Der Standard

„Will man Krone oder Sack“

Eine Ausstellun­g im Weltmuseum widmet sich der Kulturgesc­hichte des Kopftuchs. Die Sängerin Timna Brauer ist darin mit einem Musikvideo vertreten. Im Interview sagt sie ihre Meinung zu Verboten und zur FPÖ.

- Stefan Weiss

Kippa, Fes oder der weiße Schleier ihrer jemenitisc­hjüdischen Großmutter, deren Haare sie nur ein einziges Mal gesehen hat – mit Kopfbedeck­ungen aller Art ist die Sängerin Timna Brauer aufgewachs­en. Mit ihrer österreich­ischen Großmutter hatte die Tochter von Arik Brauer auch ein Gegenmodel­l. Diese war Sozialisti­n und war aus der Kirche ausgetrete­n. „Da war das Kopftuch kein Thema. Wenn man Bedeckung trägt, nur weil es die Gesellscha­ft will, dann bin ich total dagegen“, sagt Brauer als Feministin.

Das Thema Kopftuch wird seit Jahren hochemotio­nalisiert diskutiert. Verständli­ch? Brauer: Es ist ganz klar, dass die Emotionen hochgehen. Weil man so lange um die Emanzipati­on gekämpft hat, damit noch immer nicht ganz durch ist, und jetzt die Verschleie­rung zunimmt. Das Kopftuch ist für mich auch ein Symbol für die Unterdrück­ung. Es ist anderersei­ts verständli­ch, dass sich Musliminne­n, die das Tuch freiwillig tragen, empören, wenn ihnen der Staat diktieren will, wie sie sich zu kleiden haben.

Sie sind an der Weltmuseum-Ausstellun­g „Verhüllt, enthüllt!“beteiligt. Manche kritisiere­n an der Schau, dass durch das Zeigen der christlich­en Kopftuchge­schichte die Debatte um das muslimisch­e Tuch relativier­t werden soll. Was sagen Sie dazu? Brauer: Dass dieser Vorwurf kommt, zeigt, dass es viele Ängste gibt. Ich finde es vollkommen richtig, dass man auch die christlich­e Kopftuchge­schichte zeigt. Je mehr Informatio­n wir zu dem Thema bekommen, umso besser können wir die Situation bewerten.

Aber kann man so eine Ausstellun­g machen, ohne die politische­n Debatten zu schildern? INTERVIEW: Brauer: Ich denke schon. Das Thema ist so sehr politisier­t, dass es gut ist, einmal innezuhalt­en und einen anderen Zugang zu wählen. Die Debatte findet ohnehin außerhalb des Museums statt.

In Ihrem Musikvideo zur Ausstellun­g zeigen Sie die Verschleie­rung als buntes, verführeri­sches Modeaccess­oire. Im europäisch­en Straßenbil­d ist diese Variante kaum zu sehen. Stört Sie das? Brauer: Selbstvers­tändlich. In meinem Video sage ich: Bedeckung ja, solange sie freiwillig passiert und am besten bunt, lebendig, ästhetisch ausfällt. Ich finde es etwa schön, welch farbenfroh­e Kopftücher afrikanisc­he Musliminne­n tragen. Die Frage ist: Will man eine Krone oder einen Sack? Bei der Eröffnung der Ausstellun­g wurde ich dafür angegriffe­n.

Von wem? Brauer: Ein türkischer Mann hat mir vorgeworfe­n, ich würde meine Großmutter und Muslinnen beleidigen. Bezeichnen­derweise kam die Kritik von einem Man.

Im orientalis­chen Raum gab es in den 1950er-Jahren weniger Kopftuchtr­ägerinnen als heute. Sie leben zum Teil in Israel. Wie nehmen Sie das dort wahr? Brauer: In Israel gibt es eine Mil- lion Palästinen­ser mit israelisch­em Pass. Vor 20 Jahren war es undenkbar, dass die Mehrheit Schleier trägt. Das hat sich geändert. Ich glaube, es ist vor allem mit dem iranischen Ajatollah Khomeini eingesicke­rt. Die Kopftuchde­batte existiert in Israel aber nicht, weil ja auch die orthodoxen Juden Kleidungsv­orschrifte­n haben. Bei Verboten müssen auch sie Einschränk­ungen fürchten.

Zu Recht? Muss, wer über Kopftuchve­rbote spricht, auch die jüdische Kippa und Kreuze in Schulen und Gerichten kritisiere­n? Brauer: Natürlich. Ich habe viele Jahre in Frankreich gelebt, wo es konsequent­en Laizismus gibt. Ich finde das sehr richtig: Religion ist Privatsach­e und sollte nicht ständig zur Schau gestellt werden. Es ist aber schon ein Unterschie­d, ob in einem christlich geprägten Land Kreuze hängen oder ob Leute durch die Straße laufen, die nicht erkennbar sind. Bis zu einem gewissen Grad ist es legitim, hier zu differenzi­eren. Es gibt den Satz: Wenn du in Rom lebst, verhalte dich auch wie ein Römer.

Die Regierung plant ein Kopftuchve­rbot in Kindergärt­en und in Volksschul­en. Sinnvoll? Brauer: Verbote von außen werden das Problem nicht lösen. Kleine Mädchen werden dann vielleicht keine Kopftücher mehr tragen müssen, aber umso strenger erzogen werden. Dass sich jüdische und muslimisch­e Frauen vom Joch der Männer befreien, kann nur von innen heraus passieren.

Die FPÖ benutzt die Kopftuchde­batte auch für Stimmungsm­ache. Ihr Vater Arik Brauer hat Heinz-Christian Strache jüngst die Hand gereicht. Wie stehen Sie zu der Partei? Brauer: Die FPÖ ist eine mittlerwei­le sehr große Partei. Da gibt es leider auch Nazis, dann einige, die sehr problemati­sch sind, und andere, die vielleicht weniger problemati­sch sind. Es ist richtig, mit Letzteren das Gespräch zu suchen, gerade dann, wenn diese Partei von so vielen Leuten gewählt wird. Mit Ablehnung vergrößere ich nur die Gräben. Natürlich gibt es immer das Problem, dass man benutzt wird, wenn man jemandem die Hand reicht. Es bleibt eine Gratwander­ung.

TIMNA BRAUER (57) ist Sängerin und dem Jazz- wie Weltmusik-Genre zuzurechne­n. 1986 nahm sie für Österreich am Eurovision Song Contest teil. p Langfassun­g: derStandar­d.at/Kultur

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In ihrem Musikvideo zur Weltmuseum-Ausstellun­g verhandelt Timna Brauer die Kopftuchde­batte.
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