Der Standard

Causa Drasenhofe­n

Seit Tagen wird über das Quartier Drasenhofe­n, in dem unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e hinter Stacheldra­htzaun lebten und das sie nur eine Stunde am Tag verlassen durften, diskutiert. Was darüber bisher bekannt ist und wie es weitergeht.

- Oona Kroisleitn­er, Gabriele Scherndl

Wie genau steht es um das höchst umstritten­e Flüchtling­squartier Drasenhofe­n? Was bekannt ist und wie es weitergeht.

Frage: Wer sind die Jugendlich­en aus Drasenhofe­n?

Antwort: Laut Klaus Schwertner, Generalsek­retär der Caritas Wien, ist etwa die Hälfte von ihnen subsidiär schutzbere­chtigt, die andere Hälfte noch im Asylverfah­ren, zwei haben einen rechtskräf­tig negativen Asylbesche­id. Laut FPÖAsyllan­desrat Gottfried Waldhäusl handelt es sich um „notorische Unruhestif­ter“, die straffälli­g oder auffällig geworden sind. Manche von ihnen seien in schwere Kriminalit­äts- oder Drohungsde­likte involviert gewesen. Die Caritas und die Diakonie Mödling bestätigen einzelne laufende oder abgeschlos­sene Verfahren. Diskutiert wird etwa der Fall eines Asylwerber­s, der laut Waldhäusl eine Krankensch­wester halbtot geprügelt haben soll, laut Caritas wurde ihr ein Finger gebrochen.

Frage: Wo sind die Jugendlich­en nun? Antwort: Nach einem Lokalaugen­schein veröffentl­ichte die niederöste­rreichisch­e Kinder- und Jugendanwa­ltschaft am Freitag einen Bericht, wonach das Quartier aus jugendrech­tlicher Sicht „im derzeitige­n Zustand nicht geeignet“erschien. Die zuständige Kinderund Jugendhilf­elandesrät­in Ulrike Königsberg­er-Ludwig (SPÖ) veranlasst­e nach Veröffentl­ichung des Berichts die sofortige Verlegung: In der Nacht von Freitag auf Samstag übersiedel­ten neun Jugendlich­e ins Haus St. Gabriel der Caritas in Maria Enzersdorf, sieben folgten in den Tagen danach. Damit scheinen alle Jugendlich­en, die Drasenhofe­n zwischenze­itlich bewohnt haben, nun umgezogen zu sein – dort waren in Summe sieben Burschen abgängig.

Frage: Was passiert mit den Jugendlich­en, wenn sie 18 Jahre alt sind? Antwort: In St. Gabriel sind sie in der Obhut der Kinder- und Jugendhilf­e. Diese ist für sie zuständig, bis sie 18 sind. Danach sollen die Teenager „grundsätzl­ich“wieder in Quartiere der Grundverso­rgung überstellt werden, heißt es aus dem Büro der roten Kinderund Jugendhilf­slandesrät­in Ulrike Königsberg­er-Ludwig. Noch habe man die Biografien nicht aufgearbei­tet. Jugendlich­e mit besonderem Betreuungs­bedarf könnten auch für eine bestimmte Zeit nach dem 18. Geburtstag begleitet werden. Hat ein Asylwerber bereits einen rechtskräf­tig negativen Asyl-

bescheid, wird es einfacher, ihn abzuschieb­en, sobald er 18 ist.

Frage: Wie kam es eigentlich zu dem Quartier in Drasenhofe­n?

Antwort: Das Quartier an sich gibt es schon länger, heuer war es einige Monate geschlosse­n. Im Zuge des niederöste­rreichisch­en Maßnahmenp­lans „Flüchtling­e und Integratio­n mit Sicherheit“im Herbst wurde es am 26. November unter verschärft­en Sicherheit­sbedingung­en wiedereröf­fnet. Betrieben wird es von der ASOB Asyl Sonderbetr­euungs GmbH. Diese war bis Redaktions­schluss für den

Δtandard nicht erreichbar. Christian Kogler ist seit 13. November 2018 der Geschäftsf­ührer der GmbH. Kogler wird auch auf der Website SLC-Asylcare, einem der größten Asylunterk­unftsbetre­iber Niederöste­rreichs als Geschäftsf­ührer angeführt, nach Angaben des Unternehme­ns hat er dieses aber vor kurzem verlassen.

Manche Burschen, die letzte Woche nach Drasenhofe­n kamen, waren vorher in einem Quartier der Diakonie Mödling untergebra­cht. Dort wusste man bis zur Überstellu­ng der Jugendlich­en nicht, wo sie hinkommen würden, und spricht von einer „Nacht-undNebelak­tion“. Nun liege das Quartier „quasi auf Eis und könnte bei Bedarf wieder als Asylquarti­er in Erwägung gezogen werden“, heißt es aus dem Büro Waldhäusls.

Frage: Wann hat Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) von dem Quartier erfahren? Antwort: Von dem Quartier mit

einem Stacheldra­ht habe man am Donnerstag erfahren, heißt es aus dem Büro der Landeshaup­tfrau. Ob Mikl-Leitner über den Bezug des Quartiers vorab informiert wurde, wisse man nicht. Allerdings sei der springende Punkt die Art der Unterbring­ung, von der sie erst durch die mediale Berichters­tattung erfahren habe.

Frage: Was passiert mit Waldhäusl?

Antwort: Mehrere Parteien forderten bereits Gottfried Waldhäusls Rücktritt, darunter sein Vorgänger als Asyllandes­rat, Maurice Androsch (SPÖ), die niederöste­rreichisch­en Neos, die Liste Jetzt (ehemals Pilz), die roten Jugendorga­nisationen und die niederöste­rreichisch­en Grünen – diese kündigten an, bei der heutigen Landesrats­sitzung einen Misstrauen­santrag einzubring­en. Eine Absetzung gilt als unwahrsche­inlich. Wegen des Proporzsys­tems kann die ÖVP ihm höchstens die Asylagende­n entziehen.

Mikl-Leitner (ÖVP) kündigte eine Behandlung des Themas in der heutigen Sitzung der Landesregi­erung an. In Richtung Waldhäusl meinte sie: „Klar ist, dass eine derartige Situation nicht mehr vorkommen darf.“Der Landesgesc­häftsführe­r der niederöste­rreichisch­en ÖVP, Bernhard Ebner, rief zur Sachlichke­it auf und erklärte in einer Aussendung, Waldhäusl habe mit dem Befestigen eines Stacheldra­hts „bewusst überzogen und das Fass zum Überlaufen gebracht“.

Parallel zum politische­n Hickhack läuft derzeit mindestens eine Strafanzei­ge gegen Waldhäusl: Der Rechtsanwa­lt Georg Zanger brachte am Sonntag eine Anzeige wegen Freiheitsb­eraubung und Amtsmissbr­auch bei der Staatsanwa­ltschaft ein.

Frage: Wie reagierte die FPÖ? Antwort: Waldhäusl wiederum kritisiert­e Mikl-Leitner scharf: Ihr scheine der Schutz der Täter wichtiger zu sein als jener der Opfer und der Bevölkerun­g. „Einige werde ich aufgrund ihrer gerichtlic­hen Verurteilu­ngen und ihrer einsetzend­en Volljährig­keit ohnehin in etwa einem Monat abschieben lassen“, sagte Waldhäusl. Innenminis­ter Herbert Kickl hatte mit Drasenhofe­n kein Problem. „Einen Wachdienst und einen Zaun – das alles gibt es auch in Traiskirch­en“, sagte er Österreich.

 ??  ?? Das Quartier für unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e im Grenzort Drasenhofe­n ist zumindest vorübergeh­end nicht bewohnt. Die Jugendlich­en sind nach St. Gabriel umgezogen.
Das Quartier für unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e im Grenzort Drasenhofe­n ist zumindest vorübergeh­end nicht bewohnt. Die Jugendlich­en sind nach St. Gabriel umgezogen.

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