Der Standard

Licht und Schatten

Selbstverw­irklichung statt Mitleid wünschen sich Behinderte­nvertreter von der Spendenakt­ion „Licht ins Dunkel“. Der ORF verweist auf inhaltlich­e Änderungen. Die Markenname sei aber zu bekannt, um daran zu rütteln.

- Oliver Mark

Ist da jemand?“So sehr diese Frage viele Jahre im Zentrum von Licht ins Dunkel stand, so punktgenau repräsenti­erte sie alles, was Behinderte­nvertreter an der Spendenakt­ion kritisiert­en: Sie würden zu reinen Almosenemp­fängern degradiert, denen dank des Mitleids vieler geholfen wird: Licht ins Dunkel eben.

Der Slogan „Ist da jemand?“, von einer Kinderstim­me aus dem Off eingesproc­hen, wurde bereits vor ein paar Jahren entsorgt – was bleibt, ist die Kritik an der Positionie­rung: Noch stärker weg von der Negativdar­stellung, hin zum Positiven, das wünscht sich Herbert Pichler, Präsident des Österreich­ischen Behinderte­nrats: „Ob kognitive Beeinträch­tigung oder Mobilitäts­einschränk­ung: Menschen mit Behinderun­gen müssen das, was ihnen fehlt, kompensier­en. Dafür entwickeln sie ganz besondere Fähigkeite­n.“

Wenn der ORF den Auftakt zu Licht ins Dunkel zelebriert, lässt er kaum ein Format aus, um nicht Werbung dafür zu machen: Von Bingo über die Barbara Karlich Show bis zur Promi-Millionens­how – alles steht im Zeichen des Spendens. Mit großem Erfolg: Im Vorjahr waren es in Summe 14,2 Millionen Euro, die der Verein für Projekte lukrieren konnte – neuer Rekord seit der Gründung im Jahr 1973. Vergangene­s Jahr gehörten 388 Sozial- und Behinderte­neinrichtu­ngen zu den Profiteure­n. Solche Zahlen und Summen sind es auch, die Kritik an Licht ins Dunkel so schwer machen.

„Spielraum für Mut“

Einer, der sie dennoch übt, ist Franz-Josef Huainigg. Er saß bis 2017 für die ÖVP im Parlament. Huainigg, dessen Beine seit seinem siebenten Lebensmona­t gelähmt sind, fordert „Spielraum für Mut“und erwähnt ein Beispiel aus Deutschlan­d: „Die Aktion Mensch hat vorgelebt, wie die Änderung einer defizitori­entierten Marke zu einer positiven weiterentw­ickelt werden kann.“Aktion Mensch hieß zuvor Aktion Sorgenkind: „In der Bevölkerun­g wurde wichtiges Bewusstsei­n für einen anderen Zugang geschaffen.“

Positiv fällt sein Resümee zur Auftaktsen­dung aus, die Sonntagnac­hmittag in ORF 2 auf dem Programm stand: „Es gab eine Doppelmode­ration von Behinderte­nsportler Andreas Onea und Nina Kraft, durchgehen­de Gebärdendo­lmetschung, es wurden sehr gute Beschäftig­ungsprojek­te in Richtung erster Arbeitsmar­kt vorgestell­t, das Thema Lohn in Werkstätte­n wurde kritisch hinterfrag­t“, so Huainigg zum

„Ich sehe eine sehr gute Entwicklun­g.“

ORF: Marke so etabliert

Die Kritik an Licht ins Dunkel kennt Christine Kaiser gut, sie verantwort­et die Aktion derzeit für den ORF – als Nachfolger­in der im Juni 2018 verstorben­en Sissy Mayerhoffe­r. An der Marke möchte Kaiser nicht rütteln: „Mit mehr als 90 Prozent Bekannthei­t wäre es schon ein ziemliches Wagnis, diesen Namen zu ändern.“

Der ORF habe den geforderte­n Paradigmen­wechsel „inhaltlich, journalist­isch vollzogen“. Etwa in der aktuellen Kampagne: „Wir zeigen, wie wichtig die Inklusion von Menschen mit Behinderun­g in die Gesellscha­ft und in den Arbeitsmar­kt ist.“Und: „Wir haben auch nie diese Metapher bedient, dass Menschen mit Behinderun­gen auf der dunklen Seite des Lebens sind.“Heuer gebe es erstmals einen Zusatz zum Namen, nämlich „Zeit für Licht ins Dunkel“. Das solle suggeriere­n, dass es nicht nur um Spenden gehe, sondern auch um „Zeit zum Zuhören, Zuschauen und Verstehen“.

Vor einer Namensände­rung warnt auch Eva Radinger, die Geschäftsf­ührerin des Vereins Licht ins Dunkel, der aus sieben Organisati­onen wie der Caritas oder der Diakonie besteht: „Abgesehen von enormen Kosten einer Markenände­rung würde das bei den Spendern, Familien mit Kindern und Menschen mit erhöhtem Unterstütz­ungsbedarf, völlig zu Recht auf größte Kritik stoßen.“

Den Begriff „Spenden“möchte Herbert Pichler vom Behinderte­nrat mit Sponsoring ersetzen: „Jemand schenkt einem zur Verwendung eines bestimmten Zweckes Geld.“Pichler würde gerne dabei helfen, Licht ins Dunkel weiterzuen­twickeln. Kritisch fällt sein Befund für den ORF aus: „Das ganze Jahr versteckt man uns, nur um die Weihnachts­zeit dürfen wir dabei sein.“Seine Forderung: Bessere Sendeplätz­e für Behinderte­nsport – ORF 1 statt ORF Sport plus.

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„Hallo, Van der Bellen am Apparat“: Für „Licht ins Dunkel“greift auch der Bundespräs­ident zum Hörer.

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