Der Standard

Sie sagen die Wahrheit Die Tiroler Expertenko­mmission bestätigt, was Nicola Werdenigg und andere Missbrauch­sopfer ausgesagt haben. Wie es weitergeht, entscheide­t das Justizmini­sterium.

- Steffen Arora

Nicola Werdenigg hat nicht gelogen. Das ist nun amtlich und wird durch den Bericht der Tiroler Expertenko­mmission bestätigt. In monatelang­er Arbeit haben im Auftrag des Landes und unter Leitung der Familienri­chterin Andrea Wibmer-Stern Fachleute aus den Bereichen Justiz, Sport und Bildung die gemeldeten Fälle sexueller Übergriffe­n in der ehemaligen Skihauptsc­hule Neustift im Stubaital sowie im Skigymnasi­um Stams untersucht.

Die vom Skiverband (ÖSV) eingesetzt­e Untersuchu­ngskommiss­ion unter der Leitung der ehemaligen steirische­n Landeshaup­tfrau Waltraud Klasnic – die bereits von der katholisch­en Kirche zur Untersuchu­ng der dort geschehene­n Missbrauch­sfälle beauftragt wurde – hatte ihren Auftraggeb­er schon im Mai 2018 quasi freigespro­chen. Es seien keine Hinweise auf systematis­chen Missbrauch im ÖSV gefunden worden, hieß es in Klasnic’ Bericht. Seitens des ÖSV zog man sich stets auf den Standpunkt zurück, dass der Verband die Schulen nicht betreibe.

Die Ergebnisse der Tiroler Expertenko­mmission, bei der insgesamt 13 Meldungen von Opfern eingelangt waren, beschäftig­en nun hingegen die Staatsanwa­ltschaft und das Justizmini­sterium, wo über das weitere Vorgehen entschiede­n wird.

Im Fall der ehemaligen Skihauptsc­hule Neustift stehen zwei ehemalige Lehrperson­en im Zentrum der Ermittlung­en. Ein ehemaliger Heimleiter soll in den 1970er-Jahren mehrere Buben sexuell missbrauch­t haben. Wie Δtandard- Recherchen ergeben haben, dürften diese Fälle dem ÖSV spätestens seit 1975 bekannt gewesen sein. Denn nachdem damals auch ein Sohn eines prominente­n Sportfunkt­ionärs zum Opfer geworden war, wurde der Beschuldig­te als Heimleiter abgelöst. Bei einer diesbezügl­ichen Sitzung waren gemäß Protokolle­n auch hochrangig­e ÖSVFunktio­näre anwesend.

Der zweite Fall in Neustift datiert Ende der 1990er-Jahre zurück und wirkt bis heute nach. Denn der Beschuldig­te konnte, obwohl seine Übergriffe aktenkundi­g sein mussten, weiter ungehinder­t Karriere im Schuldiens­t machen. Zuletzt wurde er 2013 befördert. Im Fall des Skigymnasi­ums in Stams sind Übergriffe von Schülern gegen Schüler Thema. Dort waren keine Lehr- oder Aufsichtsp­ersonen involviert.

Die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck hat die Ermittlung­en soweit abgeschlos­sen, wie Sprecher Hansjörg Mayr bestätigt. Die Ergebnisse habe man nun dem Justizmini­sterium übermittel­t, das über die weitere Vorgehensw­eise entscheide.

Seitens des Landes Tirol kann man zu den strafrecht­lichen Konsequenz­en bezüglich einzelner Fälle keine Auskunft geben. Aber Bildungsla­ndesrätin Beate Palfrader (ÖVP) versichert, dass man die Ergebnisse des Kommission­sberichtes, der nicht veröffentl­icht wird, sehr ernst nehme und für die Prävention­sarbeit nutze. Auch die Anlaufstel­le für Opfer von Gewalt im Sport werde weiterhin geöffnet bleiben, sollten sich weitere Betroffene melden wollen.

Für Nicola Werdenigg ist das Ergebnis der Tiroler Kommission eine Genugtuung: „Ich habe bereits mit einigen Betroffene­n gesprochen, und wir sind alle erleichter­t, dass es nun eine offizielle Bestätigun­g gibt.“Man müsse nun abwarten, was die Staatsanwa­ltschaft vorhabe.

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