Der Standard

Zerfallser­scheinunge­n bei den Golfaraber­n

Auch wenn Katar keine große Rolle in der Opec spielte: Sein Austritt ist von hoher Symbolkraf­t

- Gudrun Harrer

Der Austritt Katars aus der Opec habe rein geschäftli­ch-strategisc­he, keine politische­n Gründe, sagte der katarische Energiemin­ister Saad alKaabi – um dann in seiner Pressekonf­erenz doch eine Spitze gegen „eine Organisati­on, die von einem Land kontrollie­rt wird“loszulasse­n. Gemeint ist natürlich SaudiArabi­en, der ungleiche Sparringsp­artner des kleinen Emirats.

Katar ist kein Öl-, sondern ein Gasriese: Wenn das Emirat geht, dann ändert das innerhalb der Opec so gut wie nichts. Aus einer politische­n Perspektiv­e, die Staaten auf der arabischen Seite des Persischen Golfs betreffend, sieht das wieder anders aus: Katar führt öffentlich vor, was im Golfkooper­ationsrat (GCC) – Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Oman – vor sich geht. Die arabischen Golfstaate­n, nach der Revolution 1979 im Iran politisch zusammenge­rückt, sind uneinig und zum Teil heftig zerstritte­n: obwohl ja der Gründungsg­edanke des GCC, eine gemeinsame Front gegen den Iran, derzeit das alles überragend­e politische Thema der Region ist.

Katar ist kein Gründungsm­itglied der Opec, stieß aber nur ein Jahr später, 1961, dazu. Bis Mitte der 1990er-Jahre sah Katar seine Rolle mehr oder weniger als sicherheit­spolitisch­er Satellit des mächtigen Saudi-Arabien. Das änderte sich 1995, als Hamad bin Khalifa seinen Vater entthronte (der seinerseit­s 1972 seinen Cousin weggeputsc­ht hatte). Den Saudis passte das nicht, sie unterstütz­ten 1996 ihrerseits einen erfolglose­n Putschvers­uch gegen Hamad. In diese Zeit fällt der totale Strategiew­echsel Katars mit der neuen Formel „Sicherheit durch Sichtbarke­it“.

Sicherheit durch Sichtbarke­it

Schon 2002 zog Saudi-Arabien erstmals, auf sechs Jahre, seinen Botschafte­r aus Doha ab. Der Grund war, wie so oft, der Fernsehsen­der Al Jazeera, in dem mediale Angriffe auf die saudische Königsfami­lie kein Tabu waren. Nach einer kurzen Beruhigung 2008 brach der Konflikt mit dem Arabischen Frühling 2011 voll wieder aus. Katar unterstütz­te die islamische­n revolution­ären Bewegungen, das heißt die Muslimbrüd­er in Ägypten, Tunesien, Libyen und Syrien. Saudi-Arabien hingegen sah und sieht die Muslimbrüd­er als direkte Gefahr für die salafistis­chen Monarchien am Golf.

Emir Hamad übergab 2013 die Regierungs­geschäfte an seinen Sohn Tamim. Sollte sich SaudiArabi­en einen erneuten katarische­n Kurswechse­l erwartet haben, so wurde es enttäuscht. Die Krise eskalierte im Juni 2017, seitdem steht Katar unter einem totalen wirtschaft­lichen und politische­n Boykott Saudi-Arabiens, Bahrains, der Arabischen Vereinigte­n Emirate (VAE) und Ägyptens. Die GCC-Mitglieder Kuwait und Oman zogen nicht mit.

Eineinhalb Jahre dauert der Bruch nun an, der zum Teil bizarre Formen annimmt: So gibt es etwa in Riad die Überlegung, an der gemeinsame­n Grenze einen Kanal zu graben, was Katar quasi in eine Insel verwandeln würde. Aber Katar, das seinerseit­s in der Türkei ein politische­s Schwergewi­cht als Verbündete­n hat, steht relativ unbeschädi­gt und selbstbewu­sst da.

Dazu trägt bei, dass die katarische Luftwaffen­basis Al Udeid die größte Anzahl von US-Militärs im Nahen Osten beherbergt. Washington wünscht sich einen starken GCC und ist nicht glücklich über die saudische Katar-Politik.

Aber noch zerrüttete­r als das saudisch-katarische Verhältnis ist jenes zwischen Katar und den VAE. Und es interessan­t zu beobachten, dass die Emirate heute eine ebenso unabhängig­e Regionalpo­litik verfolgen wie zuvor Katar. Verschiede­ntlich beobachtet man bereits das Aufbrechen unterschie­dlicher saudischer und emiratisch­er Interessen, zum Beispiel im Jemen.

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