerhin, im Handelsstreit mit China wird weitergeredet. Welche Folgen das für die EU hat, ist fraglich.
Das wichtigste Ereignis des G20-Gipfels fand nach dessen Ende statt. Als die meisten Staats- und Regierungschefs längst abgereist sind, sitzen zwei der Mächtigsten beim Abendessen in einem Luxushotel in Buenos Aires und entschärfen einen Streit, der die Weltwirtschaft massiv zu belasten droht.
US-Präsident Donald Trump und der chinesische Staatschef Xi Jinping kommen nach monatelanger Auseinandersetzung überein, sich ab dem 1. Jänner nicht mehr mit zusätzlichen Zöllen zu bekriegen – und weiterzuverhandeln.
Die USA und China vereinbarten, binnen 90 Tagen ihre Streitigkeiten beizulegen und in dieser Zeit auf Zollerhöhungen zu verzichten. Und: China sagte zu, mehr US-Produkte zu kaufen. Laut US-Präsidialamt werden die Vereinigten Staaten dafür zunächst davon absehen, die Zölle auf chinesische Importgüter im Wert von weiteren 200 Milliarden Dollar ab Jänner auf 25 Prozent zu erhöhen. Derzeit liegen sie bei zehn Prozent.
Trump sagte, China öffne seine Märkte, was ein guter Deal sei. Konkret wollen die USA Zugeständnisse bei den Streitthemen Technologietransfer, Schutz geistigen Eigentums, Handelsbarrieren, Cyber-Diebstahl und Landwirtschaft erreichen. Die Regierung in Peking habe zugesagt, eine „sehr substanzielle“Menge Agrarprodukte, Industriegüter, Energieträger und andere Produkte aus den USA einzuführen. Auch sei China offen dafür, grünes Licht für eine Fusion der Halbleiterhersteller Qualcomm und NXP zu geben, sollten die beiden Konzerne entsprechende Pläne vorlegen.
Gefahr für Europa
Keine Deals gab es hinsichtlich der angedrohten zusätzlichen Zölle auf EU-Güter. Trump sprach mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel aber von einem Abbau des US-Handelsdefizits mit Deutschland. „Wir haben ein enormes Handelsungleichgewicht, aber wir werden das ändern“, so Trump. Die EU befürchtet, dass die USA in den kommenden Tagen neue Strafzölle verhängen, obwohl dies eigentlich laut einer Vereinbarung von Trump mit EU-Kommissionschef JeanClaude Juncker unterbleiben soll. Besonders betroffen sein könnten deutsche Automobilhersteller.
Die Chefs von Volkswagen, Daimler und BMW werden am Dienstag im Weißen Haus erwartet. Die CDU-Politikerin Annegret Kramp-Karrenbauer warnte vor Nebenabsprachen mit der US-Regierung. „Ich beobachte das auf jeden Fall mit einer hohen Aufmerksamkeit.“Es müsse eine starke Position der EU geben.
Merkel sagte, es sei trotz ihrer Verspätung (aufgrund einer Flugzeugpanne, Anm.) wichtig gewesen, zum G20-Treffen zu kommen. Es sei jede Stimme von Bedeutung, „die sich für die multilateralen Zusammenhänge einsetzt. Denn es gibt hier doch sehr viele, die des vielleicht schätzen, dass Deutschland zu diesen Stimmen dazugehört.“
In der Abschlusserklärung bekennen sich die G20-Regierungen trotz Differenzen zu internationaler Zusammenarbeit, etwa im Kampf gegen Steuervermeidung durch Konzerne. Streitpunkte wie Handel, Klima oder Migration kommen zwar vor – meist aber in allgemeiner Form. Das Wort „multilateral“findet sich dreimal in der Erklärung. So wird etwa anerkannt, dass ein internationales Handelssystem einen Beitrag zum Wachstum, zur Innovation und zur Schaffung von Arbeitsplätzen geleistet habe. Dann heißt es: „Das System bleibt gegenwärtig hinter seinen Zielsetzungen zurück, und es gibt durchaus Spielraum für Verbesserungen. Wir unterstützen daher die notwendige Reform der WTO, um ihre Arbeitsweise zu verbessern.“Es geht insbesondere um die Reform der Streitschlichtungsverfahren.
Zumindest kein Scheitern
Mit der WTO-Reform hat das von 25.000 Sicherheitskräften bewachte Treffen zumindest ein konkretes Ergebnis. Von der Schlusserklärung kann man das nicht behaupten. Aber dass es die Erklärung gibt, ist schon ein Erfolg. Ein Scheitern wäre ein Offenbarungseid gewesen. Bei den Themen Migration und Handel hingegen gelingen nur notdürftige Kompromisse. Auf ein Bekenntnis gegen Protek- tionismus können sich die G20 nicht mehr einigen – Trump will sich die Option von Strafzöllen offenhalten, die das Stottern des Motors der weltweiten Konjunktur allerdings verstärken dürfte.
Bleibt die Reform der Welthandelsorganisation WTO mit neuen Spielregeln im Handel untereinander. Die Multilateralisten, die gegen Nationalismus und für internationale Regeln und Institutionen kämpfen, verbuchen dies als Erfolg, weil die WTO nicht grundsätzlich infrage gestellt werde. Aber auch die Amerikaner jubeln: Endlich, heißt es aus dem Weißen Haus, sei der Reformbedarf bei der WTO erkannt.
Im Kampf gegen Steuerbetrug bleibt man vage: mehr Datenaustausch und Kontrolle jener Staaten, die mangelhaft mitmachen. Und: Zur Bekämpfung neuer Finanzkrisen solle der Internationale Währungsfonds gestärkt werden. (dpa, Reuters)