Die unerwartete Renaissance von Microsoft
Jahrelang wurde der Windows-Hersteller als ideenlos gescholten. Der Fokus auf Kernstärken, aber auch Probleme bei allen relevanten Konkurrenten machen das Unternehmen nun trotzdem wieder zum wertvollsten der Welt.
Man schrieb den 26. Mai 2010, als eine lange beinahe unvorstellbare Nachricht die Runde machte: Nach Jahren der totalen MicrosoftDominanz stieg Konkurrent Apple an diesem Tag erstmals zum wertvollsten Unternehmen der IT-Welt auf. Vor allem die boomenden iPhone-Verkäufe waren es, die Apple die Spitzenposition eingebracht haben und auch dafür sorgen sollten, dass man diese in den kommenden Jahren zuverlässig verteidigen konnte.
Achteinhalb Jahre später sieht die Lage nun wieder anders aus: Mit einem Marktwert von 851 Milliarden Dollar beendete Microsoft am Freitag eine erfolgreiche Börsenwoche – vor Apple, das sich aktuell mit 847 Milliarden zufriedengeben muss. Eine Reihung, die noch vor nicht allzu langer Zeit wohl nur wenige Marktbeobachter für realistisch gehalten hätten. Wie konnte es also dazu kommen, dass nun ausgerechnet jenes Unternehmen, das von vielen Analysten zuletzt nicht einmal mehr zu den einflussreichsten IT-Unternehmen gezählt wurde, solch eine Renaissance feiert?
Eine Spurensuche
Die Antwort auf diese Frage ist – wie so oft – vielschichtig. Einer der entscheidenden Faktoren trägt dabei einen Namen: Seit Satya Nadella die Leitung von Microsoft übernommen hat, hat sich bei dem Softwarehersteller vieles zum Besseren gewendet. War die Ära des Vorgängers Steve Ballmer vor allem vom Verschlafen sämtlicher relevanter Markttrends und von schweren strategischen Fehlentscheidungen gekennzeichnet, agiert Nadella wesentlich geschickter. Nach seinem Aufstieg zum Microsoft-CEO beendete er schnell die von Ballmer forcierte, aber komplett fruchtlos gebliebene Expedition in die Welt der Smartphone-Betriebssysteme. Die strategische Relevanz dieser Entscheidung kann gar nicht überschätzt werden. Über Jahre hatte Ballmer darauf bestanden, dass das mobile Windows bevorzugt wird, wenn es um Apps und Services geht. Doch anstatt dem eigenen Betriebssystem zum ersehnten Erfolg zu verhelfen, hatte man damit dem eigenen Geschäft geschadet. Immerhin konnte Google so seine Office-Alternativen in aller Ruhe unter Android und auf dem iPhone etablieren.
Office führt zur Cloud
Doch Nadella verstärkte auch sonst den Fokus auf Geschäftskunden, und das heißt vor allem: auf die Cloud. Microsoft hat es in den vergangenen Jahren geschafft, viele seiner bestehenden Kunden auch für die eigene Cloud-Lösung Azure zu gewinnen. Zwar ist Amazon in diesem Bereich weiter führend, Microsofts Cloud-Geschäft wächst derzeit aber am schnellsten und konnte damit vor allem auch Google in Schach halten. Dabei bedient man sich einer Stärke, die viele Beobachter lange unterschätzt haben: der „ultimativen monogamen Beziehung in der IT-Welt“, wie es Scott Galloway, Professor an der New York University Stern School of Business, unlängst formulierte. Gemeint ist damit das Office-Geschäft von Microsoft: Jahr für Jahr zahlen unzählige Unternehmen brav für jeden Mitarbeiter Lizenzgebühren an den Softwareriesen – und das bei einer Erneuerungsrate von fast hundert Prozent.
Doch die Stabilisierung des Microsoft-Geschäfts hätte noch nicht gereicht, um den Titel des wertvollsten Unternehmens der Welt zurückzuerobern. So half auch, dass derzeit praktisch alle relevanten Gegenspieler Microsofts mit unterschiedlichen Problemen zu kämpfen haben. So sieht man sich etwa bei Apple damit konfrontiert, dass der Smartphone-Markt zunehmend gesättigt ist, was die iPhone-Absätze bröckeln lässt. Derzeit versucht man, dies noch über Preiserhöhungen abzufangen, eine Strategie, die aber natürlich nicht endlos fortgesetzt werden kann. Gleichzeitig ist es dem Unternehmen aber nicht gelungen, einen neuen – vergleichbaren – Wachs- tumstreiber zu finden. Google befindet sich wiederum in einer ernsthaften Vertrauenskrise: Immer lauter wird die Kritik an den massiven Datensammlungen des Unternehmens. Und dabei geht es nicht bloß um den Ruf des Unternehmens. Immerhin bildet all dies die Basis des auf personalisierte Werbung ausgerichteten Geschäftsmodells von Google. Gleichzeitig sieht sich die Firma mit der harschen Realität konfrontiert, dass Hoffnungsträger wie Hardwareoder Cloud-Geschäft nicht so flott wachsen, wie man es sich erhofft hat.
Skandal über Skandal
Bei Facebook scheint man derzeit komplett in den diversen Datenskandalen der letzten Monate unterzugehen, das Unternehmen wirkt geradezu gelähmt. Gleichzeitig ist unübersehbar, dass Gründer Mark Zuckerberg vor allem darauf bedacht ist, das von ihm entwickelte soziale Netzwerk zu schützen, während andere Unterfangen wie die Fotoplattform Instagram diesem Ziel untergeordnet werden. Doch während die Nutzungszeit auf Facebook selbst längst zurückgeht, wächst Instagram weiter rasant. Diese Hackordnung soll es denn auch gewesen sein, die die InstagramGründer Kevin Systrom und Mike Krieger vor einigen Wochen dazu gebracht hat, Facebook den Rücken zu kehren – was für weitere Verunsicherung im Unternehmen gesorgt hat.
Die Wiederkehr von Microsoft bedeutet allerdings nicht, dass das Unternehmen bald wieder die IT-Schlagzeilen dominieren wird. Und das hat einen simplen Grund: Der hierbei dominierende Consumer-Bereich wird für das Unternehmen immer unwichtiger, mit dem Fokus auf Geschäftskunden wird Microsoft immer mehr zum neuen IBM statt zu einem direkten Apple-Konkurrenten.
Gemischter Ausblick
Hardware wie die Surface-Reihe ist dabei – finanziell gesehen – bestenfalls ein nettes Hobby, und selbst die Bedeutung von Windows sinkt immer weiter. So gehen die Verkäufe im Desktop-Bereich seit Jahren kontinuierlich zurück, während das Cloud-Geschäft boomt. Und in dieser Sparte dominieren nun einmal – ebenso wie in der mobilen Welt – andere Betriebssysteme. Selbst auf Microsofts eigenem Azure laufen mittlerweile mehr Instanzen mit dem freien Linux als mit Windows.