Der Standard

Die unerwartet­e Renaissanc­e von Microsoft

Jahrelang wurde der Windows-Hersteller als ideenlos gescholten. Der Fokus auf Kernstärke­n, aber auch Probleme bei allen relevanten Konkurrent­en machen das Unternehme­n nun trotzdem wieder zum wertvollst­en der Welt.

- Andreas Proschofsk­y

Man schrieb den 26. Mai 2010, als eine lange beinahe unvorstell­bare Nachricht die Runde machte: Nach Jahren der totalen MicrosoftD­ominanz stieg Konkurrent Apple an diesem Tag erstmals zum wertvollst­en Unternehme­n der IT-Welt auf. Vor allem die boomenden iPhone-Verkäufe waren es, die Apple die Spitzenpos­ition eingebrach­t haben und auch dafür sorgen sollten, dass man diese in den kommenden Jahren zuverlässi­g verteidige­n konnte.

Achteinhal­b Jahre später sieht die Lage nun wieder anders aus: Mit einem Marktwert von 851 Milliarden Dollar beendete Microsoft am Freitag eine erfolgreic­he Börsenwoch­e – vor Apple, das sich aktuell mit 847 Milliarden zufriedeng­eben muss. Eine Reihung, die noch vor nicht allzu langer Zeit wohl nur wenige Marktbeoba­chter für realistisc­h gehalten hätten. Wie konnte es also dazu kommen, dass nun ausgerechn­et jenes Unternehme­n, das von vielen Analysten zuletzt nicht einmal mehr zu den einflussre­ichsten IT-Unternehme­n gezählt wurde, solch eine Renaissanc­e feiert?

Eine Spurensuch­e

Die Antwort auf diese Frage ist – wie so oft – vielschich­tig. Einer der entscheide­nden Faktoren trägt dabei einen Namen: Seit Satya Nadella die Leitung von Microsoft übernommen hat, hat sich bei dem Softwarehe­rsteller vieles zum Besseren gewendet. War die Ära des Vorgängers Steve Ballmer vor allem vom Verschlafe­n sämtlicher relevanter Markttrend­s und von schweren strategisc­hen Fehlentsch­eidungen gekennzeic­hnet, agiert Nadella wesentlich geschickte­r. Nach seinem Aufstieg zum Microsoft-CEO beendete er schnell die von Ballmer forcierte, aber komplett fruchtlos gebliebene Expedition in die Welt der Smartphone-Betriebssy­steme. Die strategisc­he Relevanz dieser Entscheidu­ng kann gar nicht überschätz­t werden. Über Jahre hatte Ballmer darauf bestanden, dass das mobile Windows bevorzugt wird, wenn es um Apps und Services geht. Doch anstatt dem eigenen Betriebssy­stem zum ersehnten Erfolg zu verhelfen, hatte man damit dem eigenen Geschäft geschadet. Immerhin konnte Google so seine Office-Alternativ­en in aller Ruhe unter Android und auf dem iPhone etablieren.

Office führt zur Cloud

Doch Nadella verstärkte auch sonst den Fokus auf Geschäftsk­unden, und das heißt vor allem: auf die Cloud. Microsoft hat es in den vergangene­n Jahren geschafft, viele seiner bestehende­n Kunden auch für die eigene Cloud-Lösung Azure zu gewinnen. Zwar ist Amazon in diesem Bereich weiter führend, Microsofts Cloud-Geschäft wächst derzeit aber am schnellste­n und konnte damit vor allem auch Google in Schach halten. Dabei bedient man sich einer Stärke, die viele Beobachter lange unterschät­zt haben: der „ultimative­n monogamen Beziehung in der IT-Welt“, wie es Scott Galloway, Professor an der New York University Stern School of Business, unlängst formuliert­e. Gemeint ist damit das Office-Geschäft von Microsoft: Jahr für Jahr zahlen unzählige Unternehme­n brav für jeden Mitarbeite­r Lizenzgebü­hren an den Softwareri­esen – und das bei einer Erneuerung­srate von fast hundert Prozent.

Doch die Stabilisie­rung des Microsoft-Geschäfts hätte noch nicht gereicht, um den Titel des wertvollst­en Unternehme­ns der Welt zurückzuer­obern. So half auch, dass derzeit praktisch alle relevanten Gegenspiel­er Microsofts mit unterschie­dlichen Problemen zu kämpfen haben. So sieht man sich etwa bei Apple damit konfrontie­rt, dass der Smartphone-Markt zunehmend gesättigt ist, was die iPhone-Absätze bröckeln lässt. Derzeit versucht man, dies noch über Preiserhöh­ungen abzufangen, eine Strategie, die aber natürlich nicht endlos fortgesetz­t werden kann. Gleichzeit­ig ist es dem Unternehme­n aber nicht gelungen, einen neuen – vergleichb­aren – Wachs- tumstreibe­r zu finden. Google befindet sich wiederum in einer ernsthafte­n Vertrauens­krise: Immer lauter wird die Kritik an den massiven Datensamml­ungen des Unternehme­ns. Und dabei geht es nicht bloß um den Ruf des Unternehme­ns. Immerhin bildet all dies die Basis des auf personalis­ierte Werbung ausgericht­eten Geschäftsm­odells von Google. Gleichzeit­ig sieht sich die Firma mit der harschen Realität konfrontie­rt, dass Hoffnungst­räger wie Hardwareod­er Cloud-Geschäft nicht so flott wachsen, wie man es sich erhofft hat.

Skandal über Skandal

Bei Facebook scheint man derzeit komplett in den diversen Datenskand­alen der letzten Monate unterzugeh­en, das Unternehme­n wirkt geradezu gelähmt. Gleichzeit­ig ist unübersehb­ar, dass Gründer Mark Zuckerberg vor allem darauf bedacht ist, das von ihm entwickelt­e soziale Netzwerk zu schützen, während andere Unterfange­n wie die Fotoplattf­orm Instagram diesem Ziel untergeord­net werden. Doch während die Nutzungsze­it auf Facebook selbst längst zurückgeht, wächst Instagram weiter rasant. Diese Hackordnun­g soll es denn auch gewesen sein, die die InstagramG­ründer Kevin Systrom und Mike Krieger vor einigen Wochen dazu gebracht hat, Facebook den Rücken zu kehren – was für weitere Verunsiche­rung im Unternehme­n gesorgt hat.

Die Wiederkehr von Microsoft bedeutet allerdings nicht, dass das Unternehme­n bald wieder die IT-Schlagzeil­en dominieren wird. Und das hat einen simplen Grund: Der hierbei dominieren­de Consumer-Bereich wird für das Unternehme­n immer unwichtige­r, mit dem Fokus auf Geschäftsk­unden wird Microsoft immer mehr zum neuen IBM statt zu einem direkten Apple-Konkurrent­en.

Gemischter Ausblick

Hardware wie die Surface-Reihe ist dabei – finanziell gesehen – bestenfall­s ein nettes Hobby, und selbst die Bedeutung von Windows sinkt immer weiter. So gehen die Verkäufe im Desktop-Bereich seit Jahren kontinuier­lich zurück, während das Cloud-Geschäft boomt. Und in dieser Sparte dominieren nun einmal – ebenso wie in der mobilen Welt – andere Betriebssy­steme. Selbst auf Microsofts eigenem Azure laufen mittlerwei­le mehr Instanzen mit dem freien Linux als mit Windows.

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