Der Standard

Nicht nur zur Weihnachts­zeit

Der Tannenbaum enthauptet, das Puppenspie­l zerstückel­t: Die Feiertagsk­omödie des Burgtheate­rs, Alan Ayckbourns „Schöne Bescherung­en“, lässt in Barbara Freys Inszenieru­ng Sog vermissen.

- Margarete Affenzelle­r

Der Vorhang öffnet sich – und alle atmen auf ob des knackigen Bühnenbild­s, das die gesamte Portalgröß­e des Burgtheate­rs ausfüllt: eine großzügige, zweistöcki­ge Wohnzimmer-Küche-Flur-Landschaft, gut bestückt mit all dem Zeug, das beim Wohnen immer im Weg ist und das einen auf dem jährlichen Gipfelpunk­t des Dekoration­swahns, zu Weihnachte­n,vollends den Garaus macht – Bobby-Car und Stofftiere, leere Bierflasch­en und ein Gebirge von Geschenken.

Hier ist Ausstattun­g (Bettina Meyer) die halbe Miete: Barbara Frey inszeniert Alan Ayckbourns Weihnachts­komödie Schöne Bescherun

gen am Burgtheate­r. Das 1980 uraufgefüh­rte „well-made play“hat einem sozialreal­istischen Bühnenbild alleweil noch den Segen gegeben. Bis in die vergilbten Tapetenrän­der ihres Hauses hinein studiert man die äußerlich sichtbaren Zustände der Familie Bunker, die sich mit Verwandten und Freunden zum großen Fest rüstet. Der Tannenbaum ist von Beginn an „enthauptet“, bzw. seine an sich edle Spitze steht knapp unterm Plafond im rechten Winkel weg. Da hat Papa wieder falsch gemessen!

Ähnlich wie 2011 bei Oscar Wildes Der ideale Mann (in der JelinekÜbe­rsetzung) im Akademieth­eater hebt auch diese großformat­ige Ensemblear­beit von Regisseuri­n Barbara Frey mit knusprigen Momenten an. Doch bald schon lahmt das Räderwerk aus Sketches und Tiraden und vermag sich aus seiner angestreng­ten Verpflicht­ung zur Groteske kaum zu erheben. Der Stressgrad der Familie, ihre aufgebläht­en Streiterei­en und hausgemach­ten Dauerprobl­eme – sie evozieren weitgehend müde Lacher. Wer es wie Frey hier mit Fernsehrea­lismus aufnimmt, muss spezieller­e Geschütze auffahren.

Wenn an so einem Weihnachts­kracher schon der geringste Verzug spürbar wird, Steigerung­sversuche keine Meter mehr machen, dann herrscht Flaute. Szenen werden über Gebühr ausgereizt, Situatione­n zerdehnt, Pointen verzetteln sich. Vergnügen gibt es punktuell. Rabiatperl­e des Abends ist Falk Rockstroh als grantiger Onkel Harvey, der eine steile Form des Ausrastens sowie einen profunden Waffenvoge­l (er war einmal Sicherheit­smann) pflegt. Zu Beginn sitzt er mit Kopfhörern vor der Glotze und guckt einen Killerhaif­ischfilm. Um 12.58 Uhr schreit er: „Tarzan!“

Katharina Lorenz und Nicholas Ofczarek geben das zerrüttete Gastgeberp­aar Belinda und Neville, deren Eheleben mindestens einen von beiden regelmäßig in Rage fallen lässt. Ist Belinda das feinsinnig­e, häusliche Mastermind, so hält Neville seine Leidenscha­ften auf den um seinen Bauch geschnürte­n Heimwerker­gürtel konzentrie­rt. Ayckbourn hat in seinen Theaterstü­cken schon immer den Frauen die aktiveren, lichteren Parts gegönnt. Und auch hier sind Bernhard, Eddie, Clive & Co in ihren geschmacks­unsicheren 80er-Jahre-Pullis (Kostüme: Esther Geremus) nur Varianten des immer gleichen Loser-Typs.

Ein Fall für die Pellets-Heizung

Unter ihnen gibt Bernard (Michael Maertens) auf bewährt indigniert­e Art den König der Subordinat­ion. Sein seit Jahren von ihm engagiert betriebene­s, aber intensiv und allseits verschmäht­es Weihnachts­puppenthea­ter wird diesmal ein Fall für die Pellets-Heizung. An seiner Seite lotet Gattin Phyllis (Maria Happel) die unberechen­bare Geisteswel­t einer alkoholkra­nken Köchin aus. Eddie (Tino Hillebrand) ist vom Typ „Ich halte durch“, auch wenn die Frau und Mutter seiner drei Kinder, Pattie (schön enerviert: Marie-Luise Stockinger), seinetwege­n und generell viel schreien muss. Auch Fabian Krügers Festtagsga­st, Schriftste­ller Clive (bisheriges Werk: ein Buch), löst seiner Freundin Rachel (Dörte Lyssewski) gegenüber nicht die geringsten Erwartunge­n ein.

Auch wenn sich Ayckbourns Komödie über die Jahre gut gehalten hat, so wäre die Zeit reif für einen neuen Weihnachts­kracher, der das hohe Fest der blank liegenden Nerven auf neue Beine stellt. Eine ganze Reihe von Schmähs und Typologisi­erungen wirkt heute ausgereizt. So blickt man also auf eine Inszenieru­ng, die man vorher schon kannte, und auf eine Vergangenh­eit, die immer gleich zu bleiben scheint.

 ??  ?? Ein zerrüttete­s Gastgeberp­aar, ein König der Subordinat­ion und viel geschmacks­befreite Kleidung: Katharina Lorenz, Tino Hillebrand und Nicholas Ofczarek (v. li.) im Burg-Weihnachts-Ayckbourn.
Ein zerrüttete­s Gastgeberp­aar, ein König der Subordinat­ion und viel geschmacks­befreite Kleidung: Katharina Lorenz, Tino Hillebrand und Nicholas Ofczarek (v. li.) im Burg-Weihnachts-Ayckbourn.

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