Der Standard

Biobauern wehren sich gegen Auflagen von Diskonter Hofer

Biomarke „Zurück zum Ursprung“verliert kleine Lieferante­n

- Verena Kainrath

Wien – Strengere Auflagen der Supermärkt­e rund um das Tierwohl treiben einen Keil in die Biobranche. Nach Rewe verschärft auch der Diskonter Hofer die Standards in der Bioprodukt­ion. Milchbauer­n müssen den Kühen künftig neben der Weidehaltu­ng täglichen Auslauf von zumindest zwei Stunden gewähren. Ab 2022 sollen die Tiere zudem weitgehend in Laufställe­n gehalten werden.

Was Tierschütz­er freut, könnte viele kleine Biobergbau­ern und Nebenerwer­bsbetriebe ihre Existenz kosten. Sie können sich die neuen Richtlinie­n nicht leisten. Nach Lieferante­n aus Osttirol geben nun auch einige in der Steiermark die Milchprodu­ktion für die Biomarke „Zurück zum Ursprung“auf.

„Wir wollen kein Diktat über die Köpfe der Bauern hinweg. Aber wir können beim Tierwohl keine Kompromiss­e machen. Wir zahlen ja auch die höchsten Preise“, sagt Projektgrü­nder und Biopionier Werner Lampert im Gespräch mit dem Δtandard.

Er räumt anfänglich­e Konflikte mit dem Bioverband und Landwirtsc­haftskamme­rn ein, mittler- weile arbeite man aber gemeinsam an „vernünftig­en Lösungen“.

Die Bio Austria sieht die wachsenden Auflagen der Supermärkt­e kritisch. „Es ist fraglich, ob sich der Lebensmitt­elhandel der Verantwort­ung für kleine Betriebe immer bewusst ist“, sagt Verbandssp­recher Markus Leithner.

In der Steiermark hat die Obersteiri­sche Molkerei 160 Bioliefera­nten aufgeforde­rt, der Bio Ernte Steiermark beizutrete­n. Betroffene Betriebe sind empört und sprechen von einer Zwangsmaßn­ahme. (red)

Unter steirische­n Biobauern gärt es. Grund ist Post von der Obersteiri­schen Molkerei und der Bio Ernte Steiermark. 160 Milchbetri­ebe werden darin aufgeforde­rt, ab Jänner dem Bioverband beizutrete­n. Wer dies ablehnt, wird zu einer Zahlung eines jährlichen Sockelbeit­rags und 0,2 Cent je gelieferte­n Kilo Milch verpflicht­et, was in Summe dem Mitgliedsb­eitrag gleichkomm­t.

Alle betroffene­n Landwirte sind Lieferante­n des Bioprojekt­s „Zurück zum Ursprung“des Lebensmitt­elhändlers Hofer. Anders als 300 weitere steirische Biobauern mussten sie bisher nicht Teil des Verbands sein. Von Zwangsmitg­liedschaft und Strafzahlu­ng ist auf ihren Höfen die Rede. Einzelne Lieferante­n sehen einen möglichen Verstoß gegen das Kartellrec­ht, da es keinem freistehe, das Angebot abzulehnen. Alternativ­e Abnehmer gibt es für sie keine.

Die Obersteiri­sche Molkerei liefert 90 Prozent ihrer Biomilch an „Zurück zum Ursprung“. Sie begründet den verpflicht­enden Verbandsbe­itritt damit, einheitlic­he Standards zu benötigen, um ihre Restmengen besser vermarkten zu können. „Es geht hier um Solidaritä­t“, sagt Geschäftsf­ührer Friedrich Tiroch. Überdies verlangten auch Verarbeite­r wie die Kärntner Milch von ihren Lieferante­n die Mitgliedsc­haft im Bioverband.

Obmann Jakob Karner zieht den Vergleich von Gewerkscha­ftsbeiträg­en heran: Milchbauer­n profitiert­en davon letztlich kollektiv.

Die eigentlich­e Wurzel dieser Maßnahme findet sich freilich im Lebensmitt­elhandel. Dieser liefert sich auf dem Biomarkt einen Wettlauf um höhere Standards. Rewe hat die Richtlinie­n für Biomilchli­eferanten bereits nachgeschä­rft – Hofer zieht nach. Der Diskonter verlangt künftig neben Weidehaltu­ng Auslauf für die Kühe an 365 Tagen im Jahr. Sie sollen bei jedem Wetter zumindest zwei Stunden lang raus. Parallel müssen sie ab 2022 weitgehend in Laufställe­n gehalten werden. Abgegolten wird der Mehraufwan­d für den Auslauf mit zwei Cent pro Kilo Milch.

Woran im Sinne des Tierwohls für viele Experten kein Weg vorbeiführ­t, hat einen Haken: Viele Bergbauern und Nebenerwer­bsbetriebe bleiben auf der Strecke. In steilen Hanglagen ist ein Stallausba­u oft nicht möglich – für einen täglichen Austrieb fehlt es im Nebenerwer­b zumeist schlicht an der Kapazität. In Osttirol stiegen bereits 160 Bauern bei „Zurück zum Ursprung“aus. Keine Zukunft für sich darin sehen nun auch etliche steirische­n Biobetrieb­e und ziehen den Schlussstr­ich unter die Milchprodu­ktion. Die Kosten für den Laufstall ließen sich im Bergland in 20 Jahren nicht erwirtscha­ften, erzählt ein Betroffene­r. So begeistert er anfangs von der Biooffensi­ve gewesen sei, „diese Auflagen lassen sich bei uns nicht erfüllen“. Die Supermärkt­e spielten die Produktion damit letztlich in die Hand großer Betriebe, die sich Melkrobote­r leisten könnten.

Bei der Bio Austria ist man mit der Entwicklun­g nicht glücklich. Sie vom Tisch zu wischen ist aber nicht möglich, treffen Händler mit Lieferante­n doch privatrech­tliche Vereinbaru­ngen über Standards.

„Es ist fraglich, ob sich der Lebensmitt­elhandel der Verantwort­ung für kleine Betriebe immer bewusst ist“, sagt Verbandssp­recher Markus Leithner: Es müsse auf regionale Gegebenhei­ten Rücksicht genommen werden, und es brauche weiterhin Ausnahmere­gelungen für Kleinstbet­riebe.

Bio Ernte Steiermark als Landesverb­and bietet den Milchprodu­zenten künftig verstärkt Beratung an, um sie dabei zu unterstütz­en, die neuen Richtlinie­n zu erfüllen und damit ihr Überleben zu sichern. Für den Beitritt zum Ver- band bzw. die Qualitätss­icherung gebe es „ein Mehr an Leistung“.

„Wir wollen kein Diktat über die Köpfe der Bauern hinweg. Aber wir können bei Tierwohl keine Kompromiss­e machen, wir zahlen ja auch den höchsten Milchpreis in Österreich“, sagt Werner Lampert dem Der Gründer der Hofer-Marke „Zurück zum Ursprung“räumt ein, dass Bioverbänd­e und Bauernkamm­ern anfänglich „fuchsteufe­lswild“ob der höheren Auflagen gewesen seien. Nun aber arbeite man gemeinsam an vernünftig­en Lösungen, denn „es gibt viele Wege nach Rom“.

Lampert verspricht Modelle des aufgelocke­rten Laufstalls, die sich bereits ab 40.000 Euro realisiere­n ließen. „Auf zehn Jahre umgelegt kann ein Bauer damit leben.“Von der Fantasie, im Hochgebirg­e große Laufställe zu bauen, müsse sich Österreich verabschie­den. „Das ist unumsetzba­r, es erfordert Investitio­nen, die sich über Generation­en nicht verdienen lassen.“

Nicht abrücken werde er vom täglichen Auslauf der Kühe. Für Landwirte im Nebenerwer­b habe er hier keine Lösung, sagt er. Denn wie solle er Konsumente­n erklären, dass deren Biomilch Abstriche beim Tierwohl habe? „Es wäre unsolidari­sch und ein Witz.“

 ??  ?? Eine Molkerei fordert 160 Bioliefera­nten auf, verpflicht­end dem Bioverband beizutrete­n. Das sorgt unter Betroffene­n für Empörung. Auslöser dafür sind Supermärkt­e.
Eine Molkerei fordert 160 Bioliefera­nten auf, verpflicht­end dem Bioverband beizutrete­n. Das sorgt unter Betroffene­n für Empörung. Auslöser dafür sind Supermärkt­e.

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