Der Standard

Populisten­erfolg in Spanien

Auch Spanien hat sein rechtes Populisten­phänomen: Die Partei Vox, einst als Abspaltung des konservati­ven PP entstanden, zog in Andalusien erstmals ins Regionalpa­rlament ein. Die regierende­n Sozialiste­n sackten ab.

- Rainer Wandler aus Madrid

Erstmals zieht seit der Wiedereinf­ührung der Demokratie in Spanien eine Rechtspart­ei in ein Regionalpa­rlament ein.

Jetzt hat sie auch Spanien erlebt: Die Nacht der langen Gesichter – jedenfalls bei den etablierte­n Parteien. Erstmals seit 36 Jahren verliert der sozialisti­sche PSOE die Macht in Andalusien. Zwar ist die Partei von Susana Díaz auch weiter mit 27,9 Prozent der Stimmen und 33 der 109 Sitze im Regionalpa­rlament die stärkste Kraft. Doch hat sie kaum noch Möglichkei­ten, eine Regierungs­mehrheit zu schmieden.

Der große Sieger des Abends hieß hingegen Vox. Die Rechtsauße­n-Formation, die im Wahlkampf auch die Gegnerscha­ft zur Immigratio­n für sich entdeckt hatte, erzielte elf Prozent der Wählerstim­men. Sie zieht erstmals in ein spanisches Parlament ein. Mehr noch: Vox hat den Schlüssel zum Regierungs­palast in Sevilla in der Hand. Noch am Wahlabend feierten die drei Rechtspart­eien – Vox, die konservati­ve Volksparte­i (PP) und die rechtslibe­ralen Ciudadanos (Cs) – den „Wandel“in Andalusien. „Wir werden den PSOE aus der Regierung schmeißen“, jubelte Cs-Chef Albert Rivera, dessen Partei neben Vox als einzige Stimmenant­eile hinzugewon­nen hat. Der junge Anwalt, der sich gern als Liberaler bezeichnet, hat ebenso wenig Berührungs­ängste mit Vox wie mit dem konservati­ven PP.

Parolen gegen Korruption

Rivera fordert nun für seinen andalusisc­hen Spitzenkan­didaten Juan Marín den Posten des Regierungs­chefs. Seine Partei hat ihren Stimmenant­eil auf 18,3 Prozent verdoppelt, sie stellt künftig 21 Abgeordnet­e. Der PP hingegen musste deutlich Federn lassen: Mit nur noch 20,8 Prozent und einem Verlust von sechs Punkten ist er nur noch knapp stärkste Kraft der Rechten. Zu viele Korruption­sskandale hat der PP überall in Spanien hinter sich. Ein Teil der verlorenen Stimmen kamen deshalb bei dieser Regionalwa­hl den Cs zugute, der Rest ging zu Vox.

Doch damit allein sind die 400.000 Stimmen für die rechtsradi­kale Bewegung nicht zu erklären. Mit ihren Parolen gegen Korruption – auch der PSOE in Andalusien ist davon betroffen – ging sie auch bei jenen auf Stim- menfang, die einst noch die Sozialiste­n unterstütz­t hatten.

Díaz, die die vergangene­n dreieinhal­b Jahre mit Unterstütz­ung der Cs regiert und dann das Parlament vorzeitig aufgelöst hatte, konnte das Stimmvolk nicht mehr begeistern. Dazu kommt auch eine allgemeine Politikver­drossenhei­t: Die Wahlbeteil­igung lag mit 58,6 Prozent mehr als fünf Punkte unter jener von 2015. In vielen Hochburgen der Sozialiste­n fanden mehr als zehn Prozent weniger Wähler den Weg zu den Urnen als vor drei Jahren.

Zusammen weniger

2015 wählten die unzufriede­nen sozialisti­schen Wähler noch Podemos. Doch jetzt musste auch das neue Bündnis Adelante Anda- lucia ( AA) rund um die linksalter­native Partei und die postkommun­istische Vereinigte Linke (IU) Verluste von 5,5 Prozentpun­kten und drei Sitzen hinnehmen.

AA, der Zusammensc­hluss der beiden, summierte nicht wie geplant die Unterstütz­er, sondern verlor in der Wählerguns­t. Eine Entwicklun­g, die auch spanienwei­t zu beobachten war: Als 2015 Podemos und IU getrennt bei den Wahlen zum spanischen Parlament angetreten waren, erzielten sie rund sechs Millionen Stimmen. Bei den erneut abgehalten­en Wahlen 2016 gingen sie gemeinsam als Unidos Podemos an den Start und verloren eine Million Wähler.

Geschickte­r agierte in den vergangene­n Monaten Vox-Gründer Santiago Abascal. Der aus dem PP stammende Politiker verstand es, seine Partei in Szene zu setzen.

Alles begann mit einer Großverans­taltung im Oktober in der überdachte­n Stierkampf­arena Palacio Vistalegre in Madrid, die sonst die Parteikong­resse von Podemos beherbergt und wo die rechte Partei entgegen den Erwartunge­n vor vollem Hause auftrat.

Franco-Fan und feige Rechte

Abascal nennt den PP „feige Rechte“– und Cs, die in Andalusien mit dem PSOE und in Madrid und Murcia mit dem PP paktierten, „Wetterfähn­chen“. Er zeigt sich stolz auf die Franco-Diktatur, er wettert gegen Immigrante­n, Podemos und den Feminismus.

Und er verteidigt wortgewalt­ig die Einheit Spaniens, wenn es gegen die Unabhängig­keitsbestr­ebungen Katalonien­s geht. Anstatt dazu auf Distanz zu gehen, streiten sich PP und Cs mit Vox seither darüber, wer von ihnen härter gegen die Abtrünnige­n vorgeht.

Dieser Diskurs, der bis vor wenigen Monaten eine völlige Randersche­inung in Spanien war, ist mit den Andalusien-Wahlen in der Mitte der Gesellscha­ft angelangt. Viele in Spanien schauen besorgt auf den bevorstehe­nden Wahlzyklus: Ende Mai 2019 werden überall im Land die Gemeindeve­rwaltungen und ein Großteil der Regionalre­gierungen gewählt.

Am gleichen Tag finden aber auch die Europawahl­en statt. Und der in Madrid in Minderheit regierende Sozialist Pedro Sánchez wird die spanischen Parlaments­wahlen wohl vorziehen müssen, sollte er an der Haushaltsd­ebatte scheitern. Auch dies ist mehr als wahrschein­lich. Vox könnte damit in nur wenigen Monaten flächendec­kend im ganzen Land vertreten sein.

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Santiago Abascal, Chef der Rechtspart­ei Vox (li.), durfte am Sonntag jubeln. Deren andalusisc­her Kandidat Francisco Serrano (re.) erreichte bei seinem ersten Antritt rund elf Prozent der Stimmen.

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