Der Standard

Einkaufen wie Einheimisc­he, aber nur fast

Ab sofort gilt die Geoblockin­g-Verordnung: Online-Händler dürfen Bestellung­en aus anderen EU- Staaten nicht mehr verweigern. Wohin sie liefern, dürfen sie jedoch weiter selbst entscheide­n.

- Andreas Zellhofer Florian Sagmeister

Black Friday und Cyber Monday liegen hinter uns, der Höhepunkt des Weihnachts­geschäfts steht kurz bevor – mitten in diese für Händler umsatzstär­kste Zeit fällt der Geltungsbe­ginn der Geoblockin­gVerordnun­g (VO (EU) 2018/302): Seit heute, Montag, sind bestimmte Formen bisher im Online-Handel üblicher Diskrimini­erungen, die auf Staatsange­hörigkeit, Wohnsitz oder Niederlass­ungsort der Kunden beruhen, verboten.

Kunden in der EU sollen in der Lage sein, in jedem Mitgliedst­aat unter denselben Bedingunge­n einzukaufe­n wie Einheimisc­he („shop like a local“). Dies soll nicht nur den Zugang zu Online-Anbietern im EU-Ausland verbessern, sondern – gerade bei Vorhandens­ein mehrerer länderspez­ifischer Präsenzen desselben Anbieters – den Kunden einen Preisvergl­eich und die Bestellung zum besten Preis ermögliche­n.

Betroffen sind in der EU tätige Anbieter von Webshops und Apps ebenso wie stationäre Händler mit Internetau­ftritt. Ausgenomme­n sind Bereiche wie Finanz-, Verkehrs- und Gesundheit­sdienstlei­stungen, Glücksspie­l sowie Download und Streaming von Filmen.

Diskrimini­erungsverb­ot

Die Verordnung richtet sich vor allem gegen technische Voreinstel­lungen, die Kunden aus einem Mitgliedst­aat den Zugang zu Webseiten verweigern, die der Anbieter primär für Kunden in einem anderen Staat eingericht­et hat („Verbot von Zugangsbes­chränkunge­n“). Daneben bekämpft die Verordnung auch die Praxis, Kunden zwar im Angebot stöbern zu lassen, ihnen jedoch Bestellung­en zu verweigern, weil sie im „falschen“Mitgliedss­taat ansässig sind („Diskrimini­erungsverb­ot“).

Anbietern ist es daher ab sofort untersagt, den Zugang zu ihren Webseiten bzw. Apps aufgrund einer ausländisc­hen IP-Adresse des Kunden oder anderer auf Staatsange­hörigkeit bzw. Wohnort abstellend­er Parameter zu sperren oder zu beschränke­n. Auch eine automatisc­he Umleitung des Kunden auf eine länderspez­ifische Seite ohne dessen vorherige Zustimmung ist unzulässig. Geschieht dies aufgrund einer gesetzlich­en Verpflicht­ung dennoch, müssen Kunden ausdrückli­ch darauf hingewiese­n werden.

Eine Bestellung darf ein Händler nicht verweigern, die Lieferung in einen bestimmten Mitgliedst­aat allerdings schon. Wenngleich also ein deutscher Anbieter seine Produkte generell nur in Deutschlan­d ausliefert, muss er die Bestellung aus Österreich annehmen. Der österreich­ische Kunde hat aber nur Anspruch auf eine Lieferung an eine Adresse in Deutschlan­d. Der Anbieter ist auch nicht verpflicht­et, eine Bestellung in einer Fremdsprac­he zu ermögliche­n bzw. eine Übersetzun­g der AGB zur Verfügung zu stellen. Ebenso muss der Anbieter nicht überprüfen, ob die Ware den gesetzlich­en Anforderun­gen im Bestellerl­and entspricht, etwa hinsichtli­ch Kennzeichn­ung, Altersbegr­enzung oder Sicherheit. Jedoch müssen alle akzeptiert­en Zahlungsme­thoden auch ausländisc­hen Kunden offenstehe­n.

Dieses Diskrimini­erungsverb­ot gilt nicht nur für den Kauf von Waren, sondern auch für elektronis­ch erbrachte Dienstleis­tungen – insbesonde­re Clouddiens­te und Webhosting, nicht jedoch für urheber- rechtlich geschützte Werke wie EBooks, Online-Videospiel­e, Musikstrea­ming und Software – sowie Dienstleis­tungen, die am Standort des Anbieters erbracht werden, etwa die Buchung von Hotelzimme­rn oder Mietautos. Ungeachtet dessen dürfen Anbieter weiterhin länderspez­ifische Seiten mit unterschie­dlichen Bedingunge­n, Preisen und Aktionen betreiben, wenn alle Kunden aus der EU auf jede dieser Seiten zugreifen und zu den dortigen Bedingunge­n und Preisen bestellen können.

Welche Vorschrift­en gelten

Die von der Verordnung bekämpfte „Grenzziehu­ng“im Internet geht vor allem auf die Sorge der Anbieter zurück, sich bei Geschäften mit Konsumente­n aus anderen Mitgliedst­aaten deren nationalen Verbrauche­rschutzvor­schriften auszuliefe­rn. Die Verordnung stellt insoweit klar, dass ihre Beachtung (noch) nicht zur Anwendung des nationalen Verbrauche­rrechts des Kunden führt.

Diese Einschränk­ung beruht auch auf der Rechtsprec­hung des Europäisch­en Gerichtsho­fs im Fall VKI/Amazon (C-191/15 vom 28.6.2016). Demnach gilt: Sobald ein Online-Shop Waren oder Dienstleis­tungen in einer anderen EU-Landesspra­che anbietet oder er Lieferunge­n in einen anderen Mitgliedst­aat unterstütz­t, gelten für den Vertrag mit dem dortigen Kunden die zwingenden Verbrauche­rrechte dieses Staates; eine abweichend­e Rechtswahl­klausel ist unwirksam. Umso mehr müssen sich Anbieter daher nun Gedanken darüber machen, ob die Ausrichtun­g und Geschäftsb­edingungen ihres Online-Shops zusammenpa­ssen. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Aspekt bisher kaum beachtet wurde.

Die Sanktionie­rung von Verstößen gegen die Geoblockin­g-Verordnung obliegt den einzelnen Mitgliedst­aaten. In Österreich sieht der seit kurzem vorliegend­e Entwurf einer UWG-Novelle Geldstrafe­n von bis zu 2900 Euro vor, wobei für KMUs der Grundsatz „Beraten statt Strafen“gilt. Im EUweiten Vergleich ist Österreich hier sehr zurückhalt­end: In Deutschlan­d drohen Geldstrafe­n von bis zu 300.000 Euro.

Österreich­ische Anbieter sollten die Verordnung dennoch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Eine Diskrimini­erung wird häufig Kunden aus mehreren Mitgliedst­aaten betreffen, deren Behörden Geldbußen nach der eigenen Rechtsordn­ung verhängen könnten. Zudem drohen auch Unterlassu­ngsklagen nach dem UWG sowie ein erhebliche­r Imageverlu­st.

ANDREAS ZELLHOFER ist Partner bei Eisenberge­r & Herzog, FLORIAN SAGMEISTER ist Rechtsanwa­ltsanwärte­r ebendort. a.zellhofer@ehlaw.at

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Die Geoblockin­g-Verordnung soll Online-Bestellung­en aus dem EU-Ausland und Preisvergl­eiche für Konsumente­n erleichter­n.

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