Licht und Schatten
Selbstverwirklichung statt Mitleid wünschen sich Behindertenvertreter von der Spendenaktion „Licht ins Dunkel“. Der ORF verweist auf inhaltliche Änderungen. Die Markenname sei aber zu bekannt, um daran zu rütteln.
Ist da jemand?“So sehr diese Frage viele Jahre im Zentrum von Licht ins Dunkel stand, so punktgenau repräsentierte sie alles, was Behindertenvertreter an der Spendenaktion kritisierten: Sie würden zu reinen Almosenempfängern degradiert, denen dank des Mitleids vieler geholfen wird: Licht ins Dunkel eben.
Der Slogan „Ist da jemand?“, von einer Kinderstimme aus dem Off eingesprochen, wurde bereits vor ein paar Jahren entsorgt – was bleibt, ist die Kritik an der Positionierung: Noch stärker weg von der Negativdarstellung, hin zum Positiven, das wünscht sich Herbert Pichler, Präsident des Österreichischen Behindertenrats: „Ob kognitive Beeinträchtigung oder Mobilitätseinschränkung: Menschen mit Behinderungen müssen das, was ihnen fehlt, kompensieren. Dafür entwickeln sie ganz besondere Fähigkeiten.“
Wenn der ORF den Auftakt zu Licht ins Dunkel zelebriert, lässt er kaum ein Format aus, um nicht Werbung dafür zu machen: Von Bingo über die Barbara Karlich Show bis zur Promi-Millionenshow – alles steht im Zeichen des Spendens. Mit großem Erfolg: Im Vorjahr waren es in Summe 14,2 Millionen Euro, die der Verein für Projekte lukrieren konnte – neuer Rekord seit der Gründung im Jahr 1973. Vergangenes Jahr gehörten 388 Sozial- und Behinderteneinrichtungen zu den Profiteuren. Solche Zahlen und Summen sind es auch, die Kritik an Licht ins Dunkel so schwer machen.
„Spielraum für Mut“
Einer, der sie dennoch übt, ist Franz-Josef Huainigg. Er saß bis 2017 für die ÖVP im Parlament. Huainigg, dessen Beine seit seinem siebenten Lebensmonat gelähmt sind, fordert „Spielraum für Mut“und erwähnt ein Beispiel aus Deutschland: „Die Aktion Mensch hat vorgelebt, wie die Änderung einer defizitorientierten Marke zu einer positiven weiterentwickelt werden kann.“Aktion Mensch hieß zuvor Aktion Sorgenkind: „In der Bevölkerung wurde wichtiges Bewusstsein für einen anderen Zugang geschaffen.“
Positiv fällt sein Resümee zur Auftaktsendung aus, die Sonntagnachmittag in ORF 2 auf dem Programm stand: „Es gab eine Doppelmoderation von Behindertensportler Andreas Onea und Nina Kraft, durchgehende Gebärdendolmetschung, es wurden sehr gute Beschäftigungsprojekte in Richtung erster Arbeitsmarkt vorgestellt, das Thema Lohn in Werkstätten wurde kritisch hinterfragt“, so Huainigg zum
„Ich sehe eine sehr gute Entwicklung.“
ORF: Marke so etabliert
Die Kritik an Licht ins Dunkel kennt Christine Kaiser gut, sie verantwortet die Aktion derzeit für den ORF – als Nachfolgerin der im Juni 2018 verstorbenen Sissy Mayerhoffer. An der Marke möchte Kaiser nicht rütteln: „Mit mehr als 90 Prozent Bekanntheit wäre es schon ein ziemliches Wagnis, diesen Namen zu ändern.“
Der ORF habe den geforderten Paradigmenwechsel „inhaltlich, journalistisch vollzogen“. Etwa in der aktuellen Kampagne: „Wir zeigen, wie wichtig die Inklusion von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt ist.“Und: „Wir haben auch nie diese Metapher bedient, dass Menschen mit Behinderungen auf der dunklen Seite des Lebens sind.“Heuer gebe es erstmals einen Zusatz zum Namen, nämlich „Zeit für Licht ins Dunkel“. Das solle suggerieren, dass es nicht nur um Spenden gehe, sondern auch um „Zeit zum Zuhören, Zuschauen und Verstehen“.
Vor einer Namensänderung warnt auch Eva Radinger, die Geschäftsführerin des Vereins Licht ins Dunkel, der aus sieben Organisationen wie der Caritas oder der Diakonie besteht: „Abgesehen von enormen Kosten einer Markenänderung würde das bei den Spendern, Familien mit Kindern und Menschen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf, völlig zu Recht auf größte Kritik stoßen.“
Den Begriff „Spenden“möchte Herbert Pichler vom Behindertenrat mit Sponsoring ersetzen: „Jemand schenkt einem zur Verwendung eines bestimmten Zweckes Geld.“Pichler würde gerne dabei helfen, Licht ins Dunkel weiterzuentwickeln. Kritisch fällt sein Befund für den ORF aus: „Das ganze Jahr versteckt man uns, nur um die Weihnachtszeit dürfen wir dabei sein.“Seine Forderung: Bessere Sendeplätze für Behindertensport – ORF 1 statt ORF Sport plus.