Wien zögert beim Flüchtlingspakt, UNHCR hofft auf Ja
Die Regierung in Wien will zwar Mitte Dezember den UN-Flüchtlingspakt annehmen – zuvor jedoch „kritische Punkte“prüfen. Der Grund ist die Furcht vor „Gewohnheitsrechten“für Flüchtlinge – wie schon beim Migrationspakt.
Wien – Nach Österreichs Ankündigung, „kritische Punkte“des UNFlüchtlingspakts zu prüfen, hofft man beim UN-Flüchtlingshochkommissariat in Wien, dass die Bundesregierung doch zu ihrer bisherigen Paktzusage steht. Aus dem österreichischen Außenministerium hieß es am Montag, die Ursache für das Zögern liege in der Furcht vor „ableitbaren Gewohnheitsrechten“durch den Flüchtlingspakt. Dieselbe Argumentation hat bereits zur Ablehnung des UN-Migrationspakts geführt.
Indes kritisiert EU-Innenkommissar Dimitri Avramopoulos Regierungen wie jene in Wien wegen deren angekündigten Absage an den UN-Migrationspakt. „Wer den Migrationspakt ablehnt, hat ihn nicht ausreichend studiert“, sagte er in einem Interview. (red)
Rund um Österreichs Positionierung zum UN-Flüchtlingspakt herrscht Nervosität. Beim UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR in Wien sagte Christoph Pinter dem
Δtandard am Montag, er „hoffe sehr“, dass Österreichs Vertreter in der UN-Generalversammlung der Resolution zum UN-Flüchtlingspakt ebenso zustimmen würden, wie sie es in den vorbereitenden UN-Ausschüssen getan hätten.
Aus dem Außenministerium war zu vernehmen, dass die Bundesregierung mit dem UN-Flüchtlingspakt das gleiche Problem wie mit dem UN-Migrationspakt habe, dem Österreich wie berichtet nicht zustimmen wird. Gezögert werde, weil sich die Frage stelle, ob sich aus dem Flüchtlingspakt „Gewohnheitsrechte ableiten“ließen – etwa was Verteilungsquoten für Flüchtlinge angehe.
Wie schon beim Migrationspakt gehe es also um Sorgen wegen der souveränen Entscheidungsfreiheit Österreichs. Diesbezüglich habe es auch Beschwerdeschreiben aus der Bevölkerung gegeben. Dabei – so die Stimme aus dem Ministerium – handle es sich bei diesen Befürchtungen um ein „Missverständnis“durch die „Vermischung verschiedener Politikfelder, die nichts miteinander zu tun haben“: den UN-Flüchtlingspakt und die Flüchtlingsquotendiskussion innerhalb der EU.
Der UN-Flüchtlingspakt soll bereits Mitte Dezember bei der UN-Generalversammlung in New York angenommen werden. Bereits vergangene Woche hatte Österreich seine Zustimmung bestätigt, am Wochenende jedoch noch eine Prüfung der „kritischen Punkte“und „mögliche Handlungsoptionen“angekündigt. Eine genaue Definition dieser wurde nicht geliefert.
Der Flüchtlingspakt ist quasi der Zwilling des UN-Migrationspakts, der global für heftige Diskussionen sorgte. Im Gegensatz zum Migrationspakt verfügt der Flüchtlingspakt aber bereits über eine Grundlage: die Genfer Flüchtlingskonvention. Der Pakt zielt darauf ab, den Druck auf die Aufnahmeländer zu mindern, die Eigenständigkeit der Flüchtlinge zu fördern, den Zugang zu Resettlement auszuweiten und die Rückkehr in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Genauso wie der UN-Migrationspakt ist aber auch er rechtlich nicht bindend.
Pro Migrationspakt
In einem Interview mit der deutschen Zeitung Welt kritisierte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos den Widerstand einiger Länder gegen den UN-Migrationspakt. Bis dato haben neben Österreich die EU-Mitgliedstaaten Ungarn, Tschechien, Polen, Bulgarien sowie die Slowakei ihre Ablehnung kundgetan. Der Pakt sei „auch eine Antwort der Europäer auf ein globales Phänomen – jedes EU-Land sollte dabei sein“, sagte Avramopoulos: „Wer den Migrationspakt ablehnt, hat ihn nicht ausreichend studiert.“Die Vereinbarung werde dazu beitragen, organisierten Menschenhandel zu reduzieren.
Die Debatte um den Pakt, der am 10. und 11. Dezember in Marokko angenommen werden soll, spaltet auch die belgische Regierung. Die flämisch-nationalistische Regierungspartei N-VA stellt sich gegen den Pakt und damit gegen die Linie von Ministerpräsident Charles Michel. Die liberale Koalitionspartei Open Vld warnte am Montag vor einem Scheitern der Regierung. Michel hat einen Kompromissvorschlag versprochen.