„Will man Krone oder Sack“
Eine Ausstellung im Weltmuseum widmet sich der Kulturgeschichte des Kopftuchs. Die Sängerin Timna Brauer ist darin mit einem Musikvideo vertreten. Im Interview sagt sie ihre Meinung zu Verboten und zur FPÖ.
Kippa, Fes oder der weiße Schleier ihrer jemenitischjüdischen Großmutter, deren Haare sie nur ein einziges Mal gesehen hat – mit Kopfbedeckungen aller Art ist die Sängerin Timna Brauer aufgewachsen. Mit ihrer österreichischen Großmutter hatte die Tochter von Arik Brauer auch ein Gegenmodell. Diese war Sozialistin und war aus der Kirche ausgetreten. „Da war das Kopftuch kein Thema. Wenn man Bedeckung trägt, nur weil es die Gesellschaft will, dann bin ich total dagegen“, sagt Brauer als Feministin.
Das Thema Kopftuch wird seit Jahren hochemotionalisiert diskutiert. Verständlich? Brauer: Es ist ganz klar, dass die Emotionen hochgehen. Weil man so lange um die Emanzipation gekämpft hat, damit noch immer nicht ganz durch ist, und jetzt die Verschleierung zunimmt. Das Kopftuch ist für mich auch ein Symbol für die Unterdrückung. Es ist andererseits verständlich, dass sich Musliminnen, die das Tuch freiwillig tragen, empören, wenn ihnen der Staat diktieren will, wie sie sich zu kleiden haben.
Sie sind an der Weltmuseum-Ausstellung „Verhüllt, enthüllt!“beteiligt. Manche kritisieren an der Schau, dass durch das Zeigen der christlichen Kopftuchgeschichte die Debatte um das muslimische Tuch relativiert werden soll. Was sagen Sie dazu? Brauer: Dass dieser Vorwurf kommt, zeigt, dass es viele Ängste gibt. Ich finde es vollkommen richtig, dass man auch die christliche Kopftuchgeschichte zeigt. Je mehr Information wir zu dem Thema bekommen, umso besser können wir die Situation bewerten.
Aber kann man so eine Ausstellung machen, ohne die politischen Debatten zu schildern? INTERVIEW: Brauer: Ich denke schon. Das Thema ist so sehr politisiert, dass es gut ist, einmal innezuhalten und einen anderen Zugang zu wählen. Die Debatte findet ohnehin außerhalb des Museums statt.
In Ihrem Musikvideo zur Ausstellung zeigen Sie die Verschleierung als buntes, verführerisches Modeaccessoire. Im europäischen Straßenbild ist diese Variante kaum zu sehen. Stört Sie das? Brauer: Selbstverständlich. In meinem Video sage ich: Bedeckung ja, solange sie freiwillig passiert und am besten bunt, lebendig, ästhetisch ausfällt. Ich finde es etwa schön, welch farbenfrohe Kopftücher afrikanische Musliminnen tragen. Die Frage ist: Will man eine Krone oder einen Sack? Bei der Eröffnung der Ausstellung wurde ich dafür angegriffen.
Von wem? Brauer: Ein türkischer Mann hat mir vorgeworfen, ich würde meine Großmutter und Muslinnen beleidigen. Bezeichnenderweise kam die Kritik von einem Man.
Im orientalischen Raum gab es in den 1950er-Jahren weniger Kopftuchträgerinnen als heute. Sie leben zum Teil in Israel. Wie nehmen Sie das dort wahr? Brauer: In Israel gibt es eine Mil- lion Palästinenser mit israelischem Pass. Vor 20 Jahren war es undenkbar, dass die Mehrheit Schleier trägt. Das hat sich geändert. Ich glaube, es ist vor allem mit dem iranischen Ajatollah Khomeini eingesickert. Die Kopftuchdebatte existiert in Israel aber nicht, weil ja auch die orthodoxen Juden Kleidungsvorschriften haben. Bei Verboten müssen auch sie Einschränkungen fürchten.
Zu Recht? Muss, wer über Kopftuchverbote spricht, auch die jüdische Kippa und Kreuze in Schulen und Gerichten kritisieren? Brauer: Natürlich. Ich habe viele Jahre in Frankreich gelebt, wo es konsequenten Laizismus gibt. Ich finde das sehr richtig: Religion ist Privatsache und sollte nicht ständig zur Schau gestellt werden. Es ist aber schon ein Unterschied, ob in einem christlich geprägten Land Kreuze hängen oder ob Leute durch die Straße laufen, die nicht erkennbar sind. Bis zu einem gewissen Grad ist es legitim, hier zu differenzieren. Es gibt den Satz: Wenn du in Rom lebst, verhalte dich auch wie ein Römer.
Die Regierung plant ein Kopftuchverbot in Kindergärten und in Volksschulen. Sinnvoll? Brauer: Verbote von außen werden das Problem nicht lösen. Kleine Mädchen werden dann vielleicht keine Kopftücher mehr tragen müssen, aber umso strenger erzogen werden. Dass sich jüdische und muslimische Frauen vom Joch der Männer befreien, kann nur von innen heraus passieren.
Die FPÖ benutzt die Kopftuchdebatte auch für Stimmungsmache. Ihr Vater Arik Brauer hat Heinz-Christian Strache jüngst die Hand gereicht. Wie stehen Sie zu der Partei? Brauer: Die FPÖ ist eine mittlerweile sehr große Partei. Da gibt es leider auch Nazis, dann einige, die sehr problematisch sind, und andere, die vielleicht weniger problematisch sind. Es ist richtig, mit Letzteren das Gespräch zu suchen, gerade dann, wenn diese Partei von so vielen Leuten gewählt wird. Mit Ablehnung vergrößere ich nur die Gräben. Natürlich gibt es immer das Problem, dass man benutzt wird, wenn man jemandem die Hand reicht. Es bleibt eine Gratwanderung.
TIMNA BRAUER (57) ist Sängerin und dem Jazz- wie Weltmusik-Genre zuzurechnen. 1986 nahm sie für Österreich am Eurovision Song Contest teil. p Langfassung: derStandard.at/Kultur