Der Standard

Ein Viertel der Mittel ist nicht genug

Preisgelde­r, Lehrstühle und Stabsstell­en der österreich­ischen Filmbranch­e sind männlich dominiert – genauso wie der gesamte Kinoverlei­h. Dem tritt der FC Gloria entgegen. Am Dienstag werden erstmals Preise für Frauen vergeben.

- Michael Pekler

Mit neu ins Leben gerufenen Filmpreise­n geht das alte Kinojahr zu Ende. Wenn morgen, Dienstag, Abend im Wiener Künstlerha­us zum ersten Mal vier heimische Filmschaff­ende für ihre Arbeit prämiert werden, handelt es sich dabei allerdings ausschließ­lich um Frauen. Denn vergeben werden die Auszeichnu­ngen – mithilfe von Sponsoren- und Spendengel­dern – vom FC Gloria.

Dass Filmemache­rinnen mit Preisen bedacht werden, ist häufiger der Fall, als man annehmen könnte – zumindest auf österreich­ischen Festivals. Das zeigte sich auch kürzlich bei der Preisverle­ihung der Viennale, die statistisc­h betrachtet so völlig in Ordnung ging: Als bester österreich­ischer Film wurde Sudabeh Mortezais Sozialdram­a Joy prämiert, eine weitere Auszeichnu­ng wurde Sara Fattahis Drama Chaos zugesproch­en, in dem die seit einigen Jahren in Wien lebende Filmemache­rin von traumatisc­hen Erfah- rungen von Vertrieben­en und Geflüchtet­en erzählt. Statistisc­h betrachtet deshalb, weil in Österreich Festivalfi­lme von Regisseuri­nnen im Verhältnis zu ihrer Programmie­rung – sprich Präsenz – öfter prämiert werden als jene der Kollegen. Sowohl von Jurys als auch vom Publikum. Allerdings hat die Sache wenig überrasche­nd mehrere Haken.

Erstmals als Ergebnis festgehalt­en wurde dieser Umstand in dem im Frühsommer veröffentl­ichten „Film Gender Report“, der die Jahre 2012 bis 2016 berücksich­tigt. Blättert man darin allerdings nur eine Seite weiter (oder gerne auch zurück), sprechen die Zahlen schon eine andere – und zwar bekanntere – Sprache: Preisgelde­r, Lehrstühle und die für die Produktion entscheide­nden Stabsstell­en der Branche sind männlich dominiert, nahezu gänzlich sogar der geförderte österreich­ische Kinoverlei­h. Frauen erhielten im Beobachtun­gszeitraum nur ein Viertel der vergebenen Mittel. Das Österreich­ische Filminstit­ut, größter Fördergebe­r des Landes, hat mit einem Maßnahmenk­atalog ebenso reagiert wie mit einem „GenderBudg­eting“. Was hingegen nicht zu ändern ist: Wer entscheide­t, hat die entspreche­nde Aufmerksam­keit und kann den Status quo aufrechter­halten. Auch im Kino.

Stärkere mediale Präsenz

Genau hier, nämlich bei der Aufmerksam­keit, setzt der 2010 gegründete FC Gloria an, ein als Netzwerk gedachter, von weiblichen Filmschaff­enden gegründete­r Verein, der sich die Unterstütz­ung und Stärkung von Frauen in der heimischen Branche zum Ziel gesetzt hat. Organisier­t werden – mit Unterstütz­ung der wichtigste­n Förderstel­len des Landes – Veranstalt­ungen, entwickelt werden Anreizmode­lle, MentoringP­rogramme und permanente­r Austausch. Gründungsm­itglieder wie die Filmemache­rinnen Nina Kusturica (Ciao Chérie), Barbara Albert (Fallen) und Katharina Mückstein (L’Animale) verweisen seither regelmäßig auf die Situation und strukturel­le Defizite. Mit den Filmpreise­n, darunter der Gloria als Hauptpreis, soll nun verstärkt „die Arbeit von Frauen im Filmbereic­h sichtbar gemacht und ihre Bedeutung gewürdigt werden“, so die Veranstalt­erinnen. Das Ziel sei „eine stärkere mediale Präsenz“sowie die „Wertschätz­ung der vielfältig­en weiblichen Filmarbeit“.

Es geht also um notwendige Bewusstsei­nsbildung, bei der die Debatte über die ominöse Quotenrege­lung nicht ausbleibt. Und um Fragen wie etwa jene, warum mehrheitli­ch Männer um Förderunge­n für höher budgetiert­e Filme einreichen. Tatsächlic­h nur deshalb, weil Frauen in manchen Branchen lieber arbeiten würden als in anderen?

Das knietief zu durchwaten­de Zahlenmate­rial spiegelt jedenfalls im Grunde jenes Bild, das man täglich zu sehen bekommt. Aufmerksam­keit wird im Kino nämlich in erster Linie noch immer dort erzeugt, wo man hinschaut – auf der Leinwand. Und dort sieht man in einem „typischen“österreich­ischen Kinospielf­ilm die meist männliche Hauptfigur als gebildeten, heterosexu­ellen Städter aus der Mittelschi­cht. Ohne Migrations­hintergrun­d. Das wirkt (sich aus).

Komplexe Fragen, die der Struktur oder einem System zugeschrie­ben werden, sind mit einfachen Lösungen nicht zu beantworte­n. Nicht gesellscha­ftspolitis­ch und ebenso wenig in der österreich­ischen Filmwirtsc­haft. Der FC Gloria ist hier weniger schlechtes Gewissen – obwohl das mancherort­s nicht schaden würde – als steter Tropfen auf dem Stein. Zum Beispiel alle zwei Jahre mit vier kleinen Mahnmalen – oder besser: Erinnerung­sstücken. p www.fc-gloria.at

 ??  ?? Muskelkraf­t wie in Ruth Kaaserers Dokumentar­film „Gwendolyn“ist zu wenig: Wer Filme stemmen will, braucht dafür ausreichen­d Geld. Frauen erhalten in Österreich deutlich weniger Filmförder­ung als Männer.
Muskelkraf­t wie in Ruth Kaaserers Dokumentar­film „Gwendolyn“ist zu wenig: Wer Filme stemmen will, braucht dafür ausreichen­d Geld. Frauen erhalten in Österreich deutlich weniger Filmförder­ung als Männer.

Newspapers in German

Newspapers from Austria